Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – umgangssprachlich Antidiskriminierungsgesetz genannt – ist ein Bundesgesetz. Es verfolgt das Ziel, „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“ (§1 Abschnitt 1 AGG). Obwohl das AGG derzeit in aller Munde ist, kennen viele Personalerinnen und Personaler seine wichtigsten Punkte nicht. Speziell das Krankenhausumfeld stellt besondere Herausforderungen an den Bewerbungsprozess. Hebt ein katholisches Krankenhaus in einer Stellenausschreibung beispielsweise seine „christlichen Werte“ hervor, so ist dies unzulässig und könnte als diskriminierend gedeutet werden. Erfahren Sie hier, was Personaler genau hinsichtlich des AGG beachten müssen.
Top-10-Tipps, die Personaler beachten sollten
Folgende zehn Ratschläge sollten Personaler im Gesundheitswesen beachten:
- AGG-konforme Stellenausschreibung: Die Stellenausschreibung muss geschlechtsneutral (z.B. „Fachkrankenpfleger Psychiatrie“ mit Zusatz „m/w/d“) formuliert sein. Außerdem muss sie sich ausschließlich auf die Tätigkeit beziehen. Sie darf nur Anforderungen enthalten, die für die ausgeschriebene Stelle relevant sind.
- Bewerbungsfrist definieren: Es muss ein Datum für das Ende des Bewerbungsverfahrens angegeben werden. Dies senkt das Haftungsrisiko und zu spät eingegangene Bewerbungen können mit dieser Begründung zurückgewiesen werden.
- Kriterienkatalog erstellen: Die zu besetzende Stelle sollte mit harten (z.B. Noten in Berufsausbildung und Studium, Berufserfahrung etc.) und weichen Kriterien (z.B. Teamfähigkeit, Belastbarkeit etc.) umschrieben werden, da so ein objektiver Vergleich der Bewerber möglich ist.
- Online-Bewerbungsformulare auf AGG-Verstöße kontrollieren: Oftmals verstecken sich hier Felder für Alters-, Geschlechts- oder Wohnortsangaben. Diese sollte man entfernen oder zumindest nicht als Pflichtfelder kennzeichnen.
- Gespräche und Schriftverkehr lückenlos dokumentieren: Dies erleichtert im Streitfall vor Gericht den Nachweis, dass das AGG eingehalten wurde. Eine haltlose Behauptung eines abgelehnten Bewerbers vor Gericht kann so entkräftet werden.
- Nur geschultes Fachpersonal ans Telefon lassen: Manche Bewerber rufen im Vorfeld mit Fragen an. Unbedachte Äußerungen ungeschulter Mitarbeiter können schnell dazu führen, dass ein Bewerber wegen Diskriminierung klagt. Wenn z.B. ein 55-jähriger Bewerber am Telefon fragt, ob eine Bewerbung zum Krankenpfleger für ihn erfolgversprechend ist und die gutmütige Sekretärin dies verneint, sind alle Voraussetzungen für eine Klage erfüllt.
- Mitarbeiter als Zeugen im Bewerbungsgespräch: Eine lückenlose Dokumentation des Gespräches ist gut, ein zweites Paar Ohren und Augen im Raum ist jedoch noch besser.
- Ablehnungsschreiben kurzhalten: Der freundlich gemeinte Hinweis, dass die Absage nichts mit den fachlichen Fähigkeiten zu tun hat, weil ein anderer Bewerber „besser zum Stationsteam passt“, öffnet die Möglichkeit für eine Klage wegen eines Bewerbungsprozesses auf nicht fachlicher Grundlage.
- Zugangsnachweis für Ablehnungsschreiben: Ein solcher Nachweis hilft dabei zu überwachen, ob der abgelehnte Bewerber oder die abgelehnte Bewerberin einen Anspruch gegen den Arbeitgeber geltend machen will (die Ausschlussfrist beträgt zwei Monate).
- Archivieren und dokumentieren: Sämtliche Bewerbungen, Telefonnotizen, E-Mails und Dokumentationen müssen aus Gründen der Ausschlussfrist von zwei Monaten mindestens so lange nach Absage aufgehoben werden. In dieser Frist hat der Bewerber oder die Bewerberin laut AGG das Recht, gegen die Absage zu klagen.
Unzulässige Fragen im Vorstellungsgespräch
Da das AGG vorschreibt, dass der gesamte Bewerbungsprozess diskriminierungsfrei sein muss, umfasst dies auch das Bewerbungsgespräch. Hier darf der Personaler dem Bewerber nur Fragen stellen, die direkt mit dem Job zu tun haben. Oder welche, an denen er ein berechtigtes Interesse hat. Einige Fragen sollten Personaler auf gar keinen Fall stellen:
- Fragen zur Familienplanung, zum Familienstand, zur sexuellen Neigung (homo- oder heterosexuell), zur Schwangerschaft und/oder Kinderwunsch, zur Tätigkeit des Partners oder zu den anderen Familienmitgliedern oder Verwandten.
- Nachfragen zur gesundheitlichen Situation, etwa zum derzeitigen Gesundheitszustand, zu einer vorhandenen Behinderung, zu vergangenen Erkrankungen (inklusive Dauer) oder zu schweren Krankheiten in der Familie.
- Fragen zu privaten Ansichten wie etwa Religion und/oder Konfession (auch dann, wenn es sich z.B. um ein katholisches Krankenhaus handelt) sowie Partei- oder Gewerkschaftszugehörigkeit.
- Generelle Fragen zur Person wie etwa zum Alter, zur Herkunft, zu Vorstrafen, Straftaten oder Gefängnisaufenthalten, zum Umgang mit Geld, zu einer möglichen Verschuldung, zu den Vermögensverhältnissen in der Familie oder zum Privatleben allgemein.
- Und die bekannteste illegale Frage: Sind Sie schwanger? Bewerberinnen müssen eine bestehende oder geplante Schwangerschaft nicht offenbaren. Auch dann nicht, wenn sie explizit als Schwangerschaftsvertretung eingestellt werden sollen (Köln, Az.: 6 Sa 641/12). Dies gilt sogar bei einem befristeten Arbeitsvertrag. Und selbst dann, wenn die Bewerberin durch ihre Schwangerschaft einen wesentlichen Teil der Vertragszeit nicht arbeiten kann. Eine Ausnahme gibt es hier jedoch.
Ausnahme: Wann gilt das AGG nur begrenzt?
Keine Regel ohne Ausnahmen, auch nicht im Arbeitsrecht. In einigen Fällen erlaubt das Gesetz eine Benachteiligung von Bewerberinnen und Bewerbern. Dies ist dann in der Art der Tätigkeit oder den Arbeitsbedingungen begründet. Wird z.B. für einen Film eine Darstellerin gesucht, ist das zulässig. Weil die Rolle eben von einer Frau gespielt werden muss (Diskriminierungstatbestand: Geschlecht). Ebenso darf die katholische Kirche bei der Suche nach einem Pfarrer einen muslimischen Imam gegenüber einem katholischen Priester benachteiligen (Diskriminierungstatbestand: Religion).
Speziell im Krankenhausumfeld ist jedoch das AGG-Ausschlusskriterium der Schwangerschaft anzubringen. Dort gibt es gewisse Bereiche, in denen Schwangere gemäß dem Mutterschutzgesetz strikt nicht arbeiten dürfen. Das sind z.B. gewisse Labore aufgrund des dortigen Umgangs mit bestimmten Chemikalien oder manche Bereiche der Radiologie. Hier würde die Ausübung der beruflichen Tätigkeit Mutter oder Kind gesundheitlich gefährden. Daher muss die Bewerberin die Frage, ob sie schwanger ist, wahrheitsgemäß beantworten. Eine darin begründete Absage darf explizit nicht als diskriminierend gewertet werden. Da viele Bewerberinnen aber nicht wissen, dass sie in diesem speziellen Einzelfall und bei dieser speziellen Frage nicht vom AGG geschützt sind, wird Personalern empfohlen, auf diesen Sonderfall ganz explizit im Vorstellungsgespräch hinzuweisen.
Sonderfall „AGG-Hopper“
Seit der Einführung des AGG gibt es einige sogenannte „AGG-Hopper“. Diese haben sich darauf spezialisiert, sich auf Stellenanzeigen zu bewerben, die Chancen auf eine spätere Klage bieten. Bevor eine Ausschreibung aufgegeben wird, sollten Personaler daher daran denken, dass diese „AGG-Hopper“ Jobportale gezielt nach entsprechenden Codewörtern in Anzeigen durchsuchen. Diese Codewörter sind u.a. die Nennung von Altersobergrenzen, das Nichteinhalten der Geschlechtsneutralität, die Phrase „christliche Werte“ in einem katholischen Krankenhaus oder der Hinweis auf körperliche Belastbarkeit sowie vieles mehr. Diese „AGG-Hopper“ spekulieren auf eine Absage. Nach dieser können sie dann laut AGG sowohl den materiellen Schaden (Verdienstausfall) als auch einen immateriellen Schaden (Schmerzensgeld als Diskriminierungsopfer) geltend machen. Gegen Klagen wie diese hilft nur die Beachtung der oben bereits genannten zehn Tipps, die Personaler beachten sollten.