Die Verhandlungen für den neuen Tarifvertrag der Ärzte und Ärztinnen an kommunalen Krankenhäusern haben begonnen. Am 14. Oktober 2021 trafen sich der Marburger Bund und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) zur ersten Verhandlungsrunde. Beide Seiten präsentierten ihre Positionen und vertagten weitere Gespräche dieser Tarifrunde auf den 16. November 2021.
Tarifrunde TV-Ärzte/VKA 2021: Welche Forderungen stellt der Marburger Bund?
Der Marburger Bund vertritt als größter Ärzteverband in Deutschland rund 55.000 Ärztinnen und Ärzte, die an 324 kommunalen Kliniken beschäftigt sind, und fordert für sie:
- Eine 5,5-prozentige Erhöhung der Entgelte, gültig ab dem 1. Oktober 2021 und begrenzt auf eine Laufzeit von einem Jahr. Das betrifft alle Gehaltsklassen vom Assistenzarzt über den Facharzt und Oberarzt zum Chefarzt.
- Arbeits-, Bereitschafts- und Rufbereitschaftszeiten auf höchstens zwei Wochenenden pro Kalendermonat zu begrenzen. Weitere Wochenenddienste nur im Notfall. Bei Anordnung weiterer Arbeitsleistungen an Wochenenden eine Erhöhung der Bewertung beziehungsweise Vergütung für Arbeits-, Bereitschafts- und Rufbereitschaftsdienste. Gewährleistung von mindestens einem Wochenende pro Kalendermonat ohne jegliche Arbeitsleistung.
- Die Regelungen zur Rufbereitschaft konkreter zu definieren.
- Eine Erhöhung des Zuschlags zum Rufbereitschaftsentgelt.
Es geht um mehr als nur ums Geld
Der größte Streitpunkt der diesjährigen Tarifrunde betrifft Bereitschaftsdienste und die Rufbereitschaft. 2019 vereinbarte man in den Verhandlungen um die Tarifverträge, dass Ärztinnen und Ärzte seit Anfang 2020 mindestens zwei Wochenenden pro Kalenderhalbjahr frei haben. Die arbeitsfreie Zeit betrifft freitags ab 21 Uhr bis montags um 5 Uhr, in der weder Bereitschaftsdienste noch Rufbereitschaft zulässig sind. Als Ausnahme gilt, wenn „eine Gefährdung der Patientensicherheit“ droht. In einem solchen Fall müssen Ärztinnen und Ärzte auch darüberhinausgehende Arbeitsleistungen an Wochenenden erbringen. Aus dem gleichen Grund darf man auch mehr als die eigentlich vereinbarten maximalen vier Bereitschaftsdienste monatlich verlangen.
Der Marburger Bund kritisiert, dass der Begriff „Gefährdung der Patientensicherheit“ zu leichtfertig seitens der Arbeitgeber verwendet werde und fordert eine klarere Definition der Regelungen um Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaft. Konkret will der Marburger Bund, dass weitere Dienste nur im Notfall möglich sind. Außerdem soll der Bezugszeitraum von Kalenderhalbjahr auf Kalendermonat geändert werden. So soll die Möglichkeit zur Erholung für Ärztinnen und Ärzte in kommunalen Kliniken verbessert und die Arbeitsbelastung gesenkt werden. Während Bereitschaftsdienste arbeitsrechtlich als Arbeitszeit gelten, zählen Rufbereitschaften nach dem Arbeitsrecht zur Ruhezeit. Daher fordert der Marburger Bund auch während der Rufbereitschaft eine Kernruhezeit einzurichten, die zwischen 0 und 6 Uhr gilt.
Was sagt die VKA?
Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) äußerte sich in einer Pressemitteilung im Anschluss an das erste Treffen mit recht dramatischen Worten. Demnach seien die Forderungen des Marburger Bundes, die die VKA auf Mehrkosten in Höhe von 420 Millionen Euro beziffert, „völlig unangemessen und in der Praxis nicht umsetzbar“.
Die VKA führt die „problematische wirtschaftliche Situation der kommunalen Krankenhäuser“ teils darauf zurück, dass „Einnahmen coronabedingt massiv eingebrochen“ seien.
Bedeutender noch seien die geforderten „Einschränkungen bei Ruf- und Bereitschaftsdiensten, die erhebliche Belastungen in der Arbeitsorganisation der Kliniken mit sich bringen und die Lage der Häuser enorm verschärfen würden.“ Dabei gehe es „auch um die Existenz kleinerer Krankenhäuser und Abteilungen“ sowie die Sicherstellung der „Gesundheitsversorgung der Patientinnen und Patienten […] auf dem heutigen hohen Niveau“.
Aktueller Stand der Tarifrunde TV-Ärzte/VKA 2021
Aktuell pausieren die Verhandlungen. Erst am 16. November 2021 wollen sich beide Seiten wieder in Berlin an einen Tisch setzen. Bisher ist eine Einigung nicht erkennbar, denn sowohl die Ärztevertreter wie auch die Arbeitgeberverbändevereinigung beharren auf ihren Positionen. Der Verhandlungsführer des Marburger Bundes, Christian Twardy, meint, dass die Arbeitgeber noch nicht das nötige Problembewusstsein für eine Einigung hätten.
Wolfgang Heyl von der VKA entgegnet, dass der Marburger Bund mit seinen Forderungen die wirtschaftliche Lage der kommunalen Krankenhäuser nicht realistisch einschätzen würde und insbesondere „kleine Häuser in eine prekäre Lage“ geraten würden.
Eine sofortige Einigung hatte niemand erwartet. Im Jahr 2019 gelang erst in der fünften Verhandlungsrunde der Durchbruch. Deshalb hat man sicherheitshalber bis in den Dezember hinein Verhandlungstermine geblockt.