Vertrauen ist ein sehr wertvolles Gut. Das gilt in besonderer Weise für die Arzt-Patienten-Beziehung. Eine solide Vertrauensbasis ist Grundvoraussetzung für erfolgreiche Behandlung. In dieser Hinsicht müssen sich Ärzte offenbar kein Sorgen machen, wenn man einer von der EU-Kommission beauftragten Umfrage glaubt. Es gibt aber auch Bereiche, wo noch Verbesserungspotential besteht.
Das Eurobarometer ist eine regelmäßig durchgeführte Umfrage der EU-Kommission zur öffentlichen Meinung in den europäischen Ländern in verschiedenen Lebensbereichen und Politikfeldern. Unter anderem wird nach dem Vertrauen zu bestimmten Institutionen gefragt. Dabei findet auch eine Auswertung nach Ländern bzw. Bevölkerungen statt. Das Eurobarometer wird zweimal jährlich ermittelt.
Vertrauenswürdig – Spitzenplatz für das Gesundheitspersonal
In der aktuellen Umfrage stand der medizinische Bereich weit oben, wenn es um die „Vertrauensfrage“ ging. 88 Prozent der Bundesbürger vertrauten danach den Mitarbeitern im Gesundheitswesen – eine Aussage, die nicht nur Ärzte, sondern auch Pflegekräfte und anderes medizinisches Personal umfasst. In keinem anderen Bereich war die Vertrauensbasis so ausgeprägt. Die Polizei kam auf 80 Prozent, Behörden „vor Ort“ brachten es immerhin auf 73 Prozent. Am anderen Ende der Skala fanden sich das Internet und politische Parteien. Bei beiden überwog das Misstrauen. Bei der EU und ihren Institutionen hielten sich Ver- und Misstrauen in etwa die Waage.
In der Corona-Krise dürfte die Vertrauensbasis für Mediziner eher noch größer geworden sein. Darauf deutet eine im vergangenen Jahr nach dem Ausbruch der Pandemie durchgeführte Umfrage des Marktforschungsunternehmens Appinio hin. Sie erfolgte im Auftrag von Doctolib – einem E-Health Unternehmen. Danach vertrauten die Deutschen am meisten dem eigenen Hausarzt sowie anderen persönlich bekannten Ärzten und Apothekern bei Corona-Informationen. 48 Prozent der Befragten gaben dies an. Auf Platz 2 folgten Informationen von Behörden und öffentlichen Einrichtungen mit 38 Prozent. Wenig vertrauenswürdig wurden dagegen „Infos“ auf sozialen Plattformen eingestuft.
Vertrauen? Zweifel an der Videosprechstunde!
So erfreulich die Ergebnisse des Eurobarometers für Ärzte sein mögen, in einem Bereich sind die Patienten deutlich skeptischer: bei der Videosprechstunde. War die „Fernbehandlung“ via Bildschirm vor Corona bei uns noch die große Ausnahme, hat sie durch die bekannten Umstände der letzten Monate einen großen Schub erhalten. Aber das Zutrauen der Patienten in diese Art der Kommunikation ist noch nicht sehr hoch. Das zeigt eine Umfrage des Hamburger Marktforschungsinstituts Consumerfieldwork im Auftrag des Praxis-IKT-Dienstleisters Socialwave aus München.
Danach sind 77,5 Prozent der befragten Patienten der Meinung, ein Arzt könne sich bei Videosprechstunden kein umfassendes Krankheitsbild für die Diagnose verschaffen. 61,9 Prozent fürchten beim Video-Kontakt um die Arzt-Patienten-Beziehung, die Videosprechstunde wird als unpersönlicher empfunden. Immerhin 44,5 Prozent unterstellen, der Arzt nehme bei Video-Konsultation ihr Anliegen nicht so ernst wie beim „realen“ Arztbesuch. Befürchtungen bestehen auch bezüglich des Datenschutzes. 46,4 Prozent der Befragten hatten diesbezüglich Bedenken beim Video-Kontakt.
Hier ist also eine Vertrauensbasis offensichtlich erst noch zu erarbeiten. Vertrauen setzt für viele Patienten immer noch den „Auge-in-Auge“-Kontakt mit dem behandelnden Arzt voraus. Um die Digitalisierung im Gesundheitswesen wirksam voranzutreiben, müssen solche Vertrauenshürden erst einmal abgebaut werden.