Ob Einwegspritzen, Infusionsschläuche oder Schutzkleidung – das Gesundheitssystem strotzt vor Kunststoff. So ist es auch kein Wunder, dass Krankenhäuser zu den fünf Branchen zählen, in denen die meisten Abfälle anfallen. In Zeiten, wo Nachhaltigkeit, Recycling und Umweltschutz zunehmend an Bedeutung gewinnen, suchen viele Krankenhäuser nach Möglichkeiten, um das Thema Klimaschutz aktiv umzusetzen. Doch wie hoch ist das Abfallaufkommen des Gesundheitssystems eigentlich und wie kann dem entgegengewirkt werden?
Abfallaufkommen des deutschen Gesundheitssystems
Krankenhäuser sind laut der initiative PraktischPlastik der fünftgrößte Müllproduzent in Deutschland. Pro Patienten fallen durchschnittlich rund 400 Gramm Plastik pro Tag an. Das Statistische Bundesamt zählt aktuell 1.980 Krankenhäuser sowie rund 1.200 Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen. Hinzu kommen rund 75.000 Arztpraxen, 42.000 Zahnarztpraxen und 1.700 medizinische Laboratorien. Allein eine Klinik der Bundesrepublik produziert täglich sieben bis acht Tonnen Abfall. Auf alle Krankenhäuser hochgerechnet, fallen somit im Jahr rund 4,8 Millionen Tonnen Müll an. Die gemeinnützige Organisation Practice Greenhealth geht davon aus, dass rund 25 Prozent des anfallenden Abfalls in Krankenhäusern aus Plastik besteht.
Neben Plastik handelt es sich bei den Abfällen des Gesundheitssystems jedoch auch um andere Stoffe und Materialien wie Glasflaschen, Desinfektionsmittelbehälter, Kanülen, Medikamentenreste, Organe, Amalgamabfälle, sowie chemische Abfälle oder veraltete Medizingeräte. Rund 90 Prozent aller medizinischen Abfälle, die in den Entsorgungsanlagen in Deutschland landen, sind hausmüllähnliche Abfälle. An schätzungsweise 10.000 Tonnen Müll, müssen jedoch bei dessen Sammlung und Entsorgung aus infektionspräventiver Sicht besondere Anforderungen gestellt werden. Die Entsorgung geht demnach mit strengen Vorgaben einher.
Auswirkungen auf unsere Umwelt
Nicht nur die Zahlen sind alarmierend, sondern auch die Auswirkungen enormer (Plastik-)Müllproduktion auf unsere Umwelt. Denn inzwischen sollte wohl jeder die Bilder der Meeresschildkröten oder Seevögel kennen, die sich in Fischernetzen verheddert haben oder deren Mägen mit Plastikteilen gefüllt sind. Durch das Verfangen in Plastikmüll verenden jährlich bis zu 100.000 Meeressäuger und eine Million Meeresvögel. Vor allem die Aufnahme über die Nahrung wirkt sich so wieder auf uns Menschen aus. Kunststoff zerfällt in kleinere Teile, wird von Fischen und Muscheln aufgenommen und gelangt so letztendlich auf unsere Teller. Auch die Honigbiene, die in der Umwelt Mikroplastik aufsammelt und diesen in den Honig trägt, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Weiterhin verursacht der Müll eine Verschmutzung des Grundwassers, durch die Zersetzung des Abfalls.
Recycling: Wie das Gesundheitssystem seine Müllproduktion eindämmen kann
Im Restaurant den Strohhalm wegzulassen ist denkbar einfach. Deutlich schwieriger gestaltet es sich jedoch, auf Plastik im Gesundheitswesen zu reduzieren, denn Einwegplastik ist für viele Krankenhäuser die naheliegendste Option. Es ist günstig, haltbar und leicht zu entsorgen. Zudem kommt jeder Gegenstand aus frisch geöffneten Plastikbehältern aus einer sterilen Umgebung. Doch auch mit kleinen Veränderungen lässt sich die Müllproduktion deutlich senken wie das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden zeigt: Um den Abfall möglichst gering zu halten, bekommen die Patienten Marmelade in kompostierten bzw. essbaren Schälchen, den Quark in Glasschalen und die Butter portioniert.
Die ärztlichen und pflegerischen Mitarbeiter/innen und benutzen, wo immer es möglich ist, Mehrwegprodukte, wie wieder verwendbare Infusionsflaschenhalter und Mehrweginstrumente. Auch bei den Abwürfen wiederverwendbarer Berufsbekleidung lassen sich Ressourcen schonen. Das Uniklinikum nutzt dafür Mehrweggewebe statt Kunststoffsäcke. Durch den Einsatz von rund 100.000 dieser Säcke werden pro Jahr vier Tonnen weniger Kunststoff verbraucht. Bereits mit kleinen Veränderungen kann großes bewirkt werden. Wie wäre es also mit Nachfüllpackungen für Desinfektionsmittel? Oder einem Verzicht auf überflüssige Umverpackungen bereits verpackter Artikel wie Reinigungstücher? Gegebenenfalls kann mit Lieferanten und Herstellern Rücksprache gehalten werden.
Möglichkeiten des Recyclings
Der größte Anteil des Abfalls im Gesundheitswesen wird gemeinsam mit Siedlungsabfällen in thermischen Abfallbehandlungsanlagen verwertet. Die thermische Abfallbehandlung eine der tragenden Säulen der Abfallentsorgung in Deutschland. In der Regel wird die beim Verbrennen freigesetzte Energie genutzt und als elektrische Energie, Wärme oder Prozessdampf abgegeben. Dies ist jedoch nicht für alle Abfälle des Gesundheitssystems vorgesehen: Ein vergleichsweise geringer Anteil von fünf Prozent besteht aus gefährlichen, infektiösen Abfällen, die nach der Abfallverzeichnisverordnung (AVV) gesondert zu behandeln sind.
In der Regel müssen solch speziellen Abfälle in Sonderabfallverbrennungsanlagen oder in Anlagen zur chemisch-physikalischen Behandlung vernichtet werden. Eine umweltfreundliche Alternative bestünde beispielsweise jedoch darin, bisher nicht verwertbaren, infektiösen Abfall wieder dem Kreislauf zurückzuführen. Dieses vorgehen wird durch eine neue Art der Desinfektionsanlage möglich: aus hochinfektiösen Krankenhausabfällen wird durch ein neuartiges Vakuum-Dampf-Vakuum-Verfahren, verwertbares Material zur Dampf- und Stromerzeugung gewonnen. Die Desinfektionsanlage tötet dabei sämtliche Keime, Sporen, Viren und Bakterien ab. Die Desinfektion erfolgt vollautomatisch in einem geschlossenen System, so dass kein Personal in Kontakt mit den Abfällen gelangt. Anschließend wird das Material in der Verwertungsanlage zur Strom- und Dampferzeugung eingesetzt. So können 4.000 Haushalte jährlich mit Energie aus 5.400 Tonnen Krankenhausabfall versorgt werden.
Ein solches Verfahren ist jedoch nur bei wenigen Produkten möglich, da diese Aufbereitung sicherstellen muss, „dass von dem aufbereiteten Medizinprodukt bei der folgenden Anwendung keine Gefahr von Gesundheitsschäden, insbesondere im Sinne von – Infektionen, – pyrogenbedingten Reaktionen, – allergischen Reaktionen, – toxischen Reaktionen – oder aufgrund veränderter technisch-funktioneller Eigenschaften ausgeht“ – so das Robert-Koch-Institut. Auch das Röntgen bietet zahlreiche Möglichkeiten des Recyclings: Beispielsweise können aus Röntgen- oder Mammographiefilmen, mittels aufwändiger Recyclingprozesse, wertvolle Stoffe wie Silber oder Kunststoff zurückgewonnen werden. Auch aus alter Röntgenschutzkleidung kann mittels Recycling Blei zurückgewonnen und in den Wirtschaftskreislauf, beispielsweise zur Herstellung von Batterien, zurückgeführt werden.