
Das aktuelle Geschehen im Ukraine-Krieg hat gesundheitspolitische Themen in den Hintergrund treten lassen. Selbst die Corona-Pandemie beherrscht nicht mehr die Nachrichtenlage. Trotzdem steht das Gesundheitswesen nach wie vor auf der politischen Agenda. Die Ampelkoalition ist mal gerade gut 100 Tage im Amt. Für den Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. – SpiFa – noch keineswegs zu spät, um zu den Gesundheitsplänen der Koalition Stellung zu beziehen – mit einem entsprechenden Positionspapier.
Das Papier behandelt ein breites Spektrum an Gesundheitsfragen. Es geht keineswegs nur um Themen, die speziell oder unmittelbar Fachärztinnen und Fachärzte betreffen. So unterstützt der Verband die geplanten Maßnahmen zur Stärkung der Aus- und Weiterbildung in Gesundheit und Pflege. Bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen wird eine strenge Nutzenorientierung gefordert und auch zur Krankenhausplanung und -finanzierung äußert sich das Positionspapier. Die Gliederung des Positionspapiers orientiert sich an den entsprechenden gesundheitspolitischen Abschnitten im Koalitionsvertrag. Natürlich nehmen fachärztliche Belange und Interessen einen breiten Raum in dem Papier ein.
Sektoren-Abschottung überwinden – schon länger auf der Facharzt-Agenda
Ein besonderes fachärztliches Anliegen ist die Überwindung der starren Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Darum kümmert sich der Verband schon länger. Fachärztinnen und Fachärzte wollten ihre Patienten bestmöglich versorgen – das heißt unabhängig von Fragen des Leistungsrechts, des Leistungskataloges oder der Vergütung -, so der SpiFa. Der Verband hatte hierzu bereits Anfang 2021 ein Konzept unter der Überschrift „Struktur und Vergütung ärztlich intersektoraler Leistungen“ vorgelegt. Das Konzept war noch an die alte Bundesregierung adressiert, ist aber nach wie vor aktuell.
Das Thema „Grenzüberwindung“ ist außerdem Bestandteil des SpiFa-Grundsatzprogramms „Facharzt 2025“. In dem Zehn-Punkte-Programm heißt es u.a., der Verband wolle sich dafür einsetzen, dass Fachärztinnen und Fachärzte ihre Patienten Hand in Hand versorgen könnten. Praxis- und Krankenhaustätigkeiten sollten zusammenwachsen. Die ambulant-stationäre Sektorengrenze solle abgeschafft werden. Diese Forderungen werden in dem Positionspapier zum Koalitionsvertrag der Ampel erneut aufgegriffen.
Positionspapier: Sektorengleiche Vergütung und Schutz der Selbständigkeit als Ziel
Es sei im Interesse der Patienten, wenn sektorenverbindende Versorgungsstrukturen gestärkt würden. Der Koalitionsvertrag spricht sich für eine „Ambulantisierung“ in der Gesundheitsversorgung aus. Das bedeutet: Leistungen, die ambulant erbracht werden können, sollten auch tatsächlich ambulant erfolgen. Bisher findet die Versorgung noch häufig im Krankenhaus statt. Bei Liegedauern von nicht mehr als drei oder vier Tagen im Krankenhaus sei prinzipiell eine ambulante Versorgung möglich, so SpiFa-Vorstandsvorsitzender Dr. Dirk Heinrich. Als zentrales Instrument zur Überwindung der Sektoren-Abschottung sieht der Koalitionsvertrag eine sektorengleiche Vergütung für geeignete Leistungen durch sogenannte Hybrid-DRGs vor. Wie diese konkret ausgestaltet sein sollen, wird allerdings nicht näher ausgeführt.
Der SpiFa weist in diesem Zusammenhang auf seine Vorschläge in dem Struktur- und Vergütungskonzept hin. Es sei außerdem dringend nötig, Rechtssicherheit für Fachärztinnen und Fachärzte herzustellen, die sektorenübergreifend arbeiten wollten. Bislang sei diese Rechtssicherheit nicht gegeben. Wer in beiden Sektoren tätig sein wolle, müsse einen definierten Status erhalten. Dabei müsse der freiberufliche Charakter der fachärztlichen Tätigkeit geschützt werden. Es dürfe nicht im Ergebnis dazu kommen, dass Fachärztinnen und Fachärzte in abhängige Beschäftigung bei einem Krankenhaus gedrängt würden. Vielmehr müsse es umgekehrt das Ziel sein, Selbständigkeit auch im Krankenhaus-Rahmen möglich zu machen. Gerade bei jüngeren Fachärztinnen und Fachärzten bestehe ein hohes Interesse an einer sektorenübergreifenden Tätigkeit. Angesichts drohenden Fachärztemangels sei es umso wichtiger, die Sektoren-Abschottung zu überwinden.
SpiFa-Dachverband als fachärztliche Interessenvertretung
Insgesamt begrüßt das Positionspapier das Anliegen der Ampelkoalitionäre, innovative Versorgungsformen zu fördern. In der Vergangenheit seien Ansätze für eine gute fachärztliche Versorgung oft an bürokratischen Hürden gescheitert. Ebenfalls Zustimmung findet die Absicht der Koalition für eine sektorenübergreifende Versorgungsplanung. Im Hinblick auf die ambulante Versorgung werden alle Maßnahmen unterstützt, die diese stärken. Ziel müsse es sein, Patienten die freie Facharztwahl überall in Deutschland und mit zumutbarer zeitlicher Erreichbarkeit zu ermöglichen – unabhängig davon, ob die Versorgung in einer Facharztpraxis, in einem Medizinischen Versorgungszentrum oder einem Krankenhaus erfolge.
Der SpiFa versteht sich als Interessenvertretung der Fachärztinnen und Fachärzte in Deutschland. Er fungiert als Dachverband für mehr als 30 fachärztliche Verbände, die rund 160.000 deutsche Fachärztinnen und Fachärzte repräsentieren – unabhängig davon, ob sie in Facharztpraxen, Medizinischen Versorgungszentren, Krankenhäusern oder Uni-Kliniken tätig sind.