
Ein alter Streit im deutschen Gesundheitswesen flammt erneut auf: Nach Vorstellungen von CDU und CSU sollen Patienten künftig 200 Euro zahlen, wenn sie ohne hausärztliche Überweisung direkt einen Facharzt aufsuchen. Ziel der Union ist es, das geplante Primärarztsystem mit Nachdruck durchzusetzen und die Rolle des Hausarztes als zentrale Steuerungsinstanz zu stärken.
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Steuerung über den Geldbeutel
Der stellvertretende Unionsfraktionschef Albert Stegemann betont, nur eine spürbare Gebühr könne verhindern, dass das System umgangen werde: „Ohne Strafgebühren bei Verstößen gibt es keine Lenkungswirkung.“
Noch schärfer argumentiert der CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger, der fordert, dass Patienten im Extremfall die Behandlungskosten vollständig selbst tragen sollen. Der Grundgedanke: Fachärzte sollen Kapazitäten für komplexe Fälle freihalten und nicht mit Bagatellsymptomen belastet werden.
Potenzielle Entlastung für Fachärzte
Tatsächlich könnte eine solche Regelung die Zahl unnötiger Facharztkontakte reduzieren. Viele Beschwerden lassen sich zunächst hausärztlich abklären oder behandeln. Fachärzte hätten dadurch mehr Zeit für Patienten, die tatsächlich eine spezialisierte Versorgung benötigen.
Für Hausärzte würde sich damit ihre Rolle als erste Anlaufstelle im Gesundheitswesen weiter festigen. Sie bekämen mehr Steuerungskompetenz und stärkere Verantwortung in der Versorgungskoordination.
Offene Fragen und Risiken
Gleichzeitig wirft das Modell viele Fragen auf:
- Bürokratie: Wer kontrolliert, ob ein Facharztbesuch „rechtmäßig“ erfolgte?
- Chronisch Kranke: Müssen sie jedes Mal zum Hausarzt, auch wenn klar ist, dass eine regelmäßige Facharztbehandlung nötig ist?
- Notfälle: Welche Ausnahmeregelungen greifen in akuten Situationen?
Die Rückkehr zur Idee einer finanziellen Hürde erinnert viele Ärzte an die frühere Praxisgebühr, die mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden war und kaum messbare Steuerungseffekte hatte.
Sozialpolitische Dimension
Die geplante Gebühr trifft auf Kritik, auch innerhalb der Union. Gegner warnen, dass vor allem chronisch Kranke und finanziell schwächere Patienten unter der Regelung leiden könnten. Sie fürchten, dass notwendige Arztbesuche aus Kostengründen hinausgezögert oder ganz vermieden werden. Auch der bürokratische Aufwand könnte den Nutzen schmälern. Schon die Praxisgebühr hatte gezeigt, wie schwierig es ist, ein solches Instrument effizient umzusetzen.
Blick nach vorn
Noch ist offen, ob die 200-Euro-Regelung in einen konkreten Gesetzesentwurf münden wird. Klar ist aber: Die Diskussion berührt zentrale Fragen der Versorgung in Deutschland. Soll der Hausarzt konsequent die Steuerungsfunktion übernehmen? Wie lässt sich Über- und Fehlversorgung vermeiden, ohne Patienten von notwendiger Behandlung abzuschrecken?
Für Ärzte bedeutet die Debatte zweierlei: Sie könnten einerseits von einer spürbaren Entlastung profitieren, andererseits droht neuer Ärger an der Schnittstelle zwischen Patienten, Bürokratie und politischem Anspruch.













