In der ambulanten Patientenversorgung geht der Trend zum Angestelltenverhältnis. Das ...

Der Fachkräftemangel spitzt sich vor allem im Gesundheitswesen immer schärfer zu und lässt damit den Bewerberpool immer weiter schrumpfen. Fundiert ausgebildete und zuverlässige Mitarbeiter/innen waren bereits vor Corona schwer zu finden, doch seit sich durch die Pandemie der Druck auf die Angestellten immer weiter erhöht, bleiben immer mehr Stellen unbesetzt. Da kaum noch neues qualifiziertes Personal zu bekommen ist, fragen sich daher viele Arbeitgeber/innen im Gesundheitswesen, wie sie eventuell frühere Mitarbeiter/innen zurückgewinnen können, anstatt neue einzustellen. Dieses Verfahren nennt man auch „Re-Hiring“.
Das mag auf den ersten Blick widersinnig erscheinen, denn schließlich gab es ja einen Grund, warum der/die ehemalige Mitarbeiter/in entweder gekündigt wurde oder gekündigt hat. Dieser Einwand sollte durchaus nicht unterschlagen werden und wird im folgenden Beitrag behandelt. Aber grundsätzlich ist an der Wiedereinstellung ehemaliger Mitarbeiter/innen nichts falsch: Schließlich wissen beide Seiten, worauf man sich einlässt, und eventuell kann ein zweiter Versuch mit diesem Wissen auch deutlich besser funktionieren.
Wie Arbeitgeber/innen im Gesundheitswesen frühere Mitarbeiter/innen zurückgewinnen können, welche Fallstricke es dabei zu beachten gibt und auch, wann man von einer Wiedereinstellung doch lieber absehen sollte, haben wir hier zusammengefasst.
Fachpersonal ist heißbegehrt
Besonders prekär ist der Personalmangel derzeit in Arztpraxen: 45 Prozent der MFA kündigten dort laut einer Studie zum Thema auf eigenen Wunsch. Das geht sogar so weit, dass die Agentur für Arbeit die MFA inzwischen offiziell auf die Liste der sogenannten Engpassberufe gesetzt hat. Inzwischen fürchten zwei Drittel der Vertragsarztpraxen, dass sie in den kommenden Jahren substanzielle Probleme bei der Suche nach geeignetem Personal haben werden. Das liegt vor allem daran, dass der Öffentliche Gesundheitsdienst durch bessere Arbeitsbedingungen eine große Konkurrenz darstellt.
Doch auch im Krankenhaussektor sollten sich Personaler/innen ähnlich wie Arztpraxen allmählich Gedanken machen, woher sie noch Personal zur Neueinstellung gewinnen wollen, wenn andere Arbeitgeber oft sehr viel attraktivere Angebote machen können. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, kann es bald ernsthafte Folgen für die ambulante Versorgung haben und es wird in der Folge daraus auch immer schwerer für Krankenhäuser werden, weiterhin im Rennen um gut ausgebildete, nichtärztliche Fachkräfte bestehen können. Arbeitgeber/innen im Gesundheitswesen sollten sich aus diesem Grund darüber bewusst sein, dass sie als Thunfisch in einem Haifischbecken unterwegs sind – und dass die besten Makrelen schnell weg sind.
Abwerber lauern überall
Das Bild vom nach Personal jagenden Thunfisch im Haifischbecken ist insofern absichtlich gewählt, weil tatsächlich überall Jäger lauern: Beauftragte Abwerber oder professionelle Headhunter sind ständig auf der Suche nach Fachpersonal für große Krankenhäuser, Unikliniken und renommierte Forschungseinrichtungen und haben attraktive Angebote, mit denen sie gezielt auf die Jagd gehen. Vor allem im Gesundheitswesen ist das Abwerben von medizinischem Fachpersonal aus dem Mangel heraus fast schon ein fester Bestandteil der Personalgewinnung geworden. Es ist daher nicht nur sehr wahrscheinlich, sondern manchmal auch unumgänglich, dass man gute Mitarbeiter/innen an die Konkurrenz verliert.
Diese müssen jedoch nicht für immer weg sein. Vielen gefällt entweder das neue Krankenhaus oder die Station nicht, das neue Team ist unfreundlich, der Chefarzt entpuppt sich als Despot oder versprochene Zuschläge werden doch nicht gewährt. Egal woran es liegt, manchmal stellt sich eben heraus, dass das Gras auf der anderen Seite doch nicht grüner ist – und genau an dieser Stelle sollten Personaler/innen nicht nachtragend sein, sondern bereitwillig die Tür für einen Wiedereintritt öffnen.
Stellenwechsel sind risikoreich
Stellenwechsel sind individuell kalkuliert, d.h. der/die Abwerber/in hat etwas geboten, das bei der alten Stelle fehlte und das der/die ehemalige Mitarbeiter/in wollte. Ob er/sie das aber auch bekommt, ist vor allem im schwer kalkulierbaren Krankenhaussektor nicht immer garantiert. Wer wechselt, geht immer ein Risiko für einen erhofften Gewinn ein, und das kann eben auch schiefgehen. Ob z.B. die beim Abwerben garantierten Nachmittagsschichten immer machbar sind, die Chefärztin wirklich so kompetent und die neuen Mitarbeiter/innen wirklich so freundlich sind wie versprochen, zeigt sich meist erst nach einigen Wochen.
Daher lohnt es sich, leistungsstarken Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen die Möglichkeit zu eröffnen, gesichtswahrend zurückzukommen, wenn der neue Job doch nicht den Erwartungen entspricht. Dieses Vorgehen bezeichnen Personaler/innen als „Re-Hiring“ oder „Boomerang-Hiring“ und sehen darin viele Vorteile, wenngleich es auch etwas kompliziert ist. Der menschliche Faktor mit allen zwischenmenschlichen Eitelkeiten oder Verletzungen sollte dabei einberechnet werden.
Emotionalen Ballast abwerfen
Personaler/innen sind auch nur Menschen, und wenn ein/e ehemalige/r Mitarbeiter/in im übertragenen Sinne die hinterlassenen Brücken nicht nur abgebrochen, sondern mitsamt Fundament gesprengt hat, kann eine Wiedereinstellung Kraft und Überwindung kosten. Wer aber die charakterliche Größe hat, über persönliche Verletzungen hinwegzugehen, kann mehrfach profitieren.
Man kennt bereits die Stärken und Schwächen des/der Zurückkehrenden und genauso wissen die Kollegen/Kolleginnen bereits im Voraus, wer wieder zurück ins Boot steigt. Die üblichen Unsicherheiten bei Neueinstellungen entfallen also genauso wie die ansonsten normale Einarbeitungszeit. Nicht zu vernachlässigen ist auch die Außenwirkung für andere Mitarbeiter/innen, denn wenn „Abtrünnige“ wieder zurückkommen, muss das eigene Krankenhaus durchaus konkurrenzfähig sein. Und im Idealfall hat der/die Rückkehrer/in bei seiner/ihrer kurzen Exkursion sogar wertvolle Erfahrungen gesammelt und neue Perspektiven gewonnen, die er/sie nun als frische Ideen ins Team einbringen kann.
Fehler nicht wiederholen
„Re-Hiring“ oder „Boomerang-Hiring“ hat viele Vorzüge, jedoch auch einige Nachteile. Das augenscheinlichste Problem ist, dass der/die Rückkehrer/in aus einem ganz bestimmten Grund gegangen ist, der eventuell noch immer latent vorhanden ist und auch künftig wieder dieselbe Unzufriedenheit auslösen kann. Wer rundum zufrieden ist, kündigt schließlich nicht. Es kann also sein, dass man seine/n Rückkehrer/in ein zweites Mal verliert, wenn man die Gründe für den Weggang nicht anspricht und beseitigt.
Wenn z.B. der Krankenpfleger gegangen ist, weil er sich immer mit der Stationsleitung gestritten hat, macht eine Wiedereinstellung entweder nur auf einer anderen Station Sinn oder nachdem die Stationsleitung gewechselt hat. In solchen oder ähnlichen Fällen mit persönlichen oder zwischenmenschlichen Komponenten sollten Personaler/innen unbedingt mit den ehemaligen Kollegen/Kolleginnen sprechen, ob eine Wiedereinstellung aus deren Sicht Sinn macht. Auch wenn z.B. bestimmte Arbeitsvorschriften oder -anweisungen zur Kündigung geführt haben, diese aber nach wie vor unverändert so vorgeschrieben sind, ist es eher unwahrscheinlich, dass ein zweiter Anlauf unter denselben Bedingungen funktioniert.
Noch besser als „Re-Hiring“ oder „Boomerang-Hiring“
Besser als Wiedereinstellung ist natürlich, das bestehende Team von vornherein zusammenzuhalten, ungewollte Abgänge zu vermeiden und Modelle wie das „Re-Hiring“ oder „Boomerang-Hiring“ damit überflüssig zu machen. Das wichtigste Tool hierzu ist die Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen sowohl intern als auch nach außen hin.
Corona-Boni sind zwar schön und gut, ersetzen aber nicht das persönliche Feedback, z.B. in Form von Mitarbeiterfesten, persönlich ausgesprochenem Lob oder vielleicht sogar der Einführung des amerikanischen „Mitarbeiter/in des Monats“-Modells. Wer z.B. auf dem Schwarzen Brett der Station seinen Namen mit der Bemerkung: „Frau XY hat in diesem Monat fünf Zusatz-Schichten in Krankheitsvertretung übernommen und uns damit außerordentlich entlastet. Die Personalleitung sowie ihre Kollegen/Kolleginnen sind ihr dafür ganz besonders dankbar.“ liest, fühlt sich und seine Arbeit wertgeschätzt und kündigt eher nicht.
Die Vorteile von „Re-Hiring“ oder „Boomerang-Hiring“
Die Vorteile von „Re-Hiring“ oder „Boomerang-Hiring“ sind offensichtlich: Arbeitgeber/innen sowie alte Kollegen/Kolleginnen kennen bereits alle Stärken und Schwächen der Person, die sie wieder einstellen. Damit entfällt auch die langwierige Einarbeitung zugunsten einer vergleichsweise kurzen Wiedereinarbeitung. Außerdem sparen Rückkehrer/innen den Arbeitgeber/innen im Gesundheitswesen viel Geld, das andernfalls für mehrstufige Recruiting- und Auswahlprozesse sowie für das sog. Onboarding (Einarbeiten, Erstellen von elektronischen Zugängen, Mitarbeiter-Chipkarten, Verträgen etc.) aufgewendet werden müsste.
Nicht zuletzt können Rückkehrer/innen auch eine Sogwirkung nach außen entwickeln und eventuell Kollegen/Kolleginnen von ihrem zwischenzeitlichen Arbeitgeber „mitbringen“. Wenn sich nämlich herumspricht, dass eine bestimmte Klinik so gut ist, dass Ehemalige sogar zurückkehren, ist das für extern arbeitendes Fachpersonal verlockender als jeder Anruf eines Headhunters.
Mögliche Risiken der Wiedereinstellung
Natürlich ist eine Wiedereinstellung nicht unproblematisch. Man hat sich schließlich aus einem gewissen Grund voneinander getrennt – entweder in gegenseitigem Einvernehmen oder einseitig – und man sollte zuvor mit kühlem Kopf überprüfen, ob dieser Grund noch da ist. Es besteht immer die Gefahr, dass jemand, der das Krankenhaus aus einem bestimmten Grund verlassen hat, nach der Wiedereinstellung erneut kündigt oder gekündigt wird. Wenn die Person z.B. in fachlicher Hinsicht für den Job nur bedingt geeignet ist oder persönlich nicht so richtig zur Krankenhausbelegschaft passt, bleibt der damalige Kündigungsgrund ein ewiger Stolperstein.
Hat die Krankenschwester gekündigt, weil sie immer mit dem Chefarzt aneinandergeriet, und dieser ist immer noch da? Wurde der Pfleger entlassen, weil er das neue Computerprogramm trotz Schulungen nicht beherrschte und es ist noch immer in Anwendung? Hat man gemeinsam mit dem Herzchirurgen beschlossen, dass in seinem speziellen Fachbereich zu wenig Patienten/Patientinnen da sind und diese auch weiterhin lieber in die Coronar-Fachklinik in der benachbarten Großstadt-Klinik gehen? In solchen und ähnlichen Situationen ist die Wiedereinstellung vielleicht keine gute Idee, weil sie inhärent ein zu hohes und sehr wahrscheinliches Wiederholungspotenzial mit sich bringt.
Aber auch andere Faktoren können das „Re-Hiring“ zum Flop werden lassen: Alte Zwistigkeiten mit dem Stationsteam, den Chefärzten/-ärztinnen oder den Vorgesetzten können wiederkommen und allgemeine Unruhe für alle mitbringen. Vielleicht sind die zurückgelassenen Mitarbeiter/innen auch persönlich enttäuscht, weil der/die ehemalige Kollege/Kollegin sie auf dem Höhepunkt des Corona-Stresses hat hängenlassen und in eine „gemütliche“ Privatklinik abgewandert ist. Wenn alte Unstimmigkeiten noch immer unterschwellig da sind, können diese jederzeit wieder aufbrechen und allen Probleme bereiten. Und nicht zuletzt kann der/die Rückkehrer/in auch dadurch störend auffallen, dass er/sie vielleicht neue Impulse des zwischenzeitlichen Arbeitgebers einbringen möchte und damit bei den aktuellen Kollegen/Kolleginnen oder Vorgesetzten aneckt.
Faktoren für ein erfolgreiches „Re-Hiring“
Arbeitgeber/innen im Gesundheitswesen sollten bereits während des Austritts des/-r Mitarbeiters/Mitarbeiterin eventuelle Weichen für ein späteres Wiedersehen stellen. So geht man nicht nur elegant mit einer unangenehmen Trennung um, sondern hält auch spätere mögliche Risiken beim „Re-Hiring“ gering, indem man souverän die Tür zum Wiedereintritt offenhält.
Dies gelingt am besten mit diesen drei Tools:
Offboarding
Beim professionellen Offboarding-Prozess werden nicht nur Arbeitsmaterialien wie z.B. Arbeitskleidung zurückgegeben und die Zugangsdaten auf den Krankenhaus-PCs gelöscht. Es finden zusätzlich Gespräche mit der Personalabteilung und den Arbeitgeber/innen im Gesundheitswesen statt, in denen die Gründe für den Austritt sowie mögliche Verbesserungsmaßnahmen offen und vorwurfsfrei besprochen werden. Wer die Trennung ohne gegenseitige Vorwürfe souverän sicherstellt, zeigt nicht nur Professionalität und hinterlässt einen guten letzten Eindruck, sondern hält sich auch ein späteres Hintertürchen zur Wiedereinstellung offen. Abgesehen davon sollte man generell bis zuletzt professionell bleiben und keinen schlechten letzten Eindruck hinterlassen.
Alumni-Programme
Nicht nur an Universitäten gibt es Alumni-Programme, sondern auch in vor allem wirtschaftlich orientierten Firmen. Diese halten ihre ausgeschiedenen Mitarbeiter/innen z.B. mit Rundmails oder gedruckten Jahresbroschüren weiterhin über aktuelle und geplante Änderungen auf dem Laufenden. So bleibt man stets im Hinterkopf und erregt eventuell sogar Interesse, wenn man z.B. einen neuen Krankenhausflügel plant, sich breiter spezialisiert aufstellt oder eine neue Station einrichtet. Erfahrungen aus der Wirtschaft zeigen, dass gut in ihr früheres Unternehmen eingebundene Ehemalige eher zu einer Rückkehr neigen, wenn sie mit solchen Alumni-Programmen immer up-to-date bleiben.
Talent-Pools
Talent-Pools sind eigentlich dazu gedacht, um interessante Bewerbungen von Kandidaten/Kandidatinnen gesammelt aufzunehmen, die für eine ausgeschriebene Stelle nicht genommen werden konnten, aber generell gut zum Betrieb passen würden; nur vielleicht in einer anderen Rolle. Ebenso sollten Arbeitgeber/innen im Gesundheitswesen ehemalige Beschäftigte, die sich im gegenseitigen Einvernehmen vom Krankenhaus getrennt haben, in einen solchen Pool aufnehmen. So kann man z.B. den abgängigen Herzchirurgen gezielt mit Informationen zu neuen Vakanzen und Stellenausschreibungen versorgen und ggf. mit der neu geplanten Herzchirurgie-Station locken. Oder wenn die schwierige Stationsleitung in Rente geht, wegen welcher der Krankenpfleger gekündigt hat, kehrt dieser vielleicht liebend gerne wieder zurück.
Fehler beim Recruiting vermeiden
Die oben genannten Fehler beim „Re-Hiring“ kann man außerdem vermeiden, wenn potenzielle Rückkehrer/innen vor ihrer Wiedereinstellung zunächst den gesamten Recruiting-Prozess des Unternehmens nochmal durchlaufen. Das bedeutet konkret, dass sie wie alle anderen Bewerber/innen für die entsprechende Vakanz behandelt werden und an den regulären Auswahlrunden teilnehmen. Dies stellt sicher, dass der/die Rückkehrer/in nicht mit den falschen Erwartungen zurückkommt, wie bei einem unterbrochenen Pokerspiel einfach dieselben Karten wieder aufzunehmen, sondern dass er/sie ein gänzlich neues Blatt erhält. Und wer restlos sichergehen will, dass das „Re-Hiring“ gelingt, sollte sich zusätzlich mit den ehemaligen Führungskräften und Teamkollegen/-kolleginnen austauschen, ob nicht vielleicht doch noch irgendwelche Leichen in versteckten Kellern liegen.