
Als Mediziner Social Distancing bereits in der Ausbildung verstehen
Für viele Mediziner sind die Folgen des Corona-Virus nicht nur medizinisch schwierig zu fassen. Unabhängig von der Diagnose alter und neuer Patienten mit dem Virus oder einer anderen Erkrankungen dürften viele Patienten unter den psychologischen Folgen leiden. Hier heißt es, bereits als Hausarzt Verständnis zu zeigen und den Alltag des Patienten positiv zu beeinflussen. Langfristig dürfte dieser Faktor auch bei der Ausbildung aller medizinischer Berufe eine Rolle spielen.
Auswirkungen auf alle medizinischen Berufe
Psychische Auswirkungen von Krankheiten werden als Teil des Medizinstudiums nicht oder nur wenig behandelt. Sofern nicht eine psychologische Studienrichtung eingeschlagen wurde, liegt der Schwerpunkt fast ausschließlich auf der physischen Symptomatik und ihrer korrekten Behandlung. Dies könnte sich durch Corona ändern. Wie kaum eine andere Erkrankung der letzten Jahrzehnte hat der Virus das gesellschaftliche Leben mit Folgen beeinflusst, die Ärzte aller Fachrichtungen erkennen und ernstnehmen sollten.
Zunächst gilt es, frühzeitig Indikatoren für eine depressive Phase bei Patienten zu erkennen. Selbst wenn dieser mit anderen Beschwerden in der Praxis erscheint, lässt sich viel über die Gesamtsituation des Patienten erfahren. Gestaltet dieser seine Freizeit über Wochen und Monate zu Hause und findet wenig Antrieb, aktiv auf Leben teilzunehmen, können dies erste Warnsignale für die Folgen von Corona sein. Viele Patienten werden offen über das Thema ins Gespräch kommen wollen, wenn eine aktive Hilfe in Aussicht steht.
Wachsendes Hygienebewusstsein zu erwarten
Unabhängig von den psychischen Folgen dürfte sich im Umfeld von Medizin und Pflege ein neues Hygienebewusstsein durchsetzen. Schon jetzt gab es in jedem Krankenhaus und jeder Klinik Fachpersonal, die für die hygienischen Bedingungen inklusive Einweisung der Belegschaft verantwortlich waren. Wie konkret dies im Alltag umgesetzt wurde, kann in vielen Fällen nur erahnt werden.
Durch den Corona-Virus mit all seinen Folgen rückt das Thema weiter in den Vordergrund. Nicht zuletzt Patienten und ihre Angehörigen werden verstärkt darauf achten, wie das Personal mit der eigenen Person umgeht und ob alle Maßnahmen verantwortungsbewusst eingehalten werden. Sobald der berufliche Weg in die medizinische Einrichtung eingeschlagen wird, ist das entsprechende Bewusstsein unbedingt auszubilden. Und dies beginnt bereits als Privatperson in der eigenen Freizeit.
Die psychologische Komponente verstehen
Unser Alltag ist nicht mehr derselbe wie noch vor einigen Monaten. Für viele Menschen ist Social Distancing ein Schlagwort, das sie von sich weisen und wie immer „bei den anderen” Probleme vermuten. Unabhängig von der Selbstwahrnehmung hat es immer Folgen, wenn neue Situationen auf einen Menschen zukommen und dieser seine gewohnte Lebensweise anpassen muss.
Im Falle von Corona und der hiermit verbundenen Isolation sind die Auswirkungen oft stärker als angenommen. Mediziner sollten Angst und Einsamkeit ernstnehmen, die von ihren Patienten geschildert wird. Verschiedene Gewohnheiten, die es so vor einigen Monaten noch nicht gab, könnten Indikatoren für größere Probleme sein. Zu den wichtigsten Anzeichen gehören:
- gesteigerte Kompensation durch Essen
- gesteigerter Alkoholkonsum
- steigende Angst vor dem Jobverlust
- wachsendes Desinteresse an sozialen Kontakten
- steigender Anteil an häuslicher Gewalt
Natürlich muss nicht jeder Mensch unter den Folgen sozialer Isolation leiden. Es wird Menschen geben, die über die letzten Monate zur Ruhe und Entspannung in den eigenen vier Wänden gefunden haben. Hier zeigt sich schnell im offenen und gelassenen Verhalten des Betroffenen, dass dieser mit sich und der Welt im Reinen ist. Das Gegenteil wird jedoch häufiger der Fall sein und von den meisten Betroffenen verkannt.
Als Mediziner selbst Klarheit gewinnen
Ein Problem im Umgang mit der sozialen Isolation ist, dass viele Mediziner selbst unter den Folgen der Corona-Krise leiden. Viele sind in ihrem Berufsalltag häufiger im Dienst und müssen mit wachsendem Stress kämpfen. Zu Hause bleibt selten Zeit für Entspannung, viele Aktivitäten zum Ausgleich in der Freizeit lassen sich nicht wie gewohnt ausführen.
Bevor selbst zu stark unter Druck und Stress gelitten wird, ist ein kritisches Hinterfragen der eigenen Gewohnheiten notwendig. Stressige Phasen kennen Angehörige aller medizinischen Berufe zu Genüge. Falls jedoch in Corona-Zeiten überhaupt kein Spielraum mehr für eine kreative Freizeitgestaltung bleibt, sollte dies erkannt und die richtigen Schlüsse gezogen werden.
Auswirkungen bei jüngeren Patienten erkennen
Die meisten Mediziner haben beruflich mit Erwachsenen zu tun. Diese sind bei der emotionalen Regulation oft souveräner als Kinder und Jugendliche. Gerade in der Pubertät ist der psychische Druck vieler Jugendlicher groß, was durch die Krisensituation noch verstärkt werden dürfte.
Dass Einsamkeit gerade bei Jugendlichen den Weg in die Depression ebnen kann, dürfte Medizinern unabhängig von ihrer Fachrichtung klar sein. Werden junge Patienten nicht selbst behandelt, können Eltern als eigene Patienten hierfür sensibilisiert werden. Dies muss nicht zwingend in einem Behandlungsgespräch erfolgen, Informationen über die praxiseigene Webseite sind ein möglicher Weg.
Folgen für die zukünftige Berufsausbildung
Die Corona-Krise hat alle unerwartet getroffen, Mediziner genauso wie den einfachen Bürger. Es ist davon auszugehen, dass politisch und medizinisch Maßnahmen eingeleitet werden, mit denen vergleichbare Situationen in der Zukunft einfacher gemeistert werden. Aktuell bleibt noch abzuwarten, wie dies in die berufliche Ausbildung einfließt, genauso wie die hygienische und psychologische Ausstattung der Krankenhäuser Deutschlands.