
Im Umgang mit Patienten/-innen und deren Angehörigen können sich immer wieder schwierige und herausfordernde Situationen ergeben. Die Kommunikation mit Angehörigen kann besonders dann herausfordernd sein, wenn sie emotional aufgeladen ist. Für Ärzte/-innen ist es wichtig, die richtigen Worte zu wählen und Verständnis für die Bedürfnisse der Angehörigen zu zeigen, ohne dabei medizinische Fakten zu vernachlässigen. Eine Fehlkommunikation kann zu Missverständnissen führen und in der gegebenen Situation für großen Unmut sorgen. Ein gelerntes, professionelles Kommunikationsverhalten ist für Ärzte/-innen und ihren Berufsalltag unabdingbar, um mit schwierigen Situationen angemessen umzugehen.
Schwierigkeiten im Umgang mit Angehörigen
Hier sind einige Herausforderungen, die sich im Umgang und der Kommunikation zwischen Angehörigen und dem/der behandelnden Arzt/Ärztin ergeben können:
Im Klinik- und Praxisalltag ist die Kommunikation mit Angehörigen in verschiedenen Situationen erforderlich. Vor allem dann, wenn der/die Patient/in nicht dazu in der Lage ist, für sich selbst zu sprechen, kommt es unvermeidlich zu der Interaktion zwischen Angehörigen und medizinischem Personal. Die Herausforderung des/der Arztes/Ärztin wächst dabei mit den Bedrohungen, denen der/die Patient/in ausgesetzt ist.
Auch in der Kommunikation mit den Eltern eines kranken Kindes kann es oft zu Spannungen kommen. Viele Eltern sind in Situationen, in denen ihr Kind erkrankt ist, sehr angespannt, sodass es sehr viel Feingefühl und Empathie von Seiten des/der Arztes/Ärztin erfordert, einen angemessenen Umgang mit den Eltern des Kindes zu finden.
Natürlich gibt es immer wieder auch „schwierige Angehörige“, die einfach alles besser wissen wollen als der/die Arzt/Ärztin. Darüber hinaus haben Angehörige oft Erwartungen an den/die Arzt/Ärztin, was die Behandlung ihres geliebten Menschen angeht. Es kann oft schwierig sein, diesen Erwartungen zu entsprechen, insbesondere wenn diese unrealistisch oder unangemessen sind. In Konfliktsituationen zwischen medizinischem Personal und den Angehörigen ist es besonders wichtig, den Patienten in den Vordergrund zu stellen und eine gemeinsame Lösung zu finden.
Tipps für den erfolgreichen Umgang mit Angehörigen
Die Erkrankung eines geliebten Menschen kann zu heftigen Emotionen bei den Angehörigen des/der Betroffenen führen. Für das medizinische Personal, darunter für Ärzte/-innen, bedeutet dies eine große zusätzliche Belastung. Oft besteht in gerade solchen Situationen das Problem das der Arzt/die Ärztin nicht genügend Zeit hat, um auf alle Fragen und Emotionen der Angehörigen einzugehen. Wenn keine Zeit bleibt, um sich mit den Angehörigen auseinanderzusetzten, sollte man dies genau kommunizieren und ein Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt anbieten. Sofern man die Möglichkeit hat, sich für ein oder zwei Minuten den wichtigsten Fragen der Angehörigen zu widmen, sollte man dies unbedingt tun.
Hier einige konkrete Tipps, für die Kommunikation mit Angehörigen in schwierigen Situationen:
1. Wahl der richtigen Gesprächsumgebung
Sowohl gute als auch schlechte Nachrichten sollten an einem ruhigen Ort, nicht auf den Fluren des Krankenhauses, überbracht werden.
2. Präzise und verständlich sprechen
Die Informationen sollten in kurzen Sätzen und einer verständlichen Sprache übermittelt werden, gerade dann, wenn die Situation für die Angehörigen so angespannt ist, dass diese gar nicht mehr in der Lage sind, komplexe Zusammenhänge und medizinische Termini zu verstehen. Statt „positiver Befund“ und „negativer Befund“ könnte man die Begriffe „auffälliger Befund“ und „unauffälliger Befund“ verwenden, da dies für Laien besser verständlich ist.
3. Ärzte/-innen sollten sich gut auf schwierige Gespräche vorbereiten
Das Schlimmste, was in so einem Gespräch passieren kann ist, dass man als Arzt/Ärztin falsche Hoffnungen bei den Angehörigen schürt. Man sollte tunlichst darauf achten, dies zu umgehen. Stattdessen sollten Ärzte/-innen stets bemüht sein, den Zustand wahrheitsgemäß zu vermitteln. Eine Möglichkeit, den Angehörigen seelisch unter die Arme zu greifen ist, ihnen klarzumachen, dass ihre geliebte Person, keine Schmerzen hat und sich gut um sie/ihn gekümmert wird. Zudem sollte man während des Gespräches Pausen einbauen, um den Angehörigen die Zeit zu geben, die Informationen erstmals zu verstehen und ihren Gefühlen Raum schaffen.
4. Ein gesundes Maß an Empathie
Es ist wichtig, den Angehörigen verständnisvoll und empathisch zu begegnen. Es ist auch von Relevanz, ihnen zuzuhören und gegebenenfalls ihre Vorschläge mit in die Bewertung einfließen zu lassen oder zu entkräften und zu erklären, warum der von den Ärzten/-innen angestrebte Weg, der richtige ist. Allerdings sollte man auch darauf achten, gesunde Grenzen zu ziehen. Es ist wichtig, eine professionelle Distanz zu wahren und Grenzen zwischen Arzt/Ärztin und Angehörigen zu setzen. Manchmal können Angehörige versuchen, eine persönliche Beziehung zu dem Arzt oder der Ärztin aufzubauen, was dazu führen kann, dass sie übermäßig involviert werden oder unangemessene Erwartungen haben. Die Angehörigen sollten den Arzt/die Ärztin nicht mit einem/-r Psychologen/-in verwechseln. Zudem sollte der Arzt/die Ärztin weiterhin als Autoritätsperson wahrgenommen werden.
Als Arzt/Ärztin muss man sich keine ausfallenden Bemerkungen gefallen lassen und sollte immer auf solche Situationen vorbereitet sein und wissen, wie man in diesen reagiert. Hierzu gibt es eine Menge psychologische Tipps, wie man durch Körpersprache, Mimik und Gestik und die richtige Wortwahl, seine Autorität zurückgewinnt. Grundsätzlich gibt es einige hilfreiche Ansätze und Modelle wie das Vier-Ohren-Modell nach Schulz von Thun oder das Axiome nach Watzlawick, die dabei helfen, die Kommunikation mit den Mitmenschen besser zu verstehen und steuern zu können. Weitere Kommunikationsmodelle zum Einsatz bei Angehörigen und Patienten/innen sind die Transaktionsanalyse, das Eisbergmodell von Sigmund Freud, das Sender-Empfänger-Modell sowie das Organon-Modell.
5. Konkrete Handlungsvorschläge vermitteln das Gefühl von Sicherheit
Ein Zustand der Ungewissheit und des nicht Verfolgens eines konkreten Handlungsplans macht es den Angehörigen oft viel schwieriger mit der eh schon angespannten Situation umzugehen. Wenn die Angehörigen das Gefühl haben, dass der behandelnde Arzt/die behandelnde Ärztin einen genauen Plan haben, wie in der konkreten Situation verfahren werden muss, fällt es ihnen oftmals viel leichter, mit der Situation umzugehen. Das Gefühl von Sicherheit vermittelt auch, wenn die Angehörigen immer mit ein und derselben Person kommunizieren und nicht das Gefühl haben, keinen persönlichen Ansprechpartner zu haben.
6. Angehörige wollen sich ernstgenommen fühlen
Das schlimmste Gefühl, das einem/einer Angehörigen vermittelt werden kann, ist das Gefühl des nicht ernstgenommenen Werdens und des Störens. Ein Arzt/eine Ärztin sollte den Angehörigen immer auf Augenhöhe begegnen, solange diese ihre Grenzen wahren, und niemals das Gefühl vermitteln, dass er/sie die Angehörigen nicht ernst nimmt oder sogar als störend empfindet.
Was tun, wenn die Situation verfahren oder eine Sprachbarriere vorhanden ist?
Wenn man als Arzt/Ärztin das Gefühl hat, dass man an einer Stelle bei einem/-r Patienten/-in oder einem/einer Angehörigen nicht mehr weiterkommt und dies einen zu sehr belastet, sollte man sich an die nächsthöhere Ebene wenden und versuchen, für sein Problem Unterstützung zu bekommen. Wenn eine Sprachbarriere die Kommunikation erschwert, ist es ratsam, eine/n Dolmetscher/in miteinzubeziehen. Wenn niemand Externes zur Verfügung steht, kann es hilfreich sein, bei dem medizinischen Personal um Hilfe zu fragen. Vielleicht gibt es jemanden im Team, der die Sprache des/der Betroffen und der Angehörigen versteht. Was man als Arzt/Ärztin verstehen sollte ist, dass es völlig legitim ist, Hilfe von anderen in Anspruch zu nehmen.
Insgesamt erfordert der Umgang mit den Angehörigen eines/einer Patienten/-in ein hohes Maß an Sensibilität, Empathie und professioneller Distanz. Eine offene und ehrliche Kommunikation sowie die Betonung der gemeinsamen Ziele können helfen, Konflikte zu lösen und eine positive Beziehung zwischen Arzt/Ärztin und Angehörigen aufzubauen.