
Das 12-Kanal-EKG ist ein Elektrokardiogramm, welches 12 Ableitungen simultan registriert und in der Kardiologie als Routineuntersuchung zum Einsatz kommt. Welche Ableitungen werden erfasst? Wie erfolgt die Platzierung der externen Elektroden? Wissenswertes zu dem Thema im folgenden Beitrag zum Nachlesen.
EKG – Was wird untersucht?
Das Elektrokardiogramm, abgekürzt EKG, ist ein diagnostisches Verfahren, welches insbesondere in der Kardiologie als Basisuntersuchung zum Einsatz kommt. Über die Anlage von externen Elektroden, die mittels Kabel angeschlossen werden, können die kardialen Erregungsausbreitungen abgeleitet und die elektrischen Vorgänge des Herzens aufgezeichnet werden. Es entsteht ein charakteristischer Kurvenverlauf (EKG-Intervall), aus welchem Rückschlüsse gezogen und beurteilt werden können.
Hierzu gehören die Bestimmung der Herzfrequenz und des Rhythmus, die Bestimmung des Lagetyps, der Beurteilung von den Abständen und Amplituden der einzelnen Intervalle (P-Dauer, PQ-Dauer, QRS-Dauer, QT-Dauer) sowie die Betrachtung der Morphologie, bei der jede der zwölf Ableitungen einzeln betrachtet wird. Bei der EKG-Befundung sowie Auswertung ist ein strukturiertes Vorgehen zur Erkennung kardialer Erkrankungen unerlässlich, damit keine Pathologie übersehen werden kann.
12-Kanal-EKG – Ableitungen
Die 12 Standard-Ableitungen des EKGs setzen sich aus sechs frontalen Extremitätenableitungen und sechs horizontalen Brustwandableitungen zusammen. Zu den frontalen Ableitungen gehören die drei bipolaren Ableitungen nach Einthoven (Ableitung I,II, III) und die drei modifizierten unipolaren Ableitungen nach Goldberger (Ableitung aVR, aVL, aVF). Zu den horizontalen Ableitungen gehören die sechs unipolaren Brustwandableitungen nach Wilson (V1-V6). Die Ableitungen V7 und V8 sind optional und sind für die Diagnosestellung eines posterioren Myokardinfarkts (Hinterwandinfarkt) hilfreich.
Der Veranschaulichung halber noch einmal zusammengefasst:
- 6 Extremitätenableitungen in der Frontalebene, davon:
- 3 bipolare Extremitätenableitungen nach Einthoven: I, II, III
- 3 unipolare Extremitätenableitungen nach Goldberger: aVR, aVL, aVF
- 6 Brustwandableitungen nach Wilson: V1-V6
Die Extremitätenableitungen erfassen ausschließlich die Potentialschwankungen in der Frontalebene während über die Brustwandableitungen die Messung in der Horizontalebene erfolgt. Das konventionelle 12-Kanal-EKG kann demnach parallel die Extremitätenableitungen nach Einthoven und Goldberger und die Brustwandableitungen nach Wilson registrieren.
Im Folgenden wird Auskunft über die Anlage der einzelnen Ableitung gegeben.
Ableitung nach Einthoven
Die Ableitung nach Einthoven ist eine bipolare Extremitätenableitung. Bei der Anlage der Elektroden werden vom rechten Arm ausgehend die Elektroden in den Ampelphasen rot (rechter Arm am Handgelenk), gelb (linker Arm am Handgelenk) und grün (linkes Bein über dem Fußgelenk) im Uhrzeigersinn angebracht und mit den entsprechenden Kabeln angeschlossen.
Es wird zusätzlich noch eine vierte Elektrode am rechten Bein geklebt. Hier wird das schwarze Erdungskabel angeschlossen. Mit der Ableitung nach Einthoven können Potentialänderungen in der Frontalebene registriert werden. Bei der Ableitung nach Einthoven werden die Ableitungen I bis III erfasst:
Ableitung I: zwischen dem rechten und linken Arm
Ableitung II: zwischen dem rechten Arm und linkem Bein
Ableitung III: zwischen dem linken Arm und linken Bein
Ableitung nach Goldberger
Die Ableitung nach Goldberger ist eine unipolare Extremitätenableitung. Die Erfassung der Potentialänderungen in der Frontalebene erfolgt ebenfalls über die oben genannte Anlage der Elektroden, die nach dem Ampelschema rot, gelb, grün, erfolgt plus einer Erdungselektrode, die am rechten Bein angebracht ist und als Bezugselektrode bei der Ableitung nach Goldberger unbedingt vorhanden sein muss.
Erfasst werden die Ableitungen aVR, aVL und aVF, wobei hier die Messung zwischen einer differenten Elektrode (Pluspol) und einer indifferenten Elektrode (Minuspol) erfolgt. Zwei Ableitungspunkte über einen Widerstand werden als sogenannten Nullpunkt zusammen geschaltet und erzeugen auf diese Weise eine indifferente Elektrode.
Der Veranschaulichung halber eine Übersicht über die Ableitungen und deren differente und indifferenten Elektroden:
Ableitung | Differente Elektrode (Pluspol) | Indifferente Elektrode (Minuspol) |
aVR | rote Elektrode R | Zusammenschaltung von gelber Elektrode L und grüner Elektrode F |
aVL | gelbe Elektrode L | Zusammenschaltung von roter Elektrode R und grüner Elektrode F |
aVF | grüne Elektrode F | Zusammenschaltung von roter Elektrode R und gelber Elektrode L |
Die Bezeichnungen der Ableitungen aVR, aVL und aVF sind Abkürzungen für:
- a = argmented (verstärkt)
- v = voltage
- R = right
- L= left
- F = foot.
Ableitung nach Wilson
Die EKG-Ableitungen nach Wilson (V1-V6) sind unipolare Brustwandableitungen und dienen der Darstellung der Potentialänderungen in der Horizontalebene.
Die Elektroden werden folgendermaßen angebracht:
Ableitung | Elektrodenplatzierung |
V1 | 4. ICR parasternal rechts (= 4. Intercostalraum = Zwischenrippenraum, neben dem Sternum/Brustbein rechts) |
V2 | 4. ICR parasternal links |
V3 | zwischen V2 und V4 (Tipp: nach der Anlage von V2 mit Ableitung V4 fortfahren) |
V4 | 5. ICR medioklavikular links (medioklavikular = gedachte Linie, die senkrecht durch die Mitte des Schlüsselbeins (Clavicula) verläuft) |
V5 | gleiche Höhe wie V4; vordere Axillarlinie |
V6 | gleiche Höhe wie V4; mittlere Axillarlinie |
Die Ableitungen V1 bis V6 entsprechen der Vorderwand des Herzens. Zur besseren Vorstellung dient die folgende vereinfachte schematische Abbildung:
EKG anlegen – Vorbereitung
Für die Aufzeichnung eines einwandfreien 12-Kanal-EKGs bedarf es folgender Vorbereitung: Damit keine elektrischen Potenziale der Skelettmuskulatur zu Störungen in der Aufzeichnung führen, ist es wichtig, dass der Patient eine entspannte Liegeposition einnimmt und während der Untersuchung nicht spricht. Damit die Elektroden für die Brustwandableitungen gut haften, ist die Rasur der Brustbehaarung, sofern vorhanden, durchzuführen.
Folgende Störquellen können die Qualität des EKGs negativ beeinflussen:
- schlechter Hautkontakt der Elektroden
- Muskelzittern des Patienten (beispielsweise bei kalten Temperaturen im Untersuchungsraum)
- Silikonimplantate bei Frauen (Brustwandableitungen)
- in der Nähe stehende Geräte
EKG anlegen – So wird es gemacht
Das Anlegen und Schreiben eines 12-Kanal EKGs ist, nach Beauftragung des Arztes, von der MFA durchzuführen.
Bei der Untersuchung wird der Patient gebeten, seinen Oberkörper zu entkleiden und nach Möglichkeit die Hosenbeine hochzukrempeln, damit die Elektroden einwandfrei angebracht werden können. Anschließend wird der Patient gebeten, sich auf die Untersuchungsliege zu legen.
Im Folgenden wird stichpunktartig Auskunft über die einzelnen Arbeitsschritte gegeben:
1 - Sauganlage für das EKG-Gerät einschalten
2 - Anbringen für die Extremitäten-Ableitungen an Armgelenken und Fußfesseln:
- Rechter Arm, R: rot
- Linker Arm, L: gelb
- Linkes Bein, F: grün
- Rechtes Bein, N: schwarz
3 - Anbringen für die Brustwandableitungen V1-V6 (siehe oben: Ableitung nach Wilson Elektrodenplatzierung)
4 - An die Saugnäpfe werden farblich markierte Kabel der Brustwandableitungen angesteckt, folgende Reihenfolge ist zu beachten:
- V1: rot
- V2: gelb
- V3: grün
- V4: braun
- V5: schwarz
- V6: violett
5 - bei Fehlermeldung: Überprüfung der Saugnäpfe (eventuell: schlechter Hautkontakt der Elektroden oder Stoff behindert)
6 - wenn keine Fehlermeldung vorliegt und die EKG-Ableitung in Ordnung ist, kann das EKG geschrieben werden; Auswählen in der EKG-Software: „EKG schreiben“
7 - nach Beendigung der Untersuchung:
- Auswählen in der EKG-Software: „EKG speichern“
- die Saugnäpfe, Ableitungen und Fußfesseln werden entfernt
- der Patient kann sich wieder ankleiden
8 - EKG-Befundung und Auswertung durch den Arzt
EKG Auswertung Bilder – Wie wird das EKG gelesen?
Die Grundlage einer guten EKG-Befundung ist eine Systematik. Daher ist es von großer Wichtigkeit einem festen Schema zu folgen, damit keine Pathologien übersehen werden.
Im Folgenden ein beispielhaftes schematisches Vorgehen einer EKG-Analyse:
- Rhythmus (regelmäßig: meist Sinusrhythmus; unregelmäßig: häufig mit supraventrikulären Extrasystolen (SVES) und ventrikulären Extrasystolen (VES); komplett unregelmäßig: Vorhofflimmern
- Herzfrequenz (normofrequent, Tachykardie, Bradykardie)
- Lagetypbestimmung (Ableitung I-III wegweisend)
- Zeiten/ Intervall (P-Dauer, PQ-Dauer, QRS-Dauer, QT-Dauer)
- Morphologie: jede der 12 Ableitungen einzeln betrachten
Die Befundung und Auswertung sollten immer auch in Zusammenhang mit der Klinik des Patienten erfolgen. Auch können vorherige EKGs, wenn vorhanden, herangeführt und im Vergleich beurteilt werden.
Von einem EKG-Normalbefund ist die Rede bei einem: Sinusrhythmus mit einer Frequenz von X/Min., einem Linkstyp, einer nicht verlängerten PQ-Zeit, einem nicht verbreiteten QRS-Komplex, keinen vorhandenen ST-Streckenveränderungen sowie kein Hinweis auf Erregungsrückbildungsstörungen.
Zum Abschluss ist ein Beispiel für einen pathologischen Befund in der nachfolgenden Abbildung zu sehen:
- Bis zur dargestellten roten Markierung ist ein unauffälliges 12-Kanal-Ruhe-EKG zu sehen.
- Die 12 Ableitungen sind vor dem EKG-Kurvenverlauf beschriftet (I, II, III, etc.).
- In der Ableitung V6 ist (hinter der roten Markierung) eine doppelt gekerbte R-Zacke zu erkennen (sogenannter „abgebrochener Zuckerhut“)
- die Ableitungen V3, V4, V5 fallen durch tiefe R-Zacken auf, was für eine Repolarisationsstörung spricht.
- In V1 und V2 erkennt man einen verbreiteten QRS-Komplex.
- Diagnose: (Kompletter) Linksschenkelblock, plötzlich eingetreten.
An dieser Stelle wichtig zu erwähnen: Ein neu aufgetretener Linksschenkelblock mit bestehenden Angina-Pectoris Beschwerden deutet auf einen ST-Hebungsmyokardinfarkt hin.
1. Ohly, Albrecht, Kiening, Marion: EKG endlich verständlich, Urban & Fischer (Verlag), 3. Auflage, 2018
2. Cook-Sup So: Praktische EKG-Deutung, Thieme (Verlag), 4. Auflage, 2013
3. Manfred, Borchert: Elektrokradiogramm, Handbuch für Einsteiger, 2005
4. A new electrode placement method for obtaining 12-lead ECGs, www.ncbi.nlm.nih.gov (Abruf: 23.04.2020)
1. Pixabay
2. Kychot, ECG-Einthoven-triangle, CC BY-SA 3.0 (Wikimedia Commons)
3. Kychot, ECG-Goldberger, CC BY-SA 3.0 (Wikimedia Commons)
4. Jmarchn, Precordial Leads 2, CC BY-SA 3.0 (Wikimedia Commons)
5. TheRealBluebrain, "Unauffälliges Ruhe-EKG mit einsetzendem Linksschenkelblock", CC BY-SA 4.0 (Wikimedia Commons)