Die Blutgerinnung (Hämostase) ist ein lebenswichtiger Prozess: Sie sorgt dafür, dass sich Wunden bei Blutungen verschließen. An dieser komplexen Kaskade sind viele Akteure beteiligt. Am Ende steht schlussendlich ein roter Thrombus, der maßgeblich für den Wundverschluss verantwortlich ist. Alles zum genauen Ablauf der Blutgerinnung und wie man diese medizinisch testen kann, gibt es hier.
Inhaltsverzeichnis
Die Hämostase und ihre Gerinnungsfaktoren
Die Blutgerinnung ist ein Teil des mehrschrittigen Prozesses der Blutstillung. Die Blutstillung setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, primäre und sekundäre Hämostase. Während bei der primären Hämostase ein Netzwerk aus Thrombozyten entsteht, handelt es sich bei der sekundären Hämostase um die Blutgerinnung. Dabei wird durch die Aktivierung von bestimmten Plasmaproteinen (= Gerinnungsfaktoren) eine Kaskade in Gang gesetzt. Das Ziel dieser Kaskade ist die Ausbildung eines roten Thrombus. Ein roter Thrombus besteht aus Fibrin mit eingelagerten Erythrozyten.
Die verschiedenen Gerinnungsfaktoren sind mit römischen Ziffern bezeichnet, viele besitzen zudem auch Eigennamen. Sie aktivieren sich gegenseitig durch proteolytische Spaltung. Ein aktivierter Faktor trägt immer den Buchstaben “a”.
Hier ist eine Übersicht zu allen Gerinnungsfaktoren:
Römische Ziffer | Name |
Faktor I | Fibrinogen |
Faktor II | Prothrombin |
Faktor III | Tissue Factor (Gewebethromboplastin) |
Faktor IV | Kalzium |
Faktor V | Proakzelerin |
Faktor VII | Prokonvertin |
Faktor VIII | Antihämophiliefaktor A |
Faktor IX | Antihämophiliefaktor B (Christmas-Faktor) |
Faktor X | Stuart-Power-Faktor |
Faktor XI | Plasma-Thromboplastin-Antecendent (PTA) |
Faktor XII | Hageman-Faktor |
Faktor XIII | Fibrinstabilisierender Faktor |
Ablauf der Blutgerinnung
Man teilt die Blutgerinnung klassischerweise in einen intrinsischen und einen extrinsischen Weg ein. Diese laufen jeweils unterschiedlich schnell ab, münden jedoch in einer gemeinsamen Endstrecke.
Extrinsischer Weg
Bei der Verletzung eines Blutgefäßes wird der sogenannte “Tissue Factor” (Faktor III) freigelegt, der sich unter dem Endothel befindet. Durch Kontakt mit dem Blut aktiviert er so den zirkulierenden Faktor VII. Faktor III und VIIa bilden zusammen mit Kalzium und Phospholipiden einen Enzymkomplex, die extrinsische Tenase. Der Name kommt daher, dass der Tenasekomplex Faktor X (“ten”) aktiviert. Der extrinsische Weg dauert nur wenige Sekunden.
Intrinsischer Weg
Bei einer Gefäßläsion kommt auch Kollagen (mit Kallikrein und Kininogen) unter dem Endothel zum Vorschein, was den intrinsischen Weg der Blutgerinnung in Gang setzt:
- Zuerst wird Faktor XII aktiviert.
- Faktor XIIa aktiviert dann (zusammen mit Faktor IIa) Faktor XI.
- Faktor XIa aktiviert Faktor IX.
- Außerdem wird Faktor VIII durch Thrombin (Faktor IIa) aktiviert.
- Faktor IXa, VIIIa, Kalzium und Phospholipide lagern sich schließlich zur intrinsischen Tenase zusammen.
Der intrinsische Weg zieht sich über einige Minuten.
Gemeinsame Endstrecke
Beide Tenasen aktivieren zunächst Faktor X. Faktor Xa lagert sich anschließend mit Faktor Va zur sogenannten “Prothrombinase” zusammen. Die Prothrombinase aktiviert nun Prothrombin (Faktor II) zu Thrombin (Faktor IIa). Hier kommt es (wie an einigen anderen Stellen auch) zu einer positiven Rückkopplung innerhalb der Kaskade, da Faktor IIa wiederum die Aktivierung von Faktor V fördert.
Die intrinsische Tenase ist 100x effektiver als die extrinsische. Demnach ist der intrinsische Weg für rund 95 Prozent der finalen Thrombinbildung verantwortlich.
Thrombin spaltet nun Fibrinogen (Faktor I) in Fibrin-Monomere (Faktor Ia). Außerdem aktiviert Thrombin auch Faktor XIII. Faktor XIIIa sorgt für eine Quervernetzung der Fibrin-Monomere, wodurch ein Fibrinthrombus entsteht.
Dieser Fibrinthrombus festigt zum einen die Thrombozyten am Läsionsort. Zum anderen verfangen sich darin auch Erythrozyten, wodurch schließlich ein roter Thrombus entsteht. Damit ist die Blutgerinnung abgeschlossen.
Normwerte der Blutgerinnung
Bei diesen Blutgerinnungswerten handelt es sich um die Normwerte bei Erwachsenen. Die Standardwerte für Kinder und Neugeborene unterscheiden sich in dieser Hinsicht.
Laborwert | Normbereich |
Quick | 70 – 120 % |
INR | 0,85 – 1,15 |
PTT | 20 – 40 s |
Quick-Wert und INR
Bei Gerinnungsstörungen im extrinsischen Weg ist der Quick-Wert erniedrigt. Das kann der Fall sein bei:
- Vitamin K Mangel (benötigt Leber zur Herstellung der Faktoren II, VII, IX, X)
- Hämophilie A (Mangel Faktor VIII)
- Hämophilie B (Mangel Faktor IX)
- Leberzirrhose
Für eine Erhöhung des Quick-Werts können zum Beispiel Medikamente wie Barbiturate oder Penicillin verantwortlich sein.
Um gewisse Variationen im Quick-Wert auszugleichen, gibt es eine weltweit standardisierte Umrechnung in den Parameter INR (“International Normalized Ratio”).
PTT (Partielle Thromboplastinzeit)
Die Partielle Thromboplastinzeit (PTT) misst den intrinsischen Weg der Blutgerinnung.
Die PTT ist verlängert bei:
- Hämophilie
- Von-Willebrand-Syndrom
- Behandlung mit Heparin
Verkürzt sein kann die PTT bei:
- Schwangerschaft
- Einnahme einer Verhütungspille
- postoperativem Zustand
Laborwerte zur Blutgerinnung: Wann prüfen?
Ungewöhnlich lange Blutungszeiten bei Verletzungen können beispielsweise auf angeborene oder erworbene Störungen der Blutgerinnung hinweisen. Daneben können auch Lebererkrankungen (zum Beispiel Hepatitis, Leberzirrhose) die Gerinnung beeinflussen, da die benötigten Gerinnungsfaktoren in diesem Organ gebildet werden.
Darüber hinaus wird die Blutgerinnung auch vor Operationen routinemäßig kontrolliert. Auch bei der Einnahme von bestimmten antikoagulatorischen Medikamenten (zum Beispiel Phenprocoumon, Warfarin) wird sie kontrolliert, da diese Substanzen in das Kaskadensystem eingreifen.
Kleinere Abweichungen in den Gerinnungsparametern sind meist allerdings nicht besorgniserregend.
Blutgerinnung verändert: Was tun?
Bei veränderte Parametern der Blutgerinnung können viele verschiedene Störungen zugrunde liegen. Deswegen gilt primär, die kausale Ursache zu beseitigen. Ist dies nicht (oder nur unzureichend) möglich, so helfen bei stark reduzierter Gerinnung beispielsweise folgende Maßnahmen:
- Injektionen mit fehlenden Gerinnungsfaktoren
- Verletzungsrisiko minimieren (starke Blutungsgefahr!)
- Medikamente vermeiden, welche die Gerinnung weiter beeinflussen
Bei einer zu stark ausgeprägte Blutgerinnung kann man ebenfalls Medikamente, wie etwa Heparin, verabreichen. Zudem sollten vorbeugende Maßnahmen für Risikosituationen getroffen werden, beispielsweise das Tragen von Kompressionsstümpfen auf Langstreckenflügen.
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