Bei der Knochenmarkbiopsie wird mit einer Stanznadel ein intaktes Knochenmarkstück gewonnen und anschließend im Labor zur Beurteilung der Blutbildung untersucht. Dabei können Erkrankungen des Knochenmarks und des blutbildenden Systems diagnostiziert werden, wie z.B. Leukämien oder Knochenmarkkarzinosen.
Inhaltsverzeichnis
Die wichtigsten Dinge zum Thema Knochenmarksbiopsie im Überblick hier zum Nachlesen.
Was ist Knochenmark?
Das Knochenmark ist ein weiches, schwammiges Gewebe, welches die inneren Hohlräume der Knochen ausfüllt. Es ist insbesondere in den Plattenknochen (z.B. Brustbein, Becken, Femur) vorzufinden. Generell unterscheidet man rotes, blutbildendes (hämoblastisches) und gelbes, nicht-blutbildendes Knochenmark (Fettmark). Es ist ein primäres lymphatisches Organ und ist nach der Geburt alleinig für die Blutbildung (Hämatopoese) zuständig.
Was ist eine Knochenmarkbiopsie?
Bei einer Knochenmarkbiopsie wird eine kleine Probe des Knochenmarks der Knochen entnommen und anschließend im Labor getestet. Die Untersuchung dient der Beurteilung der Blutbildung und ermöglicht eine zytologische und histologische Diagnostik. Die Untersuchung des Knochenmarks zeigt qualitative und quantitative Veränderungen der blutbildenden Zellen (z. B. Reifestörungen bei Vitamin-B12 Mangel, Verdrängung durch Lymphom- oder Leukämiezellen). Dabei kann nachgewiesen werden, wie viele und an welcher Stelle sich die Zellen im Knochenmark befinden.
Damit liefert die Knochenmarkbiopsie die zuverlässigsten und vollständigsten Informationen über die Zellularität des Knochenmarks. Die Untersuchung des Knochenmarks ermöglicht die Diagnose verschiedener Erkrankungen, wie z.B. primäre hämatologische und metastatische Tumore und nicht bösartige Erkrankungen.
Die Knochenmarkbiopsie kommt zum Einsatz wenn beispielsweise eine Knochenmarkpunktion nicht aussagekräftig genug ist. Während bei einer Knochenmarkpunktion/ Knochenmarkaspiration eine dünne Nadel in das Knochenmark eingeführt wird und lediglich Flüssigkeit und Zellen heraus gesaugt wird, wird bei der Knochenmarkbiopsie mittels eines Stanzzylinders eine Probe von Knochen und Knochenmark entnommen, ebenso meist aus dem hinteren Beckenkamm. Weiterhin beinhaltet die Knochenmarkbiopsie die Entkalkung, Färbung (Hämatoxylin-Eosin, Spezialfärbungen) und anschließende mikroskopische Untersuchung.
Wann wird eine Knochenmarkbiopsie durchgeführt?
Die Indikation für eine Knochenmarkbiopsie ist gestellt, wenn das ganze Knochenmark untersucht werden muss und aus einer Knochenmarkpunktion/Knochenmarkaspiration allein keine sichere Diagnosestellung erfolgen kann.
Dies ist unter anderem erforderlich, wenn:
- die Topographie der Verteilung der hämatopoetischen Zellen diagnostisch wichtig ist
- die zugrundeliegende Erkrankung eine Faservermehrung im Knochenmark beinhaltet
- die Zellen, die für die Erkennung der hämatologischen Erkrankung untersucht werden müssen, nicht aspirabel sind (zum Beispiel: M. Hodgkin)
- der Verdacht eines nodulären Befalls besteht (zum Beispiel: Non-Hodgkin-Lymphom)
Im Folgenden werden die wichtigsten Indikationen genannt:
- Anämien
- Hebung oder Senkung diverser Blutzellfraktionen (Leukopenie, Leukozytose, Thrombozytopenie, Thrombozytose, Panzytopenie und Polyzythämie)
- Krebserkrankungen des Blutes oder des Knochenmarks (Leukämien, Lymphome, multiples Myelom)
- metastasierende Krebsarten, die sich von einem anderen Bereich (z.B. Brust) in das Knochenmark ausgebreitet haben
- Hämochromatose
- Fieber unbekannten Ursprungs
- Chemotherapieverlaufskontrolle
Die Entnahme bei einer Knochenmarkbiopsie ist in der Regel schmerzhafter und teurer als die Punktion/Aspiration. Auch aus diesem Grund ist eine Biopsie nur dann indiziert, wenn durch die Aspiration keine ausreichenden Informationen gewonnen werden können.
Welche Vorbereitungen sind notwendig?
Eine Knochenmarkbiopsie wird meist ambulant durchgeführt. Die Untersuchung der Knochenmarkbiopsie erfolgt in der Regel unter lokaler Betäubung und dauert ungefähr zehn bis zwanzig Minuten. Während des Eingriffs werden Blutdruck und Herzfrequenz des Patienten überwacht. Der Eingriff wird in der Regel bei vollem Bewusstsein durchgeführt, während lediglich die Aspirations- bzw. Biopsiestelle betäubt wird. Bei Angstpatienten kann eine intravenöse Medikation zur Sedierung erfolgen.
Im Hinblick auf den Nüchternzustand des Patienten sind die Empfehlungen der Ärzte unterschiedlich: Einige raten, ab Mitternacht vor dem Eingriff keine Nahrung mehr zu sich zu nehmen. Das Trinken von klaren Flüssigkeiten wie Wasser sei normalerweise aber erlaubt. Andere Ärzte wiederum fordern keinen nüchternen Zustand des Patienten.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass vor der Untersuchung Medikamente, wie blutverdünnende Arzneimittel, abgesetzt werden sollten. Das Absetzen oder Pausieren bestimmter Medikamente erfolgt in Absprache mit dem behandelnden Arzt.
Wie läuft eine Knochenmarkbiopsie ab?
Bei einer Knochenmarkbiopsie wird mit einer speziellen Stanznadel (z.B. „Jamshidi“) eine Kern- oder zylindrische Probe von Knochen und Knochenmark entnommen, bei der die dreidimensionale Struktur des Knochenmarks erhalten bleibt. Das Knochenmark wird meist aus dem hinteren Beckenkamm entnommen, da an dieser Stelle das Risiko für die Verletzung innerer Organe als gering eingestuft wird.
In seltenen Fällen kann auch das Sternum (Brustbein) als Entnahmestelle verwendet werden, da es direkt unter der Haut liegt und leicht zugänglich ist. Allerdings wird das Sternum nur in Ausnahmefällen, beispielsweise aufgrund starken Übergewichts des Patienten und Nicht-Ertasten des Beckenkamms, für eine Knochenmarkbiopsie genutzt. Hierbei ist auf eine höhere Komplikationsrate (Verletzung des Herzbeutels und Gefäßverletzungen, Pneumothorax) hinzuweisen. Allerdings ist die Beckenkammpunktion im Vergleich zur Sternumpunktion technisch anspruchsvoller. Bei jüngeren Kindern ist es ebenfalls möglich, Proben aus dem Schienbein (Tibia) zu gewinnen.
Im Folgenden eine Erläuterung des Ablaufs am Beispiel des Beckenkamms (exakt: Spina iliaca posterior superior), welcher die bevorzugte Stelle für eine Knochenmarkbiopsie ist.
Die Knochenmarkbiopsie wird in Seitenlage oder, falls nötig, in Bauchlage vorgenommen. Nach Ertasten des entsprechenden vorspringenden Knochenpunkts am hinteren Beckenkamm (exakt: Spina iliaca posterior superior) erfolgt die Desinfektion der Einstichstelle und die lokale Betäubung der Biopsiestelle.
Bei Bedarf kann auch die intravenöse Injektion eines Schmerzmittels über einen peripher venösen Zugang erfolgen.
Nach steriler Abdeckung mit einem Loch-Tuch, welche nur noch die Untersuchungsstelle sichtbar macht, beginnt der eigentliche Eingriff:
- Mit einem Skalpell erfolgt eine kleine Inzision (1 cm) in die Haut, sodass die Hohlnadel eingeführt werden kann.
- Die Hohlnadel wird am Knochen angesetzt und Druck und drehende Bewegungen durch die äußere, harte Knochenschicht in den Markraum ausgeübt. Sobald der Widerstand geringer wird, befindet man sich im Markraum.
- An erster Stelle steht die Aspirationszytologie
- Im Anschluss daran wird durch tieferes Einführen der Hohlnadel Knochenmark in Form eines Stanzzylinders gewonnen.
- Der Stanzzylinder wird in eine Fixierungsflüssigkeit gegeben und kann, in dünnen Scheiben geschnitten, in der Pathologie befundet werden.
Ist eine Knochenmarkbiopsie schmerzhaft?
Vor der Biopsie wird ein Lokalanästhetikum in das subkutane Gewebe gespritzt, um den Entnahmebereich zu betäuben und die Schmerzen zu lindern. Der Patient kann auch eine systemische Analgesie und/oder Medikamente gegen Angstzustände erhalten.
Der Eingriff verursacht generell mäßige Schmerzen und ein wenig Unwohlsein. Patienten berichten über ein Druckgefühl beim Einführen der Nadel. Die Knochenmarkbiopsie dauert wenige Minuten und führt in der Regel zu keinem bleibenden Knochenschaden.
Was muss nach einer Knochenmarkbiopsie beachtet werden?
Da die Knochenmarkbiopsie in der Regel als ambulanter Eingriff durchgeführt wird, kann der Patient am gleichen Tag nach Hause. Standardmäßig werden nach dem Eingriff noch für etwa eine Stunde Puls und Blutdruck und andere Werte überwacht (Vitalzeichenparameter). Wie bei anderen Eingriffen ist es im Falle der Verabreichung von Schmerz- oder Beruhigungsmitteln untersagt, am gleichen Tag noch Auto zu fahren oder Maschinen zu bedienen. Es ist wichtig, sich am Tag der Knochenmarkbiopsie körperlich zu schonen.
Welche Befunde sind bei einer Knochenmarkbiopsie möglich?
Die Knochenmarkbiopsie liefert wertvolle Informationen zur Beurteilung hämatologischer (Blut-)Erkrankungen. Eine Blutuntersuchung ist zur Beurteilung von Blutkrankheiten in manchen Fällen nicht ausreichend. Die Knochenmarkbiopsie setzt am Ursprung an, dort wo die Blutzellen gebildet werden und liefert erweiterte Informationen. Abnormale Zustände hinsichtlich der Anzahl oder dem Erscheinungsbild der zirkulierenden Blutzellen oder der Verdacht auf eine Infektion des Marks können die Untersuchung des Knochenmarks rechtfertigen.
Die Knochenmarkbiopsie identifiziert Veränderungen der Blutzellfraktionen und des Knochenmarks. Der Vorteil der Biopsie gegenüber der Punktion: die dreidimensionale Struktur des Knochenmarks bleibt hierbei erhalten. Im Anschluss wird das gewonnene Material des Stanzzylinders entkalkt und gefärbt (Hämatoxylin-Eosin, Spezialfärbungen), sodass es unter einem Mikroskop untersucht und befundet werden kann. Bei der Biopsie nimmt der quantitative Befund durch anschließende Entkalkung und Weiterverarbeitung zwar mehr Zeit in Anspruch als bei der Knochenmarkpunktion, ist jedoch genauer. Die Knochenmarkbiopsie untersucht die Anzahl und Beschaffenheit von Blutzellen, gibt aber auch wichtige Informationen über die Struktur des Knochenmarks.
Die Ergebnisse umfassen:
- Anzahl und Art der Leukozyten, Erythrozyten und Thrombozyten in allen Entwicklungsstadien (um festzustellen, ob die Anzahl der Blutkörperchen ausreichend ist)
- Zellularität: Die Anzahl der Blutzellen im Verhältnis zu anderen Bestandteilen des Knochenmarks, wie z.B. Fett (dies kann in verschiedenen Altersstufen variieren)
- Infiltrate: Tumor / Infektion
- Veränderungen des Knochenmarkstromas (z.B. Fibrose)
- Veränderungen am Knochen (z.B. Osteoporose)
Ausschließlich die Knochenmarkbiopsie liefert Informationen über das spezifische Knochenmark-Infiltrationsmuster bei Lymphomen. Bei einer sogenannten Knochenmarkkarzinose, die durch Tumore hervorgerufen wird, ist eine Differenzierung der verschiedenen Tumorformen (z.B. Mamma-, Bronchial- und Prostatakarzinom) nur durch eine Biopsie möglich.
Welche Risiken und Komplikationen bestehen?
Die Knochenmarkbiopsie ist im Allgemeinen ein sehr sicherer Eingriff. Komplikationen sind selten, können aber auftreten. Zu den möglichen Komplikationen, die durch eine Knochenmarkbiopsie zustande kommen können, zählen unter anderem :
- Blutergüsse und Beschwerden an der Biopsiestelle
- Längere Blutungen aus der Biopsie-Stelle
- Infektion
- Übermäßige Blutungen/ Nachblutungen (insbesondere bei Thrombozytopenie)
- Langanhaltende Beschwerden an der Biopsiestelle
- Verletzung und Entzündungen benachbarter Organe und Gewebestrukturen
- Verletzung von Nerven
- länger anhaltende Schmerzen, Missempfindungen, Taubheitsgefühl
- Bei Sternalpunktion: Penetration des Brustbeins und folgliche Herz- oder Lungenkomplikationen, Verletzung des Herzbeutels, Pneumothorax
Was kostet eine Knochenmarkbiopsie?
Bei bestehendem Verdacht auf eine Erkrankung des blutbildenden Systems werden die Kosten des Eingriffs von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen.
Laut der öffentlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ, Stand August 2013) wird eine Punktion des Knochenmarks mit 11,66 € und eine Biopsie (Knochenstanze) mit 17,49 € abgerechnet.
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1. Pixabay
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