Das Thema Sterbehilfe ist nicht nur rechtlich äußerst schwer zu fassen. Auch ethisch zeichnet es sich durch eine Vielzahl unterschiedlicher Meinungen aus. Entsprechend weitreichend sind die Diskussionen. Aber was genau ist mit dem Begriff gemeint? Und wie sieht die Rechtslage aus?
Inhaltsverzeichnis
Grundsätzlich lassen sich verschiedene Arten der Sterbehilfe unterscheiden. Am häufigsten ist die Unterscheidung zwischen der aktiven Sterbehilfe und der passiven Sterbehilfe. Allerdings gibt es noch weitere Formen, wie zum Beispiel die Aktive Tötung, die Indirekte Sterbehilfe und die Beihilfe zur Selbsttötung.
Aktive Sterbehilfe
Man spricht von der aktiven Sterbehilfe, wenn ein Patient ausdrücklich nach der Tötung seiner selbst verlangt und der Tod durch ein Eingreifen von außen eintritt. Das heißt, ein Arzt oder ein anderer außenstehender Dritter verabreicht einem Patienten aktiv ein Mittel was zur Tötung des Patienten führt.
In Deutschland ist die aktive Sterbehilfe strikt verboten und kann mit einer Haftstrafe geahndet werden. Dies ist im Strafgesetzbuch im Artikel § 216 Absatz 1 StGB festgelegt. Dort steht beschrieben, dass jemand der durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden ist, mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren verurteilt werden muss.
Auch wenn die aktive Sterbehilfe in Deutschland verboten ist, spricht sich die Mehrheit der Bevölkerung dafür aus. Eine IfD-Umfrage aus dem Jahre 2016 kommt zu folgenden Ergebnissen, wonach 62 % der Deutschen sich positiv zur aktiven Sterbehilfe äußern:
Haltung zu | Passive Sterbehilfe | Aktive Sterbehilfe |
---|---|---|
Dafür | 77 % | 62 % |
Dagegen | 8 % | 13 % |
Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11058, Juli 2016
Diese Ergebnisse werden jedoch nicht bestätigt, wenn man Ärzte befragt. Unter Ärzten wird die Schaffung eines Gesetzes zur aktiven Sterbehilfe mehrheitlich abgelehnt.
Die Begründung hierin liegt einerseits in der hohen Belastung, der Verantwortung und dem Druck, der auf die Ärzte mit dieser Bürde zukommen würde.
Andererseits liegt die Begründung darin, dass das Grundverständnis des Arztberufes das Heilen und die Aufrechterhaltung des Lebens ist und keine aktive Herbeiführung des Todes, durch welche man abstumpfen würde.
Generell ist das Verbot der aktiven Sterbehilfe auch weltweit in vielen Staaten wirksam, anders sieht es hingegen in einigen BENELUX-Staaten wie Belgien oder der Niederlande aus. Dort ist die Tötung auf Verlangen zumindest unter gewissen Voraussetzungen gestattet.
Folgende Voraussetzungen gelten für die aktive Sterbehilfe in Belgien:
- Zum einen muss der Patient dabei volljährig und vor allem handlungsfähig sowie bei Bewusstsein sein, wenn er die Tötung verlangt.
- Er muss seine Bitte außerdem freiwillig, überlegt und wiederholt formulieren, ohne dabei unter Druck gesetzt zu werden.
- Schließlich muss sich der Patient in einer aus medizinischer Sicht ausweglosen Situation befinden und sich auf Qualen berufen, die durch ein unheilbares Leiden hervorgerufen werden.
Auch in den Niederlanden ist seit 2002 die aktive Sterbehilfe legalisiert worden. Allerdings gilt dies bisher nur für sehr kranke Menschen und nicht für gesunde Menschen. 2015 wurden 5516 Todesfälle durch Verlangen auf Tötung verzeichnet, was 3,6% aller Todesfälle in den Niederlanden entspricht.
Passive Sterbehilfe
Bei der passiven Sterbehilfe wird auf Wunsch des Patienten eine bestimmte Behandlung unterlassen oder abgebrochen, insbesondere das Durchführen von lebensverlängernden Maßnahmen. Es findet also das Unterlassen einer Tätigkeit statt (passiv) und es wird keine direkte Durchführung einer Tötung (aktiv) ausgeführt.
Die passive Sterbehilfe ist dann geboten, wenn der Notleidende sich entsprechend dazu äußert oder wenn die Behandlungsmaßnahmen keinen Erfolg versprechen (z.B. in der unmittelbaren Sterbephase vor dem Tod), vielleicht sogar eher schädlich sind. Insofern herrschte lange Zeit Unsicherheit hinsichtlich der Grenze zur aktiven Tötung. Denn immerhin ist mit dem Abbrechen, in einem gewissen Grad aber auch mit dem Unterlassen, eine aktive Komponente verbunden.
Der Bundesgerichtshof stellte dahingehend jedoch letztlich klar, dass Ärzte etwaige Maßnahmen auch dann abbrechen dürfen, wenn der Patient noch nicht kurz vor dem Tod stehe. Vor allem müssen sie aber dann Maßnahmen abbrechen, wenn der Patient dies so will. Insofern ist eine Patientenverfügung für die passive Sterbehilfe inzwischen von großer Bedeutung. Insbesondere wenn der Patient nicht mehr in der Lage ist seinen Willen aktiv auszusprechen, ist diese von großer Bedeutung.
Die Patientenverfügung
Die Patientenverfügung ist eine schriftliche Vorausverfügung einer Person. Die sorgt für die Situation vor, wenn es dieser Person nicht mehr möglich ist ihren Willen (rechts)wirksam zu erklären. Dies kann bei schwerer Krankheit oder plötzlichen Umständen passieren, weswegen eine Patientenverfügung von generellem Interesse sein kann.
Dieses Dokument bezieht sich auf ärztliche Eingriffe oder Maßnahmen medizinischer Natur sowie lebensverlängernde Maßnahmen. Die in der Patientenverfügung befähigte Person kann an dieser Stelle über beispielsweise eben diese lebensverlängernden Maßnahmen entscheiden und damit passive Sterbehilfe leisten.
Unter folgendem Link finden Sie eine Vorlage einer Patientenverfügung des Ministeriums der Justiz (RLP): Download. Das Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz hat außerdem ein Dokument veröffentlicht, in dem alle Bestandteile der Patientenverfügung im Detail beschrieben sind. Hier geht es zur Dokumentation.
Indirekte Sterbehilfe
Die indirekte Sterbehilfe wiederum bezeichnet einen Fall, in dem Medikamente verabreicht werden, die zur Linderung von Leiden führen sollen wie Schmerzen oder Angst, aber gleichzeitig einen vorzeitigen Tod bewirken können. Ein Beispiel für diese Form ist die Verabreichung von Opium, welche in früheren Jahrhunderten durchgeführt wurde.
Mit bestimmten Medikamenten oder Betäubungsmitteln kann auch heute schwer kranken Menschen, die unter starken Schmerzen oder Ängsten leiden und sich im Endstadium ihrer Erkrankung und somit kurz vom Tod befinden, gezielt geholfen werden, um ihre Schmerzen zu lindern. Hierzu muss der Arzt je nach Schwere der Krankheit oder des Leidens sehr starke und hohe Dosierungen der Medikamente verabreichen. Dann entsteht das Risiko, dass die Medikamente durch ihre Nebenwirkungen das Leben des Patienten verkürzen. Hierbei muss der jeweilige Arzt immer abwägen, ob er bereit ist dieses Risiko einzugehen und dafür die Leiden des Patienten lindert.
Die indirekte Sterbehilfe kommt in der heutigen Zeit eher selten vor. Die Meinungen sind hier jedoch einig, dass der Arzt in diesem Falle straffrei bleiben sollte. Zur Rechtslage in Deutschland: der Bundesgerichtshof stellte dazu bereits 1996 fest, dass diese Verabreichung zulässig und zum Teil sogar erforderlich ist, wenn die eigentliche Absicht die Schmerzlinderung war. Die indirekte Sterbehilfe ist in Deutschland nicht strafbar, da sie dem Patienten einen schmerzfreien Tod ermöglicht: “Eine ärztlich gebotene schmerzlindernde Medikation entsprechend dem erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen wird bei einem Sterbenden nicht dadurch unzulässig, dass sie als unbeabsichtigte, aber in Kauf genommene unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen kann”.
Ganz im Gegenteil: der Bundesgerichtshof sieht einen Fall von Körperverletzung wegen unterlassener Hilfeleistung, wenn der Arzt keine Schmerzmittel verabreicht, da er keinen vorzeitigen Tod herbeiführen möchte und somit dem Patienten seine Leiden nicht erspart hat.
Beihilfe zur Selbsttötung (Assistierter Suizid)
Die Beihilfe zur Selbsttötung ist schließlich eine Handlung, mit welcher ein Betroffener beim Suizid unterstützt wird. Die eigentliche Beihilfe ist letztlich straffrei. Es handelt sich hier um eine Beihilfe zur autonomen Selbsttötung des Patienten. Der Arzt oder ein Familienangehöriger verabreicht dem kranken Menschen kein Mittel aktiv, sondern stellt es ihm nur zur Verfügung und der Patient nimmt es eigenständig ein. Hiermit wird auch die Selbstbestimmung des Patienten bis zum Lebensende unterstützt.
Unterlassene Hilfeleistung ist strafbar
Während die Beihilfe zur Selbsttötung nicht strafbar ist, ist es jedoch die unterlassene Hilfeleistung. Hätte das jeweilige Leben also zum Beispiel mit Erste-Hilfe-Maßnahmen im Anschluss gerettet werden können, ist eine Anklage wegen unterlassener Hilfeleistung grundsätzlich möglich. Ein Beispiel hierfür ist, wenn man als Angehöriger einem schwer kranken Familienmitglied eine große Schachtel Schlaftabletten neben das Bett legt. Diese Beihilfe zur Selbsttötung ist erlaubt, anschließend bleibt es dem Kranken selbst überlassen, die Tabletten unabhängig selbst einzunehmen.
Jedoch ist in Deutschland eine unterlassene Hilfsleistung laut § 323c des Strafgesetzbuches verboten und wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr bestraft. Dies bedeutet in diesem Beispiel, man darf die Tabletten zwar einem schwer kranken Menschen zur Verfügung stellen, wenn man jedoch mitbekommt, dass dieser diese genommen hat, ist man verpflichtet den Notarzt zu rufen. Unterlässt man dies, macht man sich der unterlassenen Hilfeleistung strafbar.
Sterbehilfe – kontrovers diskutiert
Die Förderung der Selbsttötung wurde im Jahre 2015 durch den deutschen Bundestag eingeschränkt. Hier wurde der Paragraph 217 des StGB beschlossen, das “Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung”. Hier ging es vor allem darum, die Tätigkeit von Sterbehilfevereinigungen wie “Sterbehilfe Deutschland” einzuschränken. Es sollte verhindert werden, das die Hilfevereine ihre Tätigkeit in Deutschland ausbauen.
Einerseits scheint das nachvollziehbar: Wieso sollten ausgerechnet diejenigen, die sich dem Heilen und Lindern von Krankheiten verschrieben haben, Menschen dabei helfen, aus dem Leben zu scheiden? Wer sich jedoch bereits mit Patienten auseinandergesetzt hat, deren sehnlichster Wunsch es ist, ihrem Leben eigenmächtig ein würdiges Ende zu setzen, sieht das anders.
Es gibt zahlreiche Krankheitsbilder, vom Querschnitt bis zur austherapierten Tumorerkrankung, bei denen keine Heilung oder Besserung mehr in Sicht ist. Die Patienten fürchten ein langsames, qualvolles Siechtum oder den Moment, in dem sie vollständig die Kontrolle über den eigenen Körper verlieren. Hier scheint es menschlich und würdevoll, den Wunsch eines Patienten nach Selbstbestimmung zu respektieren.
Kaum ein Thema wurde unter Medizinern so kontrovers diskutiert wie die Sterbehilfe. In einem Schreiben forderten 180 deutsche Mediziner 2015 von der Bundesärztekammer ein Bekenntnis zur Sterbehilfe. Dort steht beschrieben: “Es ist nicht nur ethisch vertretbar, sondern hilfreich und human, einen schwerstleidenden Patienten nicht im Stich zu lassen”. Der Präsident der deutschen Ärzteschaft Frank Ulrich Montgomery lehnte damals jedoch die ärztliche Beihilfe zum Tod und den assistierten Suizid damals grundsätzlich ab. Das Argument: Sterbehilfe sei nicht mit dem medizinischen Berufsethos vereinbar.
“Suizidbeihilfe” seit Februar 2020 erlaubt
Allerdings hatten viele weitere Betroffene die Ansicht des Wunsches nach Selbstbestimmung und den Wunsch nach einem würdevollen Ableben. Im Zuge dessen erhoben sie verstärkt gegen Paragraph 217 des StGB Beschwerde. Darunter waren schwer kranke Menschen, welche Suizidhilfe in Anspruch nehmen möchten sowie Vereine mit Sitz in Deutschland und der Schweiz, die Suizidhilfe anbieten.
Ebenso klagten Ärzte und Ärztinnen, welche in der ambulanten oder stationären Patientenversorgung tätig sind. Diese waren besorgt, zur Rechenschaft hinsichtlich palliativmedizinischer Behandlungen Schwerkranker gezogen zu werden. Denn dies fällt unter die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung. Darüber hinaus wünschten sich viele MedizinerInnen, frei über die Gabe eines tödlichen Medikaments für todkranke Personen entscheiden zu dürfen, wenn diese es sich selbst sehnlichst wünschen.
Am 26. Februar 2020 war es dann soweit: Der Paragraph 217 wurde als nichtig erklärt, nachdem eine mündliche Verhandlung im April 2019 durchgeführt wurde, wobei Gegner und Befürworter der Suizidbeihilfe zu Wort kamen. Letztendlich wurde die Gesetzeslage zur geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt. Es handele sich dabei um ein Grundsatzurteil, welches jedem Individuum das Recht einräume, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen und die Hilfe anderer in Anspruch zu nehmen.
Aktive Tötung
Als Aktive Tötung wird die vom Arzt getroffene Entscheidung, den Patient zu töten, z.B. mit einer Giftspritze gewertet. Sie wird mit dem jeweiligen Patienten nicht besprochen. Daher ist sie in jedem Fall eine Straftat und gilt als Mord oder Totschlag.
Fazit
Wenn es um Sterbehilfe geht, gibt es – sofern es sich um assistierten, von der schwer kranken Person gewollten Suizid handelt – Meinungen sowie Auffassungen, welche auseinander gehen. Dennoch ist es von hoher Relevanz, die Menschen, welche mit einer schweren Behinderung oder lebenslangen Erkrankung kämpfen müssen, ihre Entscheidungen selbst treffen zu lassen. Das ist im Grundgesetz verankert.
Aus diesem Grund ist es ein großer Schritt und eine neue Richtung, welche Deutschland mit der Aufhebung des Verbots geschäftsmäßiger Sterbehilfe einschlug.