Die Nachfrage nach alternativen Heilmethoden steigt. Die ausschließlich mit den Händen praktizierte Osteopathie ist in den USA der Schulmedizin gleichgestellt und wird auch in Deutschland immer populärer. Warum vertrauen Patienten auf die Kraft der sanften osteopathischen Medizin? Wie behandelt ein Ostheopath? Welche Leiden lassen sich lindern? Eine übersichtliche Einführung in die Osteopathie.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Osteopathie?
Die Osteopathie ist eine manuelle Heilmethode, die den Körper als Ganzes betrachtet. Krankheiten oder Symptome im eigentlichen Sinne werden nicht behandelt, vielmehr deren Ursachen. Zur Diagnosestellung und Behandlung nutzt ein Ostheopath nur die Hände. Durch gezielten Druck werden Funktionsstörungen und Blockaden im Körper gelöst, die als ursächlich für eine Krankheit oder ein Symptom angesehen werden. Daher gilt die osteopathische Medizin als sanft und ist für Patienten in jedem Alter geeignet, selbst für Säuglinge.
Der Begriff Osteopathie leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet in etwa “Leiden der Knochen”. Die Heilmethode betrachtet und behandelt jedoch auch andere anatomische Strukturen. So wird die Lehre in drei Bereiche unterteilt, die parietale, craniosacrale und viszerale Osteopathie, die jeweils den Bewegungsapparat, den Schädel und das zentrale Nervensystem sowie die inneren Organe im Fokus sehen. Ziel der osteopathischen Medizin ist es, Einschränkung in allen drei Gebieten zu eliminieren und ihre harmonische Funktion herzustellen. Der Ostheopath macht bei der Untersuchung und Behandlung diese Unterteilung allerdings nicht, der Patient wird stets in seiner Gesamtheit betrachtet.
Begründet hat die Osteopathie der US-amerikanische Arzt Andrew Taylor Still vor inzwischen über 140 Jahren (1874). Still begriff, dass der menschliche Körper starke Selbstheilungskräfte besitzt, die gelegentlich von außen aktiviert werden müssten. Basierend auf dieser Annahme entwickelte der Mediziner die Osteopathie. In den USA hat sich die Heilmethode schnell verbreitet und wird inzwischen als eine eigenständige Form der Medizin angesehen. Dort ist der Ostheopath dem Schulmediziner gleichgestellt. Hierzulande ist die Osteopathie hingegen noch nicht einheitlich gesetzlich geregelt. So fehlt derzeit in Deutschland noch die gesetzliche Berufsanerkennung als Ostheopath, die Fachverbände kämpfen dafür. Gesetzlich vorgeschrieben für die Arbeit als Ostheopath ist hingegen ein medizinischer Beruf, da die Osteopathie in Deutschland als Heilkunde gilt.
Was macht ein Osteopath?
Ein Osteopath führt bei einem Patienten zunächst eine Diagnose des Körpers durch. Dafür nutzt er sein umfassendes Wissen über Anatomie und Physiologie des menschlichen Körpers. Er verschafft sich einen Überblick über mögliche Ursachen von Beschwerden von Patienten wie Bewegungseinschränkungen. Dazu wird die Palpation eingesetzt, also das Abtasten des Patienten mit den Händen, um Blockaden im Körper festzustellen.
Nach der Diagnose erfolgt die Behandlung durch den Osteopathen. Auch diese erfolgt rein manuell mit den Händen des Behandlers. Entsprechend kommen Techniken aus dem osteopathischen Behandlungsspektrum zum Einsatz, welche aus verschiedenen Grifftechniken bestehen. Ziel dabei ist es immer, die Ursachen zu behandeln und nicht die Symptome, um anschließend den Körper selbst heilen zu lassen.
Wie wird man Osteopath?
In Deutschland führen unterschiedliche Ausbildungswege in den Beruf. Die schulische Ausbildung erfolgt vorrangig an privaten Osteopathie-Schulen, berufsbegleitend oder in Vollzeit. Die berufsbegleitende Ausbildung richtet sich primär an Ärzte (approbierte Ärzte der Humanmedizin, d.h. sowohl Assistenzarzt als auch Facharzt) und Heilpraktiker und umfasst 1350 Unterrichtsstunden, die in Wochenendseminaren über mindestens vier Jahre absolviert werden. Die Vollzeitausbildung dauert hingegen fünf Jahre und umfasst über 5000 Unterrichtseinheiten, sie richtet sich vorrangig an Abiturienten. Am Ende der Vollzeitausbildung muss eine staatliche Heilpraktikerprüfung ablegt werden.
Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit Osteopathie zu studieren, das Studium gliedert sich in Bachelor und Master (B.Sc. und M.Sc.). Das achtsemestrige Bachelor-Studium besteht aus Theorie und Praxis und beinhaltet neben den verschiedenen osteopathischen Techniken auch die medizinischen Grundlagen. Während für das Medizinstudium die Hürden für das Ergattern eines Studienplatzes sehr hoch sind, kann in diesem Bereich ein Studium ohne NC durchgeführt werden.
Osteopathie – Behandlung
Vor der eigentlichen Behandlung kommt die Anamnese, in der der Ostheopath nach aktuellen Beschwerden und der Krankheitsgeschichte des Patienten fragt. Bei einer osteopathischen Behandlung ist das Risiko für Nebenwirkungen gering. Dennoch gibt es einige Erkrankungen, bei denen der Osteopath auf kraftaufwendige Techniken der Osteopathie verzichten muss. Dazu zählen etwa Blutungen, Knocheninfektionen und starke Osteoporose.
Nach der Anamnese legt sich der Patient auf eine Behandlungsbank. Der Osteopath untersucht und behandelt mittels seiner geschulten Hände. Sie erspüren an welchen Stellen im Körper es zu viel oder zu wenig Spannung gibt und wo gewebliche Aktivität eingeschränkt ist oder zugenommen hat. Die erspürten Funktionsstörungen werden direkt mit verschiedenen manuellen Techniken behandelt, die die Selbstheilungskräfte des Körpers aktivieren. Daher gehen Untersuchung und Behandlung fließend ineinander über. Die Behandlungsdauer liegt bei 45 bis 60 Minuten. Abhängig von den Beschwerden kann bereits eine Behandlung reichen. Manchmal sind drei, fünf oder zahlreiche Sitzungen über einen längeren Zeitraum empfehlenswert. Eine erste Besserung bemerken Patienten innerhalb weniger Tage, die volle Wirkung erst nach etwa zwei Wochen.
Der Osteopath kann zahlreiche Beschwerden therapieren, darunter Verspannungen, Bandscheibenvorfälle, Hexenschüsse, Verletzungen der Bänder, der Muskeln und des Skeletts, Tinnitus Aurium, Migräne, Allergien und hormonelle Störungen. Bei Notfällen und akuten Infektionen sowie ernsthaften Erkrankungen, die die Selbstheilungskräfte des Körpers übersteigen (beispielsweise Herzinfarkt, Krebs, schwere Infektionskrankheiten), ist die schulmedizinische Behandlung hingegen dringend vorzuziehen. In solchen Fällen kann eine osteopathische Therapie nur begleitend zur Schulmedizin eingesetzt werden.
Osteopathie – Kosten
Der Osteopath berechnet je nach angewandter osteopathischer Technik pro Sitzung 60 bis 150 Euro. Eine Sitzung dauert in der Regel zwischen 45 und 60 Minuten.
Zur Festsetzung der Kosten besteht eine Berufsständische Gebührenordnung, welche die Kostensätze entsprechend definiert. In den Leistungskatalogen der gesetzlichen Krankenkassen ist das Gebiet Osteopathie hingegen nicht berücksichtigt.
Kostenerstattung durch Krankenkasse?
Zahlreiche private und rund 100 gesetzliche Krankenkassen beteiligen sich zumindest anteilig an den Kosten. Darunter sind etwa die Techniker Krankenkasse, BIG direkt gesund und AOKs mehrerer Bundesländer. Für Patienten lohnt es sich vor dem Besuch eines Osteopathen bei der eigenen Krankenkasse nachzufragen, ob die Kosten erstattet werden.
Die Voraussetzung zur Kostenerstattung ist, dass die Osteopathie Behandlungen von einem Arzt oder einem Heilpraktiker (mit der Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz) durchgeführt werden. Häufig wird die Anzahl der bezuschussten Behandlungen pro Kalenderjahr jedoch gegrenzt, zudem verlangen einige Kassen, dass der Osteopath Mitglied eines Berufsverbandes ist oder eine definierte Mindestzahl an Unterrichtsstunden absolviert hat.
Osteopathie – Erfahrungen und Studien
Die osteopathische Medizin kennt Therapien für zahlreiche Krankheitsbilder des Bewegungsapparates, im Hals-Nasen-Ohren-Bereich, im gynäkologischen und urogenitalen Bereich sowie in der Kinderheilkunde. Viele Patienten haben in diesen Bereichen gute Erfahrungen mit der Osteopathie gemacht.Was wissenschaftliche Studien angeht, ist die Wirksamkeit der Mehrzahl dieser osteopathischen Therapien bisher nicht ausreichend belegt.
Anders sieht die Evidenzlage bei unspezifischen Rückenschmerzen aus (akut und chronisch). Zu dieser Thematik wurden zahlreiche Studien durchgeführt. Eine Metaanalyse uner Übersichtsstudie (deutsche Kurzübersicht: http://www.osteopathie.de/up/datei/osteopathe_bei_rs_kurz.pdf) hat belegt, dass die Osteopathie bei bei unspezifischen Rückenschmerzen sowohl den Schmerz linderte als auch den funktionellen Status verbessert – und somit genauso wirksam ist wie die Schulmedizin.
Ganzheitliche Medizin im Überblick
1. Hinkelthein, Zalpour: Diagnose- und Therapiekonzepte in der Osteopathie, Springer (Verlag), 2. Auflage, 2011
2. Sonnenschmidt: Wege ganzheitlicher Heilkunst, Sonntag (Verlag), 2. Auflage, 2008
3. Dr. med. Anselm Müller: Sanftes Heilen mit Osteopathie, Weltbild (Verlag), 1. Auflage, 2008