Ob Ayurveda, Akupunktur, Schüssler Salze oder doch Osteopathie – die alternative Medizin ist längst mehr als nur eine fragwürdige Praxis ohne wissenschaftliche Belege. Sie erfreut sich weltweit immer größerer Beliebtheit. Viele Methoden zählen heute sowohl für Patienten als auch für Mediziner, zu den selbstverständlichen Praktiken unseres Gesundheitssystems. Doch wie wirkungsvoll sind die verschiedenen Methoden und warum greifen so viele Patienten auf die Alternativmedizin zurück?
Inhaltsverzeichnis
Alternative Medizin: Methoden im Überblick
Die Alternativmedizin wird auch häufig Komplementärmedizin genannt. Im lateinischen bedeutet „komplementär“ so viel wie Ergänzung. Kaum ein Erkrankter möchte die Fortschritte der klassischen Medizin mehr missen. Viele Patienten schwören jedoch auf die teils uralten Traditionen der verschiedenen alternativen Heilmethoden. Denn die alternative Medizin kann die klassische Schulmedizin in vielen Fällen ergänzen, manchmal sogar ersetzen. Der Mensch als Ganzes steht im Mittelpunkt und erhält eine individuell auf ihn zugeschnittene Behandlungsform. Faktoren wie Ernährung, Psyche, oder auch Lebensumstände werden in die Therapie miteinbezogen. So nutzen rund 60 Prozent der Deutschen alternative Heilverfahren.
Die Wirksamkeit vieler Methoden, ist bisher jedoch noch nicht ausreichend wissenschaftlich belegt. Zu den gängigsten und bekanntesten Methoden der Alternativmedizin zählen die Akupunktur, Akupressur, Aromatherapie, Atemtherapie, Ayurveda, Homöopathie, Hypnotherapie, Osteopathie, Phytotherapie, progressive Muskelentspannung und das autogene Training sowie Yoga und Meditation. Diese Methoden werden in den folgenden Abschnitten näher vorgestellt.
Akupunktur
Die Akupunktur ist ein traditionelles Heilverfahren der chinesischen Medizin und hat sich sowohl in China als auch in anderen asiatischen Ländern in den letzten 2500 Jahren entwickelt. Die chinesische Medizin geht von einer Lebensenergie aus die Qi genannt wird. Sie fließt durch den menschlichen Körper, bildet dort ein Netzwerk aus Energie und ist an über 700 Punkten unter der Hautoberfläche leicht erreichbar. Ist der Energiefluss jedoch beispielsweise durch psychische Belastung oder falsche Ernährung gestört, kann dies zu Krankheiten oder Schmerzen führen. Die Akupunktur kann wirksam gegen Schmerzen, Erkrankungen der Atemwege oder des Verdauungstrakts, Gelenkbeschwerden, oder auch im Falle neurologischer Probleme angewendet werden. Bei einer traditionellen Akupunkturbehandlung, welche meist 20-30 Minuten andauert, werden dem Patienten feine Nadeln in verschiedene Punkte seines Körpers gestochen. Der Energiefluss soll reguliert werden, sodass Blockaden und Störungen gelöst werden können.
Akupressur
Die Akupressur ist der Akupunktur sehr ähnlich, denn auch sie beruht auf dem Fluss der Lebensenergie Qi. Im Falle der Akupressur sind jedoch keine Nadeln notwendig. Wie die Akupunktur geht auch die Akupressur davon aus, dass die Lebensenergie durch verschiedene Meridiane des Körpers läuft. Der Energiefluss kann mittels verschiedener Drucktechniken an den verschiedenen Punkten reguliert werden. Ist ein Energiemangel vorhanden, so lässt er sich durch rechtsdrehende Bewegungen regulieren. Besteht hingegen ein Energieüberschuss, können linksdrehende Bewegungen dämpfend wirken. Die Akupressur kann bei Symptomen wie Verspannungen, Schmerzen, Übelkeit, Schlafstörungen, sowie Verdauungsproblemen und Atemwegserkrankungen Abhilfe schaffen.
Aromatherapie
Bei dem alternativen Heilverfahren der Aromatherapie, werden ätherische Öle zur Linderung einzelner Beschweren oder zur Entspannung des Körpers eingesetzt. Die Therapie mit Heilpflanzen, aus denen die ätherischen Öle gewonnen werden, bezeichnet man auch als Phytotherapie. Die Behandlung erfolgt meist mittels Massage, Inhalation, Kompressen, Bäder oder Verdampfung über eine Duftlampe. Man sagt ätherischen Ölen das Stimulieren der Sinne sowie Körper und Geist nach. Besonders popula ist Lavendelöl aufgrund seiner beruhigenden Wirkung. Orangen- und Zitronenöl wirkt dagegen stimmungsaufhellend und Jasminöl soll eine antidepressive Wirkung haben.
Alternative Atemtherapie
Die alternative Atemtherapie geht davon aus, dass der Atem eng mit allen körperlichen und psychischen Funktionen vernetzt ist und diese somit positiv beeinflussen kann. Vor allem Depressionen und Angstzustände lassen sich positiv mit Atemtechniken beeinflussen. Die alternative Atemtherapie eignet sich sowohl für Patienten mit geschwächter Atemfunktion, als auch für Menschen, welche an ihrem Körperbewusstsein und ihrer inneren Ausgeglichenheit arbeiten möchten. Zu den alternativen Atemtechniken zählen Methoden wie das Qigong der traditionellen chinesischen Medizin, der erfahrbare Atem nach I. Middendorf oder auch das Pranayama des Yoga.
Ayurveda
Ayurveda stammt aus Indien und bezeichnet eine umfassende Sicht auf das Leben. Wer nach dem ayurvedischen Prinzip lebt, geht davon aus, dass die Gesundheit nur gewährleistet werden kann, wenn Körper, Geist und Seele im Einklang mit der Welt sind. Ayurveda basiert auf den 3 grundlegenden Kräften Vata, Pitta, Kapha. Dem ayurvedischen Prinzip stehen verschiedene Behandlungsmethoden zur Verfügung wie eine spezielle Ernährung, Öl- und Trockenmassagen, Leben im Einklang mit bestimmten Tages- und Jahreszeiten oder auch Yoga und Meditation. Besonders wirksam ist Ayurveda bei psychosomatischen Störungen wie Migräne, Schlafstörungen, Magenschmerzen oder auch Bluthochdruck.
Homöopathie
Auch die Homöopathie geht davon aus, dass eine gestörte Lebenskraft verantwortlich für Krankheiten ist. Während sich die Schulmedizin der Behandlung bestimmter Symptome widmet, setzt die Homöopathie darauf, den Mensch als Ganzes und nicht nur dessen Symptome zu heilen. Die homöopathische Behandlung basiert auf dem sogenannten Ähnlichkeits-Prinzip. Man geht davon aus, dass ein Mittel, welches bei gesunden Menschen bestimmte Symptome auslöst, bei Erkrankten zur Linderung der Symptome führen kann. Die Homöopathischen Mittel bestehen meist aus pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Substanzen, welche sehr stark verdünnt sind und als Kügelchen, Tropfen, Tabletten oder auch Salben erhältlich sind. Das Anwendungsgebiet der Homöopathie ist breit gefächert und reicht von psychischen bis psychosomatischen Krankheiten. Auch chronische Krankheiten, Hautkrankheiten oder Allergien sollen gut auf die Behandlung ansprechen.
Hypnotherapie
Die Hypnotherapie gilt als älteste Heilmethode der Welt und kann dort wirken, wo Medikamente oder andere Behandlungsformen wirkungslos sind. Bei der Hypnotherapie wird der Patient in eine sogenannte hypnotische Trance, also einen veränderten Bewusstseinszustand, versetzt. Im Zustand der Trance setzen physiologische Veränderungen wie Muskelentspannung oder auch Blutdruckregulation ein. Auch mentale Veränderungen wie das Gefühl einer intensiven Gelassenheit und Ausgeglichenheit sind zu verzeichnen. Im Zustand der Trance wird die Aufmerksamkeit auf das innere Erleben gerichtet. Die Stimmung und das Wohlbefinden kann somit positiv beeinflusst werden. Die Hypnotherapie eignet sich besonders bei Ängsten, Depressionen oder traumatischen Erfahrungen. Auch chronische Schmerzen oder psychosomatische Störungen sprechen in der Regel gut auf die Behandlung der Hypnotherapie an.
Osteopathie
Auch die Osteopathie zählt zu den alternativen Behandlungsformen und geht von der Ganzheit aller Körpersysteme aus. Die Osteopathie zeichnet sich durch spezielle Grifftechniken am muskuloskelettalen System (zu dem Muskeln, Knochen, Gelenke und Faszien gehören) aus und besagt, dass die Selbstheilungskräfte des Körpers somit aktiviert werden. Zu den verschiedenen Techniken der Osteopathie zählen die Muskel-Energie-Technik, die Faszien-Release-Technik, die Viszerale Technik sowie die Impulstechnik und die Cranio-Sacral-Therapie. Eine osteopathische Behandlung ist bei Erkrankungen des Bewegungsapparats, Magen-Darm-Beschwerden, Schmerzen sowie bei emotionalen Beschwerden besonders wirksam.
Phytotherapie
Als Phytotherapie bezeichnet man die Pflanzenheilkunde. Die alternative Methode vertraut auf die heilende Wirkung verschiedener Pflanzen und Kräuter sowie dessen milde und sanfte Wirkung, ganz nach dem Motto „Gegen jedes Leiden ist ein Kräuterlein gewachsen“. Die Wirkung der Phytotherapie tritt jedoch meist erst nach einigen Tagen ein und wird am häufigsten als Teerezeptur angewandt. Allerdings sind die pflanzlichen Wirkstoffe auch oftmals in Massageölen oder Badezusätzen enthalten. Besonders gut eignet sich die Behandlung mit Heilpflanzen bei Erkältungen, Darmproblemen sowie Hauterkrankungen oder Schlafstörungen.
Progressive Muskelentspannung und autogenes Training
Sowohl die progressive Muskelentspannung als auch das autogene Training zählen zu den beliebtesten Entspannungsverfahren. Jeder Muskel des menschlichen Körpers verfügt über eine gewisse Grundspannung. Übt man die progressive Muskelentspannung nach Jacobs aus, werden bestimme Muskelpartien nacheinander gezielt angespannt und nach circa 5 Sekunden wieder entspannt. Die Spannung des Muskels sinkt somit unter das Niveau der Grundspannung und führt einen Entspannungszustand herbei. Durch bewusste Konzentration, eine intensive Körperwahrnehmung und autosuggestiven Formen wie „Ich bin ganz ruhig“ oder „Meine Beine sind ganz schwer“ bringt man den Körper beim autogenen Training in einen tiefen Entspannungszustand. Das Autogene Training kann sowohl im Liegen als auch im Sitzen erfolgen. Beide Techniken lassen sich nach dem Erlernen selbst durchführen und sind bei Stress, Ängsten, innerer Unruhe, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen oder auch Kopfschmerzen sehr effektiv.
Schüssler Salze
Wilhelm Heinrich Schüssler entdeckte 12 Mineralverbindungen, die im menschlichen Körper vorkommen und welche er als Funktionsmittel bezeichnete. Ihm zufolge beruhen Krankheiten auf Missverhältnissen und Mangelerscheinungen der Salze. Schüssler erweiterte seine Empfehlung im Nachhinein um 15 weitere Salze, sogenannte Ergänzungsmittel. Zu den 12 Funktionsmitteln sowie den 15 Ergänzungsmitteln zählen unter anderem Calciumfluorid, Calciumphosphat, Eisenphosphat, Kaliumchlorid, Lithiumchlorid, Zinkchlorid, Kupferarsenit, Natriumchlorid/Kochsalz, oder auch Kieselsäure. Schüssler Salze zählen zu den Homöopathischen Arzneimitteln und sind stark verdünnt erhältlich, damit die Salze leichter in die Körperzellen eindringen können. Schüssler Salze können bei Erkältungen oder Schlafstörungen angewendet werden. Sie sollen auch unterstützend bei der Gewichtsreduktion wirken und für starke Nägel, Haut und Haare sorgen.
Yoga und Meditation
Sowohl Meditation als auch Yoga können das körperliche und geistige Wohlbefinden steigern. Ähnlich wie beim autogenen Training, erreicht man auch durch Meditation einen Zustand der tiefen Entspannung. Indem man sich auf einen bestimmten Gedanken, eine bestimmte Melodie oder einen bestimmten Duft konzentriert, soll der Geist zur Ruhe kommen. Die Wirksamkeit ist sogar wissenschaftlich belegt. Regelmäßige Meditation kann die Stresshormone im Blut senken und sich positiv auf das vegetative Nervensystem auswirken. Auch die regelmäßige Ausübung von Yoga kann positiv auf Körper und Geist wirken. Yoga ist ein ganzheitliches Gesundheitskonzept, die verschiedenen Atem-und Bewegungsübungen werden den individuellen Beschwerden des Patienten angepasst. Traditionelle Yoga-Arten kombinieren Atemübungen, mit Meditation und körperlichen Übungen. So ist Yoga nicht nur bei Rückenproblemen hilfreich, sondern auch bei Asthma, Bluthochdruck, Stress oder auch bei Depressionen und Schlafproblemen.
Wunder oder Wissenschaft: Wie ist die Wirkung der alternativen Medizin?
Kritische Stimmen behaupten oftmals, dass sich die Behandlungserfolge der alternativen Medizin hauptsächlich auf Placebo-Effekte zurückführen lassen. Denn schließlich besagt ein Sprichwort: „Was keine Nebenwirkungen hat, kann auch keine Wirkung haben“. Leidet ein Patient jahrelang an chronischen Schmerzen, so wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit verschiedene Behandlungsmethoden ausprobieren. Kommt es nach einer bestimmten Therapieform zu einer plötzlichen Besserung der Symptome und nach einer anderen Therapieform zur Verschlechterung, muss sich dies nicht zwangsweise auf die Therapieform zurückführen lassen. Denn oftmals treten solche Schwankungen tatsächlich im normalen Verlauf einer chronischen Krankheit auf.
Auch die Änderung der Lebensumstände kann während einer chronischen Erkrankung zu Schwankungen im Krankheitsverlauf führen. Doch einige alternative Heilverfahren sind nachweislich wirksam bei bestimmten Krankheiten und werden oftmals bereits von der Schulmedizin empfohlen. Denn obwohl die genaue Wirkung von Akupunktur noch nicht restlos wissenschaftlich belegt ist, so weiß man heute dass die feinen Nadelstiche zu einer vermehrten Ausschüttung schmerzlindernder und stimmungsaufhellender Hormone führen. Studien zufolge ist bei der Therapie von chronischen Schmerzen, nachweislich eine bessere Wirksamkeit mit regelmäßiger Akupunktur zu erreichen, als mit herkömmlichen Therapiemethoden wie Medikamenten oder Massagen.
Auch die Meditation erfreut sich über einige wissenschaftlich nachgewiesene Vorteile. So können regelmäßige Meditationsübungen nicht nur die Funktion unseres Gehirns verbessern, sondern auch dessen Struktur verändern. Auch die Stressreduktion bedingt durch Meditation sowie das verringerte Risiko an Herzerkrankungen zu leiden, ist nun wissenschaftlich bewiesen. Des Weiteren belegen Studien die wissenschaftliche Wirkung der progressiven Muskelentspannung bei Angst- und Spannungszuständen und den damit verbundenen körperlichen Beschwerden.
Warum greifen die Menschen zur alternativen Medizin?
In erster Linie finden alternative Heilverfahren bei Menschen Anklang, die an einer chronischen Erkrankung wie beispielsweise Migräne oder Allergien leiden und schulmedizinisch oftmals nicht die gewünschten Erfolge erzielten. Die Patienten möchten sich mit ihrem Leiden nicht abfinden und sind deshalb auf der Suche nach Alternativen. Andererseits ist die Alternativmedizin beliebt, wenn ein natürlicher Weg gesucht wird, den Beschwerden Linderung zu verschaffen oder wenn eine aktivere Rolle in der Krankheitsbewältigung eingenommen werden möchte.
Auch der bereits seit längerem anhaltende Trend, sich intensiver mit einem gesunden Lebensstil zu beschäftigen, trägt dazu bei, dass die alternative Medizin immer mehr in den Vordergrund rückt. Womöglich spielt auch die Furcht vor den Nebenwirkungen der Schulmedizin keine unwesentliche Rolle bei der zunehmenden Beliebtheit alternativer Heilmethoden. Doch hauptsächlich klagen viele Erkrankte über einen mangelnden persönlichen Bezug im Bereich der klassischen Medizin. Die seelischen und sozialen Aspekte, welche mit einer Erkrankung einhergehen, bleiben weitestgehend unbeachtet. Die Alternativmedizin hingegen, beruht auf intensiver Kommunikation und emotionaler Zuwendung. Die seelischen Probleme des Patienten werden individuell berücksichtigt. Auch die Arzt-Patienten-Beziehung ist meist intensiver als im Bereich der klassischen Medizin.
Wann alternative Medizin sinnvoll sein kann
Grundsätzlich sind die Anwendungsgebiete der alternativen Medizin sehr vielfältig. Im Allgemeinen geht sie jedoch davon aus, dass Krankheiten durch ein inneres Ungleichgewicht von Körper, Geist und Seele ausgelöst werden. Fakt ist: Die Komplementärmedizin ist fester Bestandteil unseres Gesundheitssystems und kaum noch wegzudenken. Die alternative Medizin ist bei vielen Erkrankungen sicher keine reine Alternative zur klassischen Schulmedizin, jedoch kann sie in vielen Fällen ergänzend wirken. Denn vielmehr geht es um das Miteinander und nicht Gegeneinander verschiedener Therapien, um Erkrankten die bestmöglichen Behandlungsmethoden zu gewährleisten. So kann die Komplementärmedizin vor allem zur Linderung von Nebenwirkungen oder zur Behandlung chronischer Erkrankungen angewendet werden. Besonders sinnvoll ist die Alternativmedizin jedoch vor allem dann, wenn der Alltagsstress mal wieder überhand nimmt und das innere Gleichgewicht aus den Fugen gerät.
Ganzheitliche Medizin im Überblick
1. Ernst, E.: Praxis Naturheilverfahren. Springer, Berlin 2005
2. Wie wirkt Akupunktur? www.daegfa.de (08.07.2020)
3. PME ist ein wirksames Entspannungsverfahren www.infothek-gesundheit.de (07.07.2020)
4. K. Schuhmacher: Alternativmedizin, Springer (Verlag), 2017