Famulatur in Papua-Neuguinea (PNG), das ist die Chance auf ein Praktikum in einem versteckten Paradies. Es ist aber auch kein einfaches Land und nicht so leicht zu bereisen. Man sollte mindestens eine andere Auslandserfahrung voraussetzten, bevor man sich hierher wagt. Wer sich aber traut, wird mit einer unglaublichen Insel, tollen Menschen und Erfahrungen belohnt, die Grundsätze verändern.
Inhaltsverzeichnis
Vorbereitung Famulatur Papua-Neuguinea
Aus persönlich-familiären Gründen wollte ich schon immer nach Papua-Neuguinea und sah mich nach einer Famulatur in den USA (verlinken) und vielen Gesprächen mit Leuten, die dort gewesen waren, diesem Erlebnis auch endlich gewachsen.
Beworben habe ich mich fast 1,5 Jahre im Voraus bei der Diakonie Neuendettelsau, die regelmäßig Missionare und Ärzte in die Südsee entsendet. Wer hier bereits stockt, das Ganze war viel weniger kirchlich, als man es bei dem Wort Diakonie vielleicht erwartet. Nach freundlicher Anfrage wurden mir die Kontaktdaten von Ärzten vor Ort, genauer in Butaweng im Brown Memorial Hospital, gegeben, mit denen ich den genauen Zeitraum festlegen konnte.
Tatsächlich habe ich sechs Wochen vor Ort verbracht. An- und Abreise zum Krankenhaus alleine werden für eine weiße junge Frau nicht empfohlen. Mir wurde also eine Fahrt mit Missionaren, die in der Nähe stationiert waren organisiert. Unentbehrlich war außerdem ein Sprachkurs in „Tok Pisin“, der von Neuendettelsau einmal im Jahr angeboten wird. Viele der Niuginis in den Städten sprechen Englisch, aber in einem Land mit über 800 Sprachen reicht das nicht mehr aus. Wer Englisch sicher beherrscht, dürfte mit der Mischsprache Tok Pisin, aber keine großen Schwierigkeiten haben.
Die lange Bewerbungszeit war außerdem ganz nützlich für das Buchen von Flügen. Am Schluss habe ich es aufgegeben einen günstigen Flug selbst zusammenzubasteln und mich an das Reisebüro, das mir die Diakonie vorgeschlagen hatte, gewandt. Flüge erreichen allesamt PNG in der Hauptstadt Port Morsby. Von dort aus geht es mit kleinen Maschinen weiter zu anderen Städten. Der allerletzte Abschnitt meiner Anreise war eine 3-stündige Bootsfahrt. Kostenpunkt der Flüge waren ca. 2.000 Euro. Die Währung vor Ort, Kina, lässt sich am besten und sichersten am Flughafen in Port Morsby umtauschen. Vorab in Deutschland ist sie nicht erhältlich. Nach den teuren Flügen gab es vor Ort allerdings kaum noch etwas zu bezahlen, dem guten Wechselkurs sei Dank.
Papua-Neuguinea – Land und Leute
Papua-Neuguinea die östliche Hälfte der Insel Neuguinea, der zweitgrößten Insel nach Grönland, die nördlich von Australien liegt. Es beherbergt etwa 7,5 Mio. Einwohner.
Durch seine Berge und verschiedenen Landschaften beherbergt Neuguinea mehrere Klimazonen. Dort wo ich mich aufgehalten habe entsprachen die Temperaturen allerdings dem was man von einem äquatornahen Land erwartet: Es war schwülwarm und es gab täglich einen Regenguss. Interessant zu wissen: Durch seine Lage im pazifischen Feuerring, gibt es regelmäßig kleine Erdbeben vor allem am frühen Morgen. Bis auf eins habe ich sie leider alle verschlafen.
Neuguinea wird von über 800 Stämmen bewohnt, die alle eine oft komplett eigene Kultur und Sprache besitzen. Um es ein bisschen zu verallgemeinern gibt es „Tok Pisin“, eine Mischsprache, die die meisten beherrschen. Man ist stolz auf sein Dorf und sein Heimatland und selbst wer in Städten wohnt, kehrt regelmäßig zu seinem „ples“ (= Heimatdorf) zurück.
Lebensmittel werden im eigenen Garten hinter dem Haus oder Dorf angebaut und wenn nötig getauscht oder verkauft. Eine typische Mahlzeit, das sogenannte „garden kaikai“, besteht aus Reis, Kumu (einer Art Spinat) und anderem Gemüse, das man so im Garten aufgetrieben hat und zumindest an der Küste aus Fisch.
Es herrscht eine Schulpflicht, weiterführende Bildung ist aber in vielen Gegenden nicht verfügbar und nur für Wenige bezahlbar. Dementsprechend gibt es große Unterschiede in der Bevölkerung. Während die einen ihr Dorf nie verlassen haben und Weiße nur aus Erzählungen kennen, sind viele der in den Städten lebenden Niugiunis geschäftlich mit Australien und Neuseeland zu Gange.
Ärztliche Versorgung in Papua-Neuguinea – alles aus einer Hand
Die medizinische Versorgung in Papua-Neuguinea ist als kritisch zu betrachten. Es gibt sicherlich eine unglaublich hohe Dunkelziffer an Erkrankten, die es nie aus ihrem Dorf in ein Krankenhaus geschafft haben.
Im dichten Dschungel kann es Tage dauern eine Station, die helfen kann, zu erreichen. Leider habe ich es auch erlebt, dass eine junge Frau in einem Luftlinie 20 Kilometer entfernten Nachbardorf verstorben ist, da zuerst familiär keine Einigkeit bestand, ob eine Behandlung überhaupt notwendig sei und dann kein Auto zur Verfügung stand. Einfach so zum Arzt können die wenigsten. Die Familie oder der Ehemann muss zustimmen und die nötige Verpflegung, Geld sowie eine Begleitperson müssen vorhanden sein.
Generell gibt es viel zu wenige Krankenhäuser im Land. Die Versorgung in den Städten funktioniert besser, aber auch hier sind die Kliniken oft überfüllt. Gerüchten zufolge gibt es nur ein CT – in der Hauptstadt. Ein gesetzliches Versicherungssystem wie in Deutschland gibt es nicht.
Da unser ärztliches Team nur aus einem Anästhesisten und einer Chirurgin bestand, gab es nicht nur den einen Fachbereich, dem ich mich zuordnen konnte. Wir haben bearbeitet was wir konnten und sind erfinderisch geworden wo es nötig wurde. Wir haben unter anderem unseren eigenen Sterilisator zusammengebaut, um Instrumente sterilisieren zu können. Da wir auch kein Beatmungsgerät im OP hatten, habe ich komplette Narkosen durchgebeutelt – also Patienten mit dem Beatmungsbeutel beatmet. Wir waren Chirurgen, Innere Mediziner, Infektiologen, Radiologen, Gynäkologen, Pädiater und Pathologen in einem. Es mag chaotisch klingen, aber tatsächlich hat alles gut funktioniert.
Die Ärzte und Pflegenden vor Ort tun was in ihrer Macht steht und vollbringen Unglaubliches mit dem wenigen was sie haben. Sie jedoch mit einer westlichen Klinik zu vergleichen wäre aufgrund der Gegebenheiten mehr als nur unfair. Wir wären dankbar gewesen, uns über die Dinge zu beschweren, über die man sich in Deutschland echauffiert.
Die Famulatur in Papua-Neuguinea
Ich hatte das Glück, bei einem der Ärzte persönlich unterzukommen, was zu schönen gemeinsamen Kochabenden und Gesprächen geführt hat. Die Alternative wäre ein eigenes Guest-House direkt gegenüber gewesen.
Meist sind wir morgens gegen 7:00 die wenigen Meter zur Klinik gelaufen. Gab es Einsätze bei Nacht sind wir sicherheitshalber gefahren oder haben uns abholen lassen. Zusammen mit der Pflege gab es jeden Morgen eine kurze Andacht und die darauf folgende Übergabe. An fixen Tagen in der Woche wurde Visite gemacht, an anderen operiert (Notfälle ausgenommen). Wir haben die Klinik verlassen, wenn alle Arbeit getan war, meistens war das wohl gegen 17:00 der Fall. Theoretisch war das Wochenende frei, allerdings gab es mit nur zwei Ärzten am Start auch oft am Samstag mal einen Kaiserschnitt oder am Sonntag eine Buschmesserverletzung. Meine Aufgabe bestand darin neue Patienten aufzunehmen, bei den OPs zu assistieren und zu nähen, Ultraschalls bei Schwangeren zu machen und die Dinge zu tun, die bei der Visite so anfielen. Alles in allem hatte ich mehr den Status einer PJtlerin als einer Famulantin und durfte dementsprechend viel eigenständig arbeiten.
Es gab die Möglichkeit mit in die umliegenden Dörfer zum Impfen und Ähnlichem zu fahren, teils mit Übernachtung vor Ort. Ich habe in diesem Praktikum mehr praktische Fähigkeiten erlernt, als in allen anderen Studienabschnitten zusammengenommen. Durch unser kleines Team haben wir sehr viel auf Augenhöhe gearbeitet und Fälle zusammen diskutiert. Die Patienten jeden Alters waren immer sehr dankbar für die Behandlung und haben Dinge ausgehalten, die in Deutschland unmöglich gewesen wären. Eine meiner wichtigsten Erkenntnisse dieser Famulatur war tatsächlich, dass der Mensch nicht so schnell stirbt. Und dass es mehr, als nur den einen universitären Weg gibt, ein Problem anzugehen.
Das Krankenhaus und die Betreuung
Das Brown Memorial Hospital in Butaweng ist das einzige Krankenhaus in der weiteren Umgebung und nimmt auf, was anfällt. Die sechs Stationen waren in Männern, Frauen, Kindern, Wöchnerinnen, Tuberkulose geschlossen und Tuberkulose offen unterteilt. Es gab eine Augenarztpraxis (zu meiner Zeit allerdings geschlossen), eine Immediate Care Praxis für Geschlechtskrankheiten und die Out Clinic, die die umliegenden Dörfer besuchte mit Impfstoff, Verhütungsmitteln und einigen Medikamenten für kleiner Probleme. Jeder Patient wird von einem Familienmitglied begleitet die sich um Körperpflege und Versorgung kümmern. Das lässt der Pflege mehr Zeit für medizinische Dinge, wodurch sie am ehesten mit amerikanischen Pflegenden vergleichbar sind. Bei einem Ärzteschlüssel von 1:40-50 war das auch nötig.
Verpflegung für mich und das übrige ausländische Personal, kann etwa einmal pro Monat mit dem Boot aus Lae, der nächstgrößeren Stadt. Tatsächlich habe ich selbst auf meinem Hinflug große Mengen an Infusionsbesteck mitgebracht und auf dem Heimweg die Biopsien des letzten Monats im Labor in Port Morsby abgegeben. Ansonsten sind wir an den Wochenenden zu einem Markt im Nachbardorf gefahren und haben uns mit allen erdenklichen tropischen Dingen eingedeckt. Tatsächlich gab es immer alles was nötig war, die Lieferungen aus der Stadt waren hauptsächlich für Kühlprodukte (Schokolade!) und natürlich Klinikutensilien willkommen. Durch mehrere Stromausfälle wurden wir bald ziemlich erfinderisch, was das Kühlen unserer Lebensmittel anging.
Empfehlungen und Besonderes
Jedem der über seinen Tellerrand hinaus blicken will und den die lange Vorbereitung nicht abschreckt kann ich Neuguinea nur empfehlen. Ich habe mich zu keinem Zeitpunkt unwohl gefühlt, auch wenn es sicher Menschen gibt, die dieses Land als unsicher betrachten würden. Wichtig scheint mir einfach eine gute Vorbereitung. Es sind tolle Erfahrungen wenn man im eigenen Bananengarten das Frühstück vom Baum holt, an einsamen schneeweisen Stränden Kokosnüsse trinkt oder zum Dank für einen Besuch auf dem Dorf Muschelketten geschenkt bekommt. Obwohl es immer viel zu tun gab, habe ich trotzdem das Land und die Leute kennen gelernt. Eine Patientin nahm mich mit in ihr Dorf und stellte mich ihrer Familie vor. Zusammen mit den Kindern der Umgebung waren wir schnorcheln. Ein Nachbar brachte uns abends einfach so einen Hummer vorbei, der einen 5-Sterne Koch neidische gemacht hätte. Papua-Neuguinea ist wahrscheinlich eins der letzten versteckten Paradiese der Welt – man muss sich nur trauen es zu besuchen.