Was gibt es Spannenderes, als gleichzeitig im Studium weiterzukommen, seine Sprachkenntnisse zu verbessern und zu reisen? Für mich kaum etwas. Deswegen habe ich mich entschieden, den Großteil meiner Famulaturen im Ausland zu absolvieren. Das Praktikum in einem anderen Land gibt einem nicht nur die Möglichkeit, neue Krankheitsbilder und ein anderes Gesundheitssystem kennenzulernen, sondern auch einen viel engeren Kontakt zu den Menschen in dem Land aufzubauen und so Einblicke in die Kultur zu bekommen, die man auf einer „normalen“ Tourisenreise kaum bekommen könnte. Deswegen kann ich nur jeden wärmstens empfehlen, eine oder mehrere Famulaturen im Ausland zu machen!
Inhaltsverzeichnis
Da ich seit langem meine geringen Spanischkenntnisse erweitern wollte, habe ich mich entschieden, in Südamerika zu famulieren. Auf der Suche nach einem geeigneten Krankenhaus bin ich auf eine Sprachschule in Ecuador aufmerksam geworden, die sowohl Sprachunterricht als auch Famulaturplätze anbietet. Also genau das Richtige für eine Sprachanfängerin wie mich.
Vorbereitung
Die benötigten Reiseimpfungen hatte ich bereits, deswegen konnte ich mir einen weiteren Besuch bei einem/-r Reisemediziner/in sparen.
Da ich Spanisch nur für ein Jahr in der achten Klasse hatte, habe ich mich mit einem Online-Kurs der VHS vorbereitet. Persönlich fand ich ihn nicht so hilfreich, da die Gruppe sehr groß war und man so das Sprechen selten üben konnte. Generell halte ich es aber für sehr sinnvoll, einen Vorbereitungskurs bis zum A2-Level zu machen, um vor Ort schneller in die Sprache reinzukommen. Sprachlern-Apps können hierbei auch sehr hilfreich sein.
In Ecuador habe ich vor meinem Praktikum einen zweiwöchigen Sprachkurs in der Sprachschule gemacht. Dieser ist obligat und man kann ihn entweder vorher (online oder in Ecuador) oder begleitend zu dem Praktikum machen. Der Sprachkurs hat mir sehr weitergeholfen, ein großer Fokus liegt dabei auch auf dem medizinischen Vokabular.
Auf seiner Packliste sollte man auf jeden Fall einen Adapter, Sonnencreme und warme, regenfeste Kleidung haben. Die für das Krankenhaus benötigten Utensilien kann man auf der Internetseite der Sprachschule anlesen.
Das Krankenhaus und die Betreuung
Das San-Bartolos-Krankenhaus liegt im Norden von Quito, ca. 30 Minuten Busfahrt von der Unterkunft entfernt. Es ist ein privates Krankenhaus, was beutet, dass die Patienten/-innen im Gegensatz zu öffentlichen Krankenhäusern selbst zahlen müssen, falls sie keine Versicherung haben. Räumlich gibt es neben einer Notaufnahme, ca. zehn Zimmer für stationäre Patienten/-innen, vier OP-Säle, ein Labor und ein Röntgen. Die meiste Zeit habe ich in der Notaufnahme verbracht. Diese besteht aus zwei Behandlungsräumen und einem großen Hauptraum mit sechs Behandlungsliegen.
Der Arzt/die Ärztin, welche/r die Famulanten/-innen betreut, ist hauptsächlich für die Notaufnahme zuständig. Das Personal ist jung und motiviert und da es in dem Krankenhaus meistens nicht zu stressig war, gab es viel Zeit für Erklärungen und Anleitungen. Für spezielle Fälle ruft der Arzt/die Ärztin der Notaufnahme eine/n Facharzt/-ärztin an, der/die einem auch gerne viel erklärt. Wichtig ist nur, dass man sich (auch trotz geringer Spanischkenntnisse) immer traut, zu fragen und um Wiederholung bittet, wenn man etwas nicht verstanden hat. Sowohl Patienten/-innen als auch das Krankenhauspersonal haben großes Verständnis dafür, dass man die Sprache neu lernt und Fehler macht.
Der Ablauf der Famulatur
Am ersten Tag wurden mir die Räumlichkeiten des Krankenhauses gezeigt und das Personal vorgestellt. Der Tagesablauf in den weiteren vier Wochen war recht ähnlich: Morgens wurde ich meistens von dem Arzt/der Ärztin der Notaufnahme auf die Station geschickt, um die dort liegenden Patienten/-innen zu visitieren. Die Arztvisite war zu dem Zeitpunkt zwar bereits gelaufen (um 7 Uhr), aber so hatte ich die Möglichkeit, die Patienten/-innen selbst einmal in Ruhe körperlich zu untersuchen und mehr über ihre Krankheitsbilder zu lernen. Anschließend habe ich die Erkenntnisse meiner Visite mit meinem/-r Betreuer/in besprochen und ihm/ihr in der Notaufnahme geholfen. Meistens habe ich die Anamnese und die körperliche Untersuchung durchgeführt, während der Arzt/die Ärztin mir zugeschaut hat. Anschließend wurde ich gefragt, welche weiterführenden Untersuchungen und welche Therapie ich vorschlagen würde.
Die Gespräche mit Patienten/-innen und Ärzten/-innen sind natürlich auf Spanisch. Ich habe mir vor dem Praktikum Sorgen gemacht, ob das mit geringen Spanischkenntnissen gut funktionieren wird. Hier kann ich aber alle, die in einer ähnlichen Situation sind beruhigen: Da die Patienten/-innen meistens auf das schmerzende Körperteil zeigen, kann man sich im Kontext viel herleiten und viele spanische Vokabeln der Medizin ähneln den englischen oder lateinischen Begriffen. Oft stellt man bei der Anamnese immer wieder die gleichen Fragen. Diese kann man sich dann von den Ärzten/-innen abgucken und auswendig lernen. So kommt man über die Zeit sehr gut rein. Außerdem hat man auf der 30-minütigen Busfahrt zum Krankenhaut viel Zeit, um Vokabeln zu lernen.
In der Notaufnahme haben sich Patienten/-innen allen Alters mit einer großen Bandbreite an Krankheitsbildern vorgestellt. Es gab sowohl internistische, chirurgische, unfallchirurgische, orthopädische als auch neurologische Patienten/-innen und so konnte ich alle Fassetten der körperlichen Untersuchung üben.
Mittags habe ich immer mit dem Krankenhauspersonal zusammen in der Cafeteria gegessen. Dort gibt es hervorragendes ecuadorianisches Essen. Nachmittags geht es dann weiter in der Notaufnahme bis ca. 16/17 Uhr. Wenn interessante Operationen anstanden, hatte ich auch immer die Möglichkeit, dort zuzuschauen.
Land, Kultur und Leute
Quito als Hauptstadt Ecuadors hat mir auf Anhieb sehr gut gefallen. Zwar hatte ich in meinen ersten Tagen große Probleme, gleichzeitig zu sprechen und zu Laufen, aber als ich mich dann an die Höhe gewöhnt hätte war es mir eine Freude, die Stadt zu erkunden. Quito hat nämlich sehr viel zu bieten: Neben einer wunderschönen historischen Altstadt, antiken Kirchen und modernen Einkaufszentren gibt es viele unzählige kleine Cafés, Restaurants und Bars und meine vier Wochen haben bei weitem nicht ausgereicht, um meine lange To-Do-Liste abzuarbeiten. Wenn man viel zu Fuß unterwegs ist, sieht man auch immer wieder beeindruckende Street-Art und schöne Parks, in die man sich bei dem guten Wetter setzen kann. Es gibt auch ein sehr großes Freizeitangebot in Quito und meine Nachmittage habe ich oft mit Besuchen in Museen, Salsa- oder Bachata-Kursen oder Filmen in Kinos verbracht.
Da man aber immer wieder von den Einheimischen das Wort „peligroso“ (auf Deutsch „gefährlich“) hört, sollte man sich bei den Spaziergängen an die Empfehlungen der Ecuadorianer/-innen halten und sich nicht in Gebieten aufhalten, die sie für nicht sicher halten. Das habe ich auch so gemacht und habe mich deswegen nie unsicher gefühlt.
Ecuador hat mit vier verschiedenen Vegetationszonen landschaftlich sehr viel zu bieten und nach meiner Famulatur habe ich noch eine kleine Reise durch das Land unternommen. An den Wochenenden kann man von Quito einige Tagesausflüge machen, wie zum Beispiel zur „Mitad del mundo“ (Mitte der Welt), zu einem Nebelwald oder heißen Quellen. Wenn man etwas mehr Zeit hat, lohnt sich auf jeden Fall eine Tour in den Regenwald oder an die Küste. Auch hierbei würde ich auf jeden Fall die EcuadorianerInnen nach Erfahrungen fragen.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich sehr viel (sowohl sprachlich als auch fachlich) während meiner Zeit in Ecuador gelernt habe und eine Famulatur dort sehr empfehlen kann.