Mirtazapin ist ein Antidepressivum zur akuten oder Langzeitbehandlung depressiver Episoden. Der Arzneistoff hat eine stimmungsaufhellende Wirkung. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Müdigkeit und Gewichtszunahme. Mirtazapin ist rezeptpflichtig und wird meist als Tagesdosis in Tablettenform eingenommen.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Mirtazapin?
Mirtazapin ist ein Arzneistoff mit stimmungsaufhellender Wirkung. Er gehört mit seiner chemischen Struktur zur Gruppe der tetrazyklischen Antidepressiva und wird entsprechend zur Behandlung bei Depressionen eingesetzt. Der Wirkstoff verstärkt noradrenerge und spezifisch serotonerge Effekte, indem er bestimmte Rezeptoren für Neurotransmitter im zentralen Nervensystem blockiert. Er kann sowohl zur Akutbehandlung als auch zur Erhaltungstherapie bei depressiven Episoden und Angststörungen eingesetzt werden.
Die Halbwertszeit beträgt etwa 20 bis 40 Stunden, wobei sie bei Frauen deutlich höher liegt als bei Männern. Mirtazapin liegt als weißes, wasserlösliches Pulver vor und wird oral in Form von Film- und Schmelztabletten sowie als Lösung eingenommen. Patentiert wurde Mirtazapin 1976. Mirtazapin ist rezeptpflichtig. Medikamente mit dem Wirkstoff sind in der Apotheke gegen Vorlage eines ärztlich ausgestellten Rezeptes erhältlich.
Mirtazapin – Wirkung
Mirtazapin bewirkt eine Blockade bestimmter Rezeptoren im zentralen Nervensystem, wodurch es eine antidepressive und dämpfende Wirkung besitzt. Die Blockade wirkt an den adrenergen Autorezeptoren sowie den Serotoninrezeptoren, wodurch ihre Hemmung unterdrückt wird. Dadurch sorgt der Wirkstoff also für eine höhere Konzentration der beiden Transmitter. Die antidepressive Wirkung wird allerdings vor allem auf die vermehrte Freisetzung von Noradrenalin zurückgeführt. Der Transmitter hat aktivierende Auswirkungen im Nervensystem, was zu einer Steigerung der Leistungsfähigkeit führt.
Eine weitere hemmende Wirkung hat Mirtazapin zudem auf die Histamin-Rezeptoren. Dadurch besitzt der Wirkstoff leicht sedierende, also beruhigende Eigenschaften. Dies ist insbesondere bei niedrigen Dosierungen der Fall.
Mirtazapin – Anwendung und Dosierung
Mirtazapin wird eingesetzt zur Behandlung einer akuten unipolaren depressiven Episode. Gleichermaßen kann der Arzneistoff aber auch in Form einer Erhaltungstherapie über einen längeren bis anhaltenden Zeitraum präventiv eingenommen werden. Ein zulassungsüberschreitender Einsatz liegt zudem bei Schlafstörungen vor.
Mirtazapin wird in der Regel in Tablettenform zu 30 mg vertrieben. Die Dosierung richtet sich nach den Fachinformationen. Meist wird mit einer anfänglichen Dosis von 15 mg pro Tag begonnen, die dann auf eine Tagesdosis von 30 mg, teilweise bis hin zu 45 mg gesteigert wird.
Wann wird Mirtazapin eingesetzt?
Mirtazapin ist in Deutschland und der Schweiz ausschließlich zugelassen zur Behandlung von depressiven Erkrankungen. Außerhalb des zugelassenen Anwendungsgebiets findet Mirtazapin zudem Einsatz bei Schlaf, Angst- und Panikstörungen. Weitere Off-Label-Anwendungen sind bei posttraumatischen Belastungsstörungen, Sozialphobie sowie in der Schmerztherapie.
Wie wird Mirtazapin richtig eingenommen?
Mirtazapin wird oral verabreicht und typischerweise in Form von Filmtabletten geschluckt. Gleichermaßen kann es auch aufgelöst als Lösung eingenommen werden. Daneben existieren zudem Schmelztabletten, die sich im Mund zersetzen.
Aufgrund der langen Halbwertszeit von 20 bis 40 Stunden genügt eine einzelne Tagesdosis, die vor dem Schlafengehen eingenommen wird. Es ist jedoch auch eine Aufteilung der Tagesdosis möglich, bei der morgens eine geringere Dosis und abends die höhere Dosis verabreicht wird. Die Einnahme erfolgt unabhängig von den Mahlzeiten. Die Dosierung richtet sich nach den geprüften Vorgaben, beziehungsweise den Angaben des behandelnden Arztes.
Nach ungefähr sechs Monaten ohne Beschwerden ist ein langsames Absetzen von Mirtazapin häufig möglich, sollte jedoch nur in Absprache mit dem Arzt erfolgen. Obwohl Mirtazapin nicht abhängig macht, kommt es bei einem plötzlichen Absetzen mitunter zu Absetzsymptomen wie Unruhe, Übelkeit, Schlafstörungen oder Kopfschmerzen. Aus diesem Grund wird ein ausschleichendes Absetzen empfohlen.
Was gibt es bei der Einnahme noch zu beachten?
Die Einnahme von Mirtazapin wirkt sich auf das zentrale Nervensystem aus und kann dadurch das Reaktionsvermögen beeinträchtigen. Die Teilnahme am Straßenverkehr oder das Bedienen schwerer Maschinen sollte deswegen erst dann erfolgen, wenn sichergestellt wurde, dass die Konzentrationsfähigkeit nicht unter der Einnahme leidet.
Die Einnahme von Alkohol während der Behandlung mit Mirtazapin kann die beruhigende Wirkung des Arzneimittels verstärken. Auch eine Kombination mit anderen Beruhigungsmitteln kann diesen Effekt intensivieren. Auch eine Überdosierung kann Schläfrigkeit und Benommenheit hervorrufen und sollte sofort mit einem Arzt besprochen werden.
Es kann zudem wie bei jedem Medikament zu Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln kommen. Vor einer Behandlung mit Mirtazapin sollten diese deswegen mit dem Arzt abgesprochen werden. Mirtazapin sollte grundsätzlich nur nach den Vorgaben des Arztes eingenommen und bei Problemen oder Unwohlsein sofort mit diesem besprochen werden.
Mirtazapin – Nebenwirkungen
Zu den häufigsten Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit der Einnahme von Mirtazapin beobachtet werden konnten, zählen insbesondere Müdigkeit, Sedierung, trockener Mund, Appetitsteigerung, Schwindel und Erschöpfung. Da sich manche Nebenwirkungen mit den Symptomen depressiver Episoden überschneiden, sind diese nicht immer eindeutig zuzuordnen. Vor allem zu Beginn der Behandlung kann es allerdings in vielen Fällen zu starker Müdigkeit kommen.
Aufgrund der appetitanregenden Wirkung als Folge der Wirkung auf die Histamin-Rezeptoren lässt sich sehr häufig eine Gewichtszunahme beobachten. Im Gegensatz zu anderen Antidepressiva treten Schlafstörungen, sexuelle Funktionsstörungen und Beeinträchtigungen des Herzkreislaufsystems nur äußerst selten bei der Einnahme von Mirtazapin auf.
Wie andere Antidepressiva auch, wird Mirtazapin jedoch sehr häufig mit dem Rest-Legs-Syndrom (RLS) in Verbindung gebracht. So zeigen Studien, dass rund ein Viertel der Patienten nach der Mirtazapineinnahme ein RLS entwickeln. In seltenen Fällen wurde hingegen über reversible Knochenmarkdepression berichtet. Dabei kam es vor allem zu einem Rückgang der weißen Blutkörperchen (Agranulozytose und Granulozytopenie).
Mirtazapin – Wechselwirkungen
Eine verstärkende Wirkung hat Mirtazapin auf serotogene Wirkstoffe wie Tramadol, Linezolid oder Lithium, ebenso wie auf Benzodiazepine und andere Sedativa. Auch die Wirkung von blutdrucksenkenden Medikamenten (Antihypertensiva) wird durch den Arzneistoff verstärkt, wodurch es zu einem starken Blutdruckabfall kommen kann.
Alkohol hingegen kann die dämpfende Wirkung von Mirtazapin verstärken. Weitere Interaktionen können mit Warfarin auftreten. Da das Antidepressivum von CYP2D6, CYP1A2 und CYP3A4 metabolisiert wird, sind hier entsprechende Wechselwirkungen möglich.
Wird Mirtazapin gleichzeitig mit dem Antiepileptikum Carbamazepin eingenommen, kommt es in der Regel zu einem schnelleren Abbau des Antidepressivums.
Mirtazapin – Kontraindikationen
Mirtazapin darf nicht angewendet werden bei einer Therapie mit MAO-Hemmern (Hemmer der Monoaminoxidase). Eine Kombination mit dem Antidepressivum kann einen Serotonin-Überschuss verursachen und zu lebensbedrohlichen Störungen der Körperfunktionen führen. Eine Therapie mit Mirtazapin sollte frühestens 14 Tage nach Absetzen des MAO-Hemmers angefangen werden.
Schwangerschaft und Stillzeit
Die Behandlung mit Mirtazapin während der Schwangerschaft und Stillzeit ist noch nicht ausreichend mit Daten belegt. In tierexperimentellen Studien konnte eine Entwicklungstoxizität beobachtet werden, hingegen keine fehlbildende oder fruchtschädigende Wirkung. Dennoch ist ein Risiko auf den Fötus nicht auszuschließen, sodass von einer Therapie in der Schwangerschaft abzuraten ist, sofern besser untersuchte Alternativen eine Wirkung erzielen.
In tierexperimentellen Studien konnte eine vernachlässigbare Menge des Wirkstoffs in der Muttermilch nachgewiesen werden. Aufgrund fehlender Humanstudien wird von einer Verwendung von Mirtazapin in der Stillzeit jedoch abgeraten.
Überempfindlichkeit
Mirtazapin darf nicht angewendet werden bei einer Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff. Vorsicht ist außerdem bei Allergien gegen gewisse Farbstoffe gegeben (z. B. E 102, E 104, E110, E122) sowie bei einer Unverträglichkeit gegenüber Lactose. Diabetiker sollten vor einer Einnahme den Zuckergehalt überprüfen.
Weitere Kontraindikationen
Abgesehen von den absoluten Kontraindikationen ist besondere Vorsicht bei Patienten mit schweren Leber- und Nierenfunktionsstörungen, Miktionsstörungen (gestörte Blasenentleerung), erhöhtem Augeninnendruck (Glaukom) sowie Menschen mit schizophrenen oder psychotischen Störungen sowie erhöhter Kampfbereitschaft. In diesen Fällen sollte eine Verabreichung nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen.
1. Schneider, F.: Facharztwissen Psychiatrie und Psychotherapie, SpringerMedizin Verlag, 2012
2. Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie, Georg Thieme Verlag, 3. Auflage, 2005
3. Mirtazapin, www.infomed.ch (Abrufdatum: 07.09.2020)