Jedes Jahr treten bei rund einem Drittel der bundesdeutschen Bevölkerung psychische Störungen wie z.B. Depressionen auf. In der Regel sind sie schnell vorüber und einer akuten Belastung geschuldet, sehr oft aber auch nicht. Dann sollte eine professionelle Behandlung erfolgen. Neben der Psychotherapie ist in vielen Fällen eine Behandlung mit Psychopharmaka angezeigt.
Inhaltsverzeichnis
Ein häufig verschriebenes Mittel ist Escitalopram – ein Antidepressivum, das außer bei Depressionen auch gegen Angststörungen, Zwangsstörungen und wiederkehrende Panikattacken eingesetzt wird.
Escitalopram – Anwendung
Im Apothekenhandel ist Escitalopram unter dem Namen Cipralex erhältlich. Cipralex wird von dem dänischen Pharmaunternehmen H. Lundbeck A/S hergestellt. Darüber hinaus sind verschiedene Generika von anderen Herstellern mit dem gleichen Wirkstoff im Angebot. Das Medikament gehört zu der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer – oft auch als SSRI (= selective serotonin reuptake inhibitor) bezeichnet.
Depressionen
Das Psychopharmakon wird bevorzugt zur Behandlung von depressiven Episoden eingesetzt, die mit einer spürbaren Antriebsminderung einhergehen. Eine depressive Episode liegt vor, wenn eine Person mindestens zwei Wochen lang eine ausgeprägte depressive Symptomatik aufweist. Depressive Episoden haben unterschiedliche Schweregrade und dauern im statistischen Durchschnitt zwischen vier und sechs Monaten. Manchmal kann die Depression aber auch verzögert verlaufen und mehr als ein Jahr andauern. Kommen depressive Phasen immer wieder vor (zum Beispiel die typische “Herbst- oder Winterdepression”), spricht man von einer rezidivierenden depressiven Störung. Antriebsminderung ist ein charakteristisches Merkmal vieler Depressionen. Man versteht darunter die mehr oder weniger stark eingeschränkte Fähigkeit bis hin zur völligen Unfähigkeit, etwas aus eigenem Antrieb zu tun.
Angst- und Zwangsstörungen
Weitere Anwendungsgebiete von Escitalopram sind Angst– und Zwangsstörungen. Beide Erkrankungen zählen zu den Neurosen. Bei Angststörungen treten in eigentlich harmlosen und ungefährlichen Situationen extreme Angstgefühle bis hin zur Panik auf. Typische Panik– und Angststörungen sind: Agoraphobie (“Platzangst”), Sozialphobie, Angst vor Spinnen, Flugangst usw.. Bei einer Zwangsstörung liegt ein zwanghaftes, immer wieder “ritualhaft” ausgeführtes Verhalten vor (Beispiel: Waschzwang, Zählzwang usw.). Escitalopram wird außerdem bei somatoformen Störungen eingesetzt. So werden körperliche Funktionsstörungen und Beschwerden bezeichnet, bei denen keine organische Krankheit vorliegt und eine psychische Ursache naheliegt.
Escitalopram – Dosierung
In Deutschland werden bei Cipralex Tabletten-Dosierungen von 5, 10 und 20 mg angeboten. Es gibt das Medikament auch in Tropfenform. Die übliche Dosis sind 10 mg, bei schwereren Störungen kann – immer nach ärztlicher Absprache – eine Steigerung der Dosis bis auf 20 mg in Betracht kommen. Das Medikament wird einmal täglich eingenommen – ob vor oder nach einer Mahlzeit, spielt keine Rolle. Da das Psychopharmakon kaum müde macht, spricht nichts gegen eine morgendliche Einnahme. Die Dauer der Einnahme hängt von der Dauer der behandelten Störung ab. In vielen Fällen wird das Medikament ein halbes Jahr nach dem Abklingen der Symptome wieder abgesetzt bzw. “ausgeschlichen” (siehe hierzu den Abschnitt: Escitalopram absetzen – was gibt es zu beachten).
Escitalopram – Wirkung
Escitalopram wirkt auf die Psyche, indem es verhindert, dass die Nervenzellen den an den Nervenenden freigesetzten Botenstoff Serotonin wieder aufnehmen und durch die Wiederaufnahme unwirksam machen. Serotonin gehört zu den sogenannten Neurotransmittern im Körper und steuert verschiedene Prozesse. Es beeinflusst u.a. Stimmung und Antrieb, Gefühlsintensität, unser zentrales Belohnungssystem, den Schlaf-Wach-Rhythmus, das Schmerzempfinden, den Appetit und die Körpertemperatur. Nicht zu Unrecht wird Serotonin auch als Glückshormon bezeichnet.
Der genaue Wirkmechanismus der Serotonin-Versorgung ist noch nicht abschließend geklärt. Fest steht: bei psychischen Störungen ändert sich die Verfügbarkeit von Botenstoffen im zentralen Nervensystem. Fehlt Serotonin, geraten die Prozesse, an denen der Botenstoff beteiligt ist, eher aus dem Lot. Dem soll das Medikament entgegenwirken. Durch die Hemmung der Serotonin-Aufnahme steht dem Körper mehr Serotonin für Signalübertragungen zur Verfügung. Mit der Einnahme von Escitalopram kann so wieder ein “inneres Gleichgewicht” erreicht werden. Das wirkt sich dann auch günstig auf die Psyche aus.
Schon kurze Zeit nach der Einnahme von Escitalopram sind messbare Effekte in der Gehirnaktivität feststellbar. Das ist für ein Antidepressivum dieser Art ungewöhnlich. In einer wissenschaftlichen Untersuchung zeigten sich bei Probanden bereits wenige Stunden nach der Einnahme signifikante Änderungen der synchronen Gehirnaktivität in Ruhe. Verschiedene miteinander vernetzte Hirnareale schwangen mehr im Gleichklang. Bis es zu einer spürbaren Stimmungsaufhellung kommt, dauert es allerdings schon etwas länger – etwa zwei bis drei Wochen. Der Effekt tritt “schleichend” und eher unbewusst ein.
Escitalopram absetzen – Was gibt es zu beachten?
Das Medikament sollte grundsätzlich nie “auf eigene Faust”, sondern immer in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt abgesetzt werden. Üblicherweise beginnt man damit frühestens ein halbes Jahr, nachdem eine spürbare Verbesserung der Befindlichkeit eingetreten ist. Wie generell bei Antidepressiva sollte man das Medikament auch nie abrupt absetzen, sondern allmählich “ausschleichen”. Das heißt: die Dosis wird über einen längeren Zeitraum schrittweise reduziert. Bei einem abrupten Absetzen des Medikaments kann es zu dem sogenannten Rebound-Effekt kommen (Rebound = Rückprall). Die behandelten Symptome treten dann nach der plötzlichen Beendigung ggf. wieder verstärkt auf.
Escitalopram – Nebenwirkungen
Wie bei jedem Psychopharmakon werden bei der Anwendung von Escitalopram diverse mögliche Nebenwirkungen beschrieben. Die wichtigsten Nebenwirkungen sind:
- Kopfschmerzen
- Übelkeit
- verminderter oder gesteigerter Appetit mit entsprechenden Gewichtsveränderungen
- verringerte Libido und Sexualstörungen (Impotenz, Ejakulationsstörungen bei Männern; Anorgasmie bei Frauen)
- Ängstlichkeit, Ruhelosigkeit, Schlaflosigkeit, Müdigkeit, Albträume
- Schwindel
- Parästhesie (Missempfindungen), Tremor (Zittern)
- Mundtrockenheit
- Durchfall, Verstopfung, Erbrechen
- Sinusitis (Nebenhöhlenentzündung)
- Arthralgie (Gelenkschmerzen), Myalgie (Muskelschmerzen)
- Fieber
Diese Vielzahl an möglichen Nebenwirkungen mag zunächst erschrecken. Tatsächlich bestätigen aber klinische Studien eine sehr gute Verträglichkeit von Escitalopram bei gängigen Dosierungen von 10 bis 20 mg. Soweit überhaupt Nebenwirkungen festgestellt wurden, klangen sie durchweg in den ersten beiden Wochen der Medikamenteneinnahme wieder ab.
Bei einer Studie wurden die folgenden Nebenwirkungen am häufigsten (bei mindestens fünf Prozent der Probanden) – und stärker als bei einer vergleichenden Placebo-Gabe – genannt:
- Übelkeit
- Schlafstörungen
- Ejakulationsverzögerung
- Durchfall
- Schläfrigkeit
- Mundtrockenheit
- Schwindel
- Grippe-ähnliche Symptome.
Die Auflistung erfolgt nach der Häufigkeit der Nennungen. Beispiel: Übelkeit gaben 15 Prozent der Probanden nach Einnahme von Escitalopram an, neun Prozent bei einer Placebo-Gabe. Grippe-ähnliche Symptome bemerkten fünf Prozent der Escitalopram-Probanden, vier Prozent der Placebo-Probanden.
Escitalopram – Wechselwirkungen und Kontraindikationen
Werden neben Escitalopram noch weitere Medikamente eingenommen, kann es zu unerwünschten Wechselwirkungen kommen – das heißt, die jeweiligen Wirkstoffe beeinflussen sich gegenseitig und rufen unerwünschte oder gar schädliche Effekte hervor. Die Einnahme von Escitalopram empfiehlt sich u.a. nicht bei
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff.
- Einnahme von Monoaminoxidase-Hemmern (MAO-Hemmern) – MAO Hemmer sind bestimmte Antidepressiva, die gegen schwere und atypische Depressionen eingesetzt werden.
- bei verlängertem QT-Intervall oder angeborenem Long-QT-Syndrom. Das QT-Intervall ist eine Messgröße bei der Auswertung des Elektrokardiogramms (EKG). Bei verlängerten QT-Intervallen besteht ein erhöhtes Risiko von Herzrhythmusstörungen.
- Einnahme von Medikamenten, die zu einer Verlängerung des QT-Intervalls führen können.
Dringend abgeraten wird vom Alkoholkonsum während einer Behandlung mit Escitalopram. Auch hier können unerwünschte Wechselwirkungen entstehen. Das Medikament kann die Alkoholwirkung verstärken und den Kater danach verschlimmern. Die Folge: heftige Übelkeit und Kopfschmerzen. Alkohol beeinflusst seinerseits Stoffwechselprozesse in der Leber, was unter Umständen dazu führt, dass der Wirkstoff im Medikament schlechter aufgenommen wird. Folge: der Wirkmechanismus ist gestört.
Während der Schwangerschaft sollte das Medikament nur wenn unbedingt notwendig eingenommen werden. Der Grund: der Wirkstoff betrifft auch das ungeborene Kind. Deswegen sollte ein Kind bei Einnahme von Escitalopram durch die Mutter nach der Geburt auch nicht gestillt werden.
Besondere Vorsicht und Überwachung bei der Behandlung mit Escitalopram ist bei Patienten über 65 Jahren, mit eingeschränkter Nierenfunktion oder Stoffwechselstörungen angezeigt. Die Dosis muss hier ggf. entsprechend angepasst werden.
Häufige Fragen
- Was ist Escitalopram?
- Wann wirkt Escitalopram?
- Wie wirkt Escitalopram?
- Einnahme von Escitalopram morgens oder abends?
Escitalopram ist ein Antidepressivum aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Das Medikament wird bevorzugt bei depressiven Episoden eingesetzt, die mit Antriebsminderung einhergehen. Weitere Anwendungsgebiete sind Angst– und Zwangsstörungen sowie somatoforme Störungen – körperliche Beschwerden mit einer (ausschließlich) psychischen Ursache.
Schon wenige Stunden nach der Einnahme von Escitalopram sind positive Veränderungen im Gehirn messbar. Bis zu einer nachhaltigen Stimmungsaufhellung dauert es allerdings länger – etwa zwei bis drei Wochen. Die Stimmungsverbesserung tritt “schleichend” ein.
Der Wirkstoff im Medikament beeinflusst den Serotonin-Haushalt. Er greift in die Signalübermittelung im Gehirn ein, indem die Serotonin-Aufnahme durch die Nervenzellen gehemmt wird. Dadurch steigt die Wirkungsdauer des stimmungsaufhellenden Botenstoffs im Gehirn und die psychische Befindlichkeit verbessert sich.
Das Psychopharmakon wird einmal täglich eingenommen. Die Tageszeit spielt keine Rolle. Es gibt keine Bedenken gegen eine morgendliche Einnahme von Escitalopram, da das Medikament kaum müde macht.
Antidepressiva
- Schneider, F.: Facharztwissen Psychiatrie und Psychotherapie, SpringerMedizin, 2012
- Klein, N. et al.: Escitalopram bei der Behandlung depressiver Phasen, Hippocampus Verlag, 2003
- Escitalopram, https://www.nhs.uk/... (Abrufdatum: 25.10.2022)
- Escitalopram for the management of major depressive disorder, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abrufdatum: 25.10.2022)
- Escitalopram, https://medlineplus.gov/... (Abrufdatum 25.10.2022)