
Angstzustände, Schlafstörungen und Unruhe – ist Diazepam die Lösung? Viele Menschen werden von diesen Zuständen geplagt und leiden unter dieser Belastung. Für viele ist der Schritt zu medikamentöser Hilfe sehr naheliegend. Hierbei greifen viele auf Medikamente mit dem Wirkstoff Diazepam zurück, der sich als Beruhigungsmittel mit relativ geringen Nebenwirkungen immer größerer Beliebtheit erfreut. Der Wirkstoff zählt zu den am häufigsten verordneten Schlafmitteln.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Diazepam?
Der Wirkstoff Diazepam ist ein Beruhigungsmittel und zählt zu der Gruppe der Benzodiazepine. Sie besitzen einen umfassenden Einfluss auf die Psyche. Benzodiazepine gelten als angstlösende (Anxiolytika) und schlafinduzierende (Hypnotika) Medikamente. In Deutschland unterliegen diese psychoaktiven Substanzen als verschreibungsfähiges Medikament dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG, Anlage 3). Abhängig von Packungsgröße und Höchstmenge an Wirkstoffgehalt sind Verschreibungen auf normalen GKV- und Privatrezepten erlaubt. Somit ist Diazepam in jedem Fall verschreibungspflichtig. Das hierzulande bekannteste Präparat mit dem Wirkstoff Diazepam ist Valium.
Diazepam – Wirkung
Diazepam hat eine angstlösende, beruhigende, muskelentspannende und krampflösende Wirkung. Dies geschieht indem die hemmende Wirkung eines körpereigenen Neurotransmitter im Gehirn – der Gamma-Amino-Buttersäure, abgekürzt GABA – verstärkt wird. Diazepam bindet sich als Agonist an die GABA-A-Rezeptoren. Als Konsequenz strömen mehr Chlorid-Ionen in die Zelle. Die Zellmembranspannung steigt hierdurch an, gleichzeitig wird die Erregungsfähigkeit der Zelle reduziert.
Die elektrische Aktivität von Nervenzellen im Hirnstamm und im limbischen System ist verringert, was die gewünschte Wirkung hervorruft. Durch den Einfluss auf das zentrale Nervensystem erfolgt die Wirkung sehr zeitnah nach der Einnahme. Diazepam wird bevorzugt zur Behandlung von Fieberkrämpfen, sowie Tetanusvergiftungen eingesetzt. Zudem hilft es rasch bei epileptischen Grand-mal-Anfällen. Es wird außerdem zur Behandlung von Entzugserscheinungen bei Alkoholabhängigen angewendet, die sich einer Entgiftung unterziehen.
Wie lange dauert es bis es wirkt?
Benzodiazepine weisen eine hohe Lipophilie auf. Diese Eigenschaft begünstigt eine rasche zentrale Einleitung des Wirkstoffs. Diazepam besitzt dabei die schnellste Wirkstoffentfaltung. Bei einer intravenösen Injektion ist ein Wirkungseintritt bereits nach einer Minute spürbar. Im Vergleich dazu tritt die Wirkung bei oraler Einnahme oder intramuskulärer Injektion erst nach einer Stunde ein. Die Abbauprodukte von Diazepam können noch bis zu 80 Stunden nach der Anwendung sedierend wirken.
Wie schnell wird es im Körper abgebaut?
Der Abbau des Wirkstoffes erfolgt in erster Linie über die Leber und wird über den Harn ausgeschieden. Diazepam ist ein Benzodiazepin mit einer verhältnismäßig langen Halbwertszeit von 20 bis 50 Stunden.
Diazepam – Anwendung und Dosierung
Eingesetzt wird Diazepam in der Regel als Schlafmittel für Patienten mit akuten Angst- oder Spannungszuständen. Auch in Psychiatrien findet der Wirkstoff seinen Platz zur Behandlung erhöhter Erregungszustände wie bei bipolaren Störungen oder Schizophrenie.
Weitere Indikationen:
- Präoperative Medikation
- Delirium tremens, Alkoholentzug
- Epilepsie
- Eklampsie
- Muskelkrämpfe, Spasmen
- Insomnie
- Phobische Störungen
- Depressionen
- Manische Erkrankungen
Die Einstiegsdosierung beträgt etwa 2 bis 3 mg täglich und kann vom Arzt auf 10 mg gesteigert werden. Bei stationärer Behandlung sind Tagesdosen von maximal 60 mg möglich, sollten ansonsten jedoch 40 mg nicht überschreiten. Wie zuvor beschrieben ist Diazepam nicht rezeptfrei. Es muss unbedingt eine genaue Dosierung durch den Arzt aufgestellt und dringend eingehalten werden. Der Zeitraum sollte so kurz wie möglich und die Dosierung so gering wie möglich erfolgen, damit es zu keiner Abhängigkeit kommen kann und als Konsequenz Entzugserscheinungen beim Absetzen auftreten. Bei längerer Einnahme muss der Wirkstoff daher schrittweise abgesetzt werden. Hier spricht man vom „Ausschleichen“ einer Medikament Einnahme. Diazepam sollte für maximal vier bis sechs Wochen angewendet werden.
Die Verabreichung von Diazepam kann in peroraler, parenteraler, intranasaler sowie rektaler Form erfolgen. Die orale Einnahme sollte nicht auf vollen Magen erfolgen, da sich hierdurch der Eintritt der Wirkung verzögern kann. Empfehlenswert ist die Einnahme daher abends, etwa eine halbe Stunde vor dem Zubettgehen.
Diazepam – Nebenwirkungen
Bei akuter und geringer Einnahme weist Diazepam geringe Nebenwirkungen und eine hohe Verträglichkeit auf. Generelle Nebenwirkungen können jedoch Kopfschmerzen, Schwindel, Benommenheit und zeitlich begrenzte Gedächtnislücken sein.
Ein gleichzeitiger Konsum von Alkohol verstärkt die Nebenwirkungen und sollte daher vermieden werden. In der Schwangerschaft sollte Diazepam nur unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden, wenn eine Therapie mit dem Medikament als zwingend notwendig eingestuft wird. Der Wirkstoff selbst sowie seine Stoffwechselprodukte erreicht über die Plazenta das Ungeborene und kann sich in ihm anreichern. Dies kann im sogenannten „floppy infant syndrom“ resultieren. Kennzeichnend für dieses Syndrom sind schlaffe Muskeln, Atembeschwerden und ein gestörter Saugreflex beim Neugeborenen. Da sich Diazepam auch in der Muttermilch anreichern kann, soll nach Möglichkeit während der Stillzeit darauf verzichtet werden.
Da nur die Symptome gelindert und nicht die Ursache für die Zustände behandelt werden, sollte die Einnahme einen Zeitraum von 1 bis 1,5 Monate nicht überschreiten. Beim Absetzen des Medikaments kann es zu Entzugserscheinungen in Form von Zittern, Schwitzen, Schlaflosigkeit und Übelkeit kommen.
Diazepam – Risiken und Überdosierung
Durch die Einnahme von Diazepam kann es zu Gedächtnis-, Wahrnehmungs- und Reaktionsstörungen kommen. Dadurch kommt es zu einer Einschränkung der Fahrtüchtigkeit. Vom Bedienen von Fahrzeugen und Maschinen ist daher dringend abzuraten. Durch den muskelentspannenden Effekt des Medikaments können, gerade bei älteren Patienten, schwere Stürze resultieren. Bei übermäßiger Einnahme kann es zu ausgeprägter Müdigkeit, Tagesschläfrigkeit, Konzentrationsschwäche, Muskelschlaffheit und Bewegungsstörungen kommen.
Das Potential eine körperliche wie psychische Abhängigkeit von Diazepam zu entwickeln ist enorm. Durch eine zu lange Einnahmedauer von Diazepam steigert sich das Risiko einer Gewöhnung und Toleranzbildung. Gründe hierfür sind zum einen im Wirkmechanismus des Präparats zu finden, der eine körperliche Abhängigkeit verursacht. Zum anderen in der Option die eigene Befindlichkeit durch das Medikament stark beeinflussen zu können. Wird Diazepam nicht auf der Basis einer medizinischen Indikation und unter therapeutischer Begleitung eingenommen, erhöht sich das Risiko eine Abhängigkeit zu entwickeln zusätzlich. Selbst durch den verantwortungsvollen Umgang mit dem Präparat kann sich über einen Dauerkonsum hinweg eine Abhängigkeit einschleichen. Nicht umsonst ist Diazepam gemeinsam mit anderen Benzodiazepinen an der Spitze des schädlichen Arzneimittelgebrauchs in Deutschland.
Auch das plötzliche Absetzen von Diazepam ist nicht ungefährlich. Es kann zu Symptomen wie Schlafstörungen, starke Erregung mit innerer Unruhe, Angst- und Spannungszuständen sowie einer erhöhten Suizidneigung kommen. Das Auftreten von sogenannten Rebound-Effekten ist beim Absetzen des Medikaments möglich. So können die ursprünglichen Symptome nach dem Absetzen stärker als zuvor auftreten. Daher sollte das Absetzen nur allmählich und unter ärztlicher Begleitung stattfinden.
Eine Überdosierung mit Diazepam geschieht häufig durch eine bewusste Einnahme des Medikaments in überhöhter Menge, die durch Suizidabsichten ausgelöst wird. Die Folge ist eine Beruhigungsmittelvergiftung. Begleitet wird eine Überdosierung durch folgende Symptome: Bewusstseinsstörungen, Übelkeit sowie Erbrechen. Auf Schmerzreize erfolgt keine Reaktion mehr. Der Wirkstoff wirkt sich zudem auf die Atmung aus. Sie wird stark reduziert, wodurch der Tod durch Atemstillstand eintreten kann.
Häufigkeit Beruhigungsmittel Deutschland
Die Zahl der Arzneimittelabhängigen in Deutschland beläuft sich auf etwa 1,5 Millionen. Dabei steht diese Art der Abhängigkeit auf Platz zwei der häufigsten Suchkrankheiten und somit sogar noch vor der Alkoholsucht. Wenngleich sich der Konsum von psychoaktiven Medikamenten der 60-bis 79-Jährigen innerhalb eines Beobachtungzeitraums von 10 Jahren (1997 – 2008) nicht wesentlich verändert hat, weisen die Untergruppen doch auffallende Veränderungen auf.
In den Altersgruppen zwischen 18 und 20 Jahren besitzen gerade Frauen eine größere Prävalenz für eine Abhängigkeit von Schmerzmitteln, Beruhigungsmitteln und Schlafmitteln als Männer. Mit zunehmendem Alter jedoch steigt das Risiko einer Abhängigkeit bei Männern an und sinkt wiederrum bei den Frauen.
Die nachfolgende Tabelle zeigt die Häufigkeit und Prävalenz von Schlaf-/Beruhigungsmitteln, Benzodiazepinen und Psychoaktiven Arzneimitteln bei Erwachsenen:
Alter | 18-59 Jahre | 60-79 Jahre | 18-64 Jahre |
Datenquelle | IFT:ESA | RKI:DEGS1 | IFT:ESA |
Jahr | 2018 | 2008-2011 | 2018 |
Häufigkeit des Gebrauchs | Wöchentlich | Innerhalb der letzten 7 Tage | Innerhalb der letzten 30 Tage |
Schlaf-/Beruhigungsmittel | 2,4 % | 3,3 % | 4,5 % |
Benzodiazepine | 2,5 % | ||
Psychoaktive Arzneimittel | 21,4 % |
Quelle: Drogen- und Suchtbericht 2019 des Drogenbeauftragen der Bundesregierung
Weitere Medikamente
1. Benzodiazepine, www.dhs.de, Abrufdatum 15.06.2020
2. Diazepam, www.gelbe-liste.de, Abrufdatum 16.06.2020
3. Benzodiazepine, www.medikamente-und-sucht.de, Abrufdatum 10.06.2020
4. Thomas Herdegen, Kurzlehrbuch Pharmakologie und Toxikologie, Thieme (Verlag), 1. Auflage, 2008
5. Frank Schneider, Facharztwissen Psychiatrie und Psychotherapie, Springer (Verlag), 1. Auflage, 2012
6. Drogen- und Suchbericht 2019, www.drogenbeauftragte.de, Abrufdatum 26.06.2020