
Plötzlich liegt die Zusage für die Chefarztstelle auf dem Tisch und man ist sich gar nicht mehr so sicher, ob man dem wirklich gewachsen ist. Neben den neuen Pflichten, welche auf frischgebackene Führungskräfte so zukommen, stellt sich mitunter ebenso die Frage, wie man mit älteren Mitarbeitern verfährt – insbesondere, wenn sie älter sind und in der Klinikhierarchie weiter unten stehen. Wie kann eine funktionierende Zusammenarbeit mit älteren Mitarbeitern in der Klinik stattfinden?
Zusammenarbeit von Jung & Alt hat positive Auswirkungen
Eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) stellte fest, dass die Zusammenarbeit mit Jüngeren Ältere motiviere. Darüber hinaus trage eine intergenerationale Zusammenarbeit sogar dazu bei, dass Ältere bis zum gesetzlichen Rentenalter im Unternehmen verweilen. Basis waren Angaben aus 1.063 westdeutschen Unternehmen, welche mindestens fünf ältere Mitarbeiter beschäftigten.
Die WissenschaftlerInnen analysierten im Zuge der Untersuchung Faktoren, welche dazu beitragen, dass ältere Mitarbeiter bis zum Erreichen des gesetzlichen Rentenalters ihre Tätigkeit ausüben. Weder eine Verringerung der Beschäftigungsdauer Älterer noch das Angebot von Altersteilzeit wirkten sich auf den längeren Verbleib im Unternehmen aus. Genauso wenig wirkten Angebote zur Weiterbildung. Lediglich altersgemischte Arbeitsteams, in welchen ältere Arbeitnehmer ihre Berufserfahrung und jüngere Arbeitnehmer ihr Fachwissen einbringen konnten, führten zu einem längeren Verbleib im Job.
Zwar ist die Studie möglicherweise nicht gänzlich auf Kliniken übertragbar, dennoch zeigt sie einen wichtigen Punkt auf: eine funktionierende Zusammenarbeit von Jung und Alt birgt Potenzial und ist demzufolge zu fördern. Doch wie kann dies geschehen?
Offener Umgang und Aufbau eines guten Verhältnisses
Wichtig ist in erster Linie, nicht nur die fachlichen Kompetenzen zu berücksichtigen. Vielmehr ist relevant, anfangs eine erfolgreiche, zwischenmenschliche Kommunikation mit allen Mitarbeitenden und KollegInnen anzustreben. Die eigene Haltung ist hierbei von höherer Bedeutung als das eigentliche Verhalten.
Entscheidend ist deswegen ein offenes Entgegentreten und einen aufgeschlossenen Umgang im Team. Denn nicht jeder sei automatisch gegen einen jüngeren Chefarzt oder eine jüngere Chefärztin. Man hat es jedoch trotzdem ab und an mit Skeptikern zu tun. Um diesen Menschen die Zweifel zu nehmen, ist eine einladende Ausstrahlung und Außenwirkung von Beginn an entscheidend.
Dazu gehört gleichermaßen die Kommunikation auf Augenhöhe mit älteren Mitarbeitenden oder ArztkollegInnen. Generell gilt: gleiche Kommunikation mit jedermann, unabhängig von der Hierarchieebene, dem Alter, oder der Berufserfahrung. Herablassend zu handeln oder zu kommunizieren zeugt nicht nur von geringer Professionalität, sondern bietet auch Nährboden für Konflikte.
Verhält man sich offen und ehrlich, kann eine Zusammenarbeit mit älteren Mitarbeitern funktionieren. Miteinander statt übereinander reden ist dabei der Schlüssel, um sich gegenseitig besser kennen zu lernen und Vorurteile abzubauen sowie Missverständnisse zu beseitigen.
Perspektivwechsel
Frischgebackene ChefärztInnen, welche auf ältere KollegInnen treffen, können sich oftmals dennoch nicht in die Situation hineinfühlen und sind unsicher, wie sie sich verhalten sollen. In diesen Situationen könnte ein Perspektivwechsel von Vorteil sein. Die Führungskräfte könnten demgemäß versuchen, sich in ältere Mitarbeitende hineinzuversetzen. Im Zuge dessen könnten sie sich die Frage stellen: Was würde mir als älterer Kollege oder ältere Kollegin guttun und was könnte ich von meinem Vorgesetzten brauchen?
Dies ist insbesondere bei frustrierten Mitarbeitenden zentral, welche sich selbst als KandidatIn für den Chefarzt-Posten zur Verfügung stellten – und abgelehnt wurden. Möglicherweise ist die Enttäuschung und die daraus resultierende negative Haltung gegenüber des neuen Chefarztes oder der neuen Chefärztin ja gerechtfertigt? Man kann es nicht wissen, wenn man nicht nachfragt und sich überlegt, wie man sich selbst in einer solchen Situation fühlen würde. Verständnis aufbringen, Empathie und Kommunikation sind im Nachgang des Perspektivwechsels von Bedeutung.
Einzelgespräche durchführen, Erwartungen einholen
Doch wie könnte eine zielgerichtete, auf eine funktionierende Zusammenarbeit mit älteren Mitarbeitern ausgerichtete Kommunikation aussehen? Junge ChefärztInnen und neue Führungskräfte sollten den ersten Schritt machen und mit jedem Mitarbeitenden Einzelgespräche durchführen. Nicht nur mit älteren KollegInnen, sondern ebenfalls mit AssistenzärztInnen und Pflegekräften. Dies sollte man im Vorhinein klar machen: “Ich möchte mir Erwartungen, Auffassungen und Sichtweisen von allen Mitarbeitern anhören, um mir ein ganzes Bild zu machen, und um mit einer guten Atmosphäre im Team arbeiten zu können.”
Ein Beispiel für einen wertschätzenden Umgang könnte so aussehen: “Ich kann verstehen, dass die Situation für sie vielleicht schwierig erscheint. Sicherlich haben Sie mit Dr. XY eine gute Zusammenarbeit gepflegt. Ich sehe ihre Expertise aber als genauso wichtig an.”
Wichtig ist demzufolge, die älteren KollegInnen zu respektieren und ihre Expertise nicht in Frage zu stellen. Darauffolgend sollte man die Erwartungshaltung, die Ideen und Einfälle der älteren Mitarbeiters enthüllen. Wie stellt er oder sie sich einen guten Chefarzt oder eine gute Chefärztin vor? Was sind seiner Meinung nach seine Aufgaben und worin liegen meine eigenen? Spezifisch für jüngere ChefärztInnen ist das von hoher Relevanz, damit sie wissen, was von ihnen erwartet wird.
Außerdem ist es für die Zusammenarbeit mit älteren Mitarbeitern zentral, die Arbeitsgebiete und Projekte genau zu definieren, in welchen sie selbstständig arbeiten können. Die Angst davor, immer den Chefarzt fragen zu müssen oder nicht mehr eigenständig handeln zu können, macht vielen erfahrenen OberärztInnen Sorge.
Veränderungen wertschätzend vermitteln
Hat man die Einzelgespräche hinter sich, kann man sich als Nächstes fragen: was kann von den Erwartungen verwirklicht werden? Und was ist nicht realisierbar? Wie kann ich Veränderungen anstreben und konkret durchführen?
Nach ein paar Tagen als Chefarzt oder -ärztin direkt Veränderungen anstreben zu wollen, ist sicherlich ehrgeizig. Nichtsdestotrotz gilt die alte Regel der ersten 100 Tage aus der Politik ebenso im Krankenhaus. Ein Fehler wäre es, auf schnelle Veränderungen zu drängen. Damit macht man sich bei Alteingesessenen und anderen KollegInnen unbeliebt. Diese fragen sich nämlich dann, ob zuvor tatsächlich alles so schief lief, dass man es direkt ändern muss.
Natürlich gibt das Management der neuen Leitung zahlreiche Zielvorstellungen und Anregungen mit, aber die Umsetzung benötigt Zeit. Zuvor sollte man darauf achten, ein gutes Verhältnis zu allen aufzubauen und das Vertrauen durch offene Kommunikation zu fördern. Fühlen sich ältere Mitarbeitende wertgeschätzt, sind sie auch eher bereit, etwas zu ändern, beispielsweise im Rahmen einer aktuellen Erkenntnis oder nach der Richtlinie des Managements.
Zusätzliche Informationen zur Zusammenarbeit zwischen Jung und Alt und inwieweit sich Millennials und Generation X unterscheiden, liefert der Artikel Generation X und Y – Wie klappt Zusammenarbeit zwischen Ärzten?