Immer mehr Kliniken und Krankenhäuser haben das Potenzial erkannt, das Modelle für lebensphasenorientierte Arbeitszeit mit sich bringen: Erhöhte Arbeitgeberattraktivität, gesteigerte Zufriedenheit und Entlastung aufseiten der Ärzte/-innen sind nur einige Vorteile. Auch betriebswirtschaftlich rentiert sich das Plus an Flexibilität – die erhöhte Leistungsbereitschaft bringt weniger Dienstausfälle mit sich.
Was das Modell der lebensphasenorientierten Arbeitszeit im Einzelnen bedeutet und wie es praktisch in Kliniken umgesetzt wird, beleuchtet dieser Artikel.
Lebensphasenorientierte Arbeitszeit in Kliniken – was bedeutet das?
Der Begriff verrät es bereits: Jede Lebensphase bringt spezielle Anforderungen mit sich. Vom Berufseinstieg über die Phase der Familiengründung und Kinderbetreuung bis hin zur evtl. verminderten Leistungsfähigkeit im Alter haben Ärzte/-innen verschiedene Ansprüche an die Gestaltung ihres Arbeitslebens.
Arbeitgeber/innen, die flexibel auf diese Wünsche reagieren, nutzen verschiedene lebensphasenorientierte Arbeitszeitmodelle, um ihre Mitarbeiter/innen zu entlasten.
Gerade im Klinikbereich ist das besonders sinnvoll. Stichwort Überbelastung: Laut einer Umfrage des Marburger Bunds fühlen sich fast zwei Drittel der befragten Ärzte/-innen überlastet, etwa ein Fünftel spielt mit dem Gedanken, den Beruf vollständig an den Nagel zu hängen.
Um qualifizierte Fachkräfte anzuziehen und dauerhaft zu binden, sind Maßnahmen für eine gelungene Work-Life-Balance und reduzierte Stresslevel in Kliniken und Krankenhäusern unumgänglich.
Die Liste der Möglichkeiten für lebensphasenorientierte Arbeitszeit in Kliniken ist lang:
- Wunscharbeitszeit
- Lebensarbeitszeitkonto
- Teilzeitbeschäftigung
- Verlagerter Dienstbeginn
- Dauer-Tages- oder Nachtdienst
- Schichttauschpläne
Doch nicht jedes Modell ist für jede Klinik und jede Belegschaft geeignet. Daher ist es sinnvoll, die einzelnen Möglichkeiten etwas genauer zu betrachten.
Modelle lebensphasenorientierter Arbeitszeit im Klinikbereich
Für immer mehr junge Ärzte/-innen spielt es bei der Entscheidung für oder gegen einen Arbeitgeber eine große Rolle, ob die neue Stelle flexible Möglichkeiten zur Arbeitszeitgestaltung bietet. Neben ihrem Beruf genug Zeit für Freizeitgestaltung und Privatleben zu haben, ist für viele Mediziner/innen ein wichtiges Kriterium bei der Arbeitgeberwahl. Diese Entwicklung hat in Verbindung mit dem Fachkräftemangel und dem Wettbewerb um qualifizierten Nachwuchs bereits in vielen Krankenhäusern und Kliniken zu einem Umdenken hin zu mehr Flexibilität geführt.
1. Wunscharbeitszeit
Bei diesem Modell legen Beschäftigte jährlich oder alle sechs Monate gemeinsam mit dem Arbeitgeber ihre gewünschte Arbeitszeit fest. Bei Bedarf können Vollzeitkräfte ihre Arbeitszeit ohne Angabe von Gründen verringern. Dafür wird allerdings ein bestimmter Rahmen festgelegt, um ein gewisses Maß an Planbarkeit zu erhalten. Der Bruttoverdienst orientiert sich an der neuen Arbeitszeit-Vereinbarung.
Hohe Stresslevel, Überlastung und etwaige Betreuungsengpässe können auf diese Weise von vornherein vermieden werden. Unterm Strich entstehen so weniger Fehlzeiten und Ausfälle, was die Planbarkeit und Dienstplangestaltung zusätzlich erleichtert.
2. Lebensarbeitszeitkonto
Manche Kliniken bieten ihren Mitarbeitern/-innen ein sogenanntes Lebensarbeitszeitkonto an. Ärzte/-innen und andere Beschäftigte haben auf diese Weise die Möglichkeit, sich einen Teil ihrer Vergütung auf einem Lebensarbeitszeitkonto anzusparen. Das Guthaben kann individuell für die flexible Gestaltung von Lebensphasen genutzt werden: Auszeiten für Kindererziehung, Pflegezeiten von Angehörigen oder ein Sabbatical sind so ohne Gehaltsverlust möglich.
Die genauen Bedingungen für Lebensarbeitszeitkonten legt der Arbeitgeber typischerweise in der Betriebsvereinbarung fest.
3. Teilzeitbeschäftigung
Die Teilzeitbeschäftigung ist eine besonders beliebte Form lebensphasenorientierter Arbeitszeit im Klinik- und Krankenhausbereich. Denn gibt es Phasen im Leben, die es erfordern, beruflich etwas zurückzutreten. Vor allem nach einer Familiengründung wird die Vereinbarkeit von Privat- und Arbeitsleben für viele Ärzte/-innen zu einem wichtigen Kriterium für die Zufriedenheit im Beruf.
Eine Reduzierung der Arbeitszeit verspricht in diesem Fall Entlastung, muss aber in den meisten Fällen rechtzeitig angekündigt werden. Die Möglichkeit, wieder aufzustocken, bleibt Mitarbeitern/-innen dabei erhalten. Von diesem Modell gibt es Varianten: Teilzeitbeschäftigung kann auch durch das Aufteilen von Schichten oder Freischichten realisiert werden.
4. Versetzter Dienstbeginn
Pflegeverpflichtungen bei Angehörigen und Kinderbetreuung sind typische Beispiele für Situationen, in denen viele Ärzte/-innen sich einen versetzten bzw. flexiblen Dienstbeginn wünschen. So kann etwa der Nachwuchs noch vor Schichtantritt in den Kindergarten gebracht werden.
Eine Reihe von Kliniken ermöglicht ihren Mitarbeitern/-innen das Absolvieren verkürzter bzw. verlängerter Dienste oder einen versetzten Dienstbeginn. Die Frühschicht kann in diesem Fall entsprechend früher oder später beginnen, ganz wie es am besten in die aktuelle individuelle Lebensphase passt.
5. Dauer-Tages- oder Nachtdienst
Lebensphasenorientierte Arbeitszeit kann auch das Ziel haben, eine verbesserte Planbarkeit im Alltag zu erreichen. Auf diese Weise kann man Mitarbeitern etwa die Abstimmung mit Partner oder Partnerin erleichtern.
Arbeitgeber im Klinik- und Krankenhausbereich können etwa vorübergehende Dauer-Tages-Schichten anbieten, um Mitarbeiter in besonderen Lebenslagen zu unterstützen. Manche Mitarbeiter bevorzugen es auch, nachts zu arbeiten und dafür tagsüber flexibler zu sein und ziehen es vor, Dauer-Nacht-Dienste zu absolvieren.
6. Schichttauschpläne
Ein weiteres beliebtes Modell für lebensphasenorientierte Arbeitszeit sind klinik- bzw. unternehmensinterne Tauschbörsen, die es Ärzten/-innen ermöglichen, Schichten und Arbeitszeiten zu tauschen. Damit ist eine hohe Mitbestimmung aufseiten der Mitarbeiter/innen möglich und durch die individuelle Flexibilität dieses Modells können selbst kurzfristige Tauschwünsche unkompliziert umgesetzt werden.
Lebensphasenorientierte Arbeitszeitmodelle können vor einem Karriereknick bewahren
Wer Karriere machen möchte, darf sich keine Pause gönnen. Die meisten Arbeitgeber/innen (nicht nur) im Gesundheitswesen wissen: Dieses Credo führt häufig geradewegs in den Burnout. Davon sind nämlich oft gerade die besonders motivierten und fleißigen Mitarbeiter/innen betroffen. Und das gilt es zu verhindern.
Wenn lebensphasenbedingte Erwerbsunterbrechungen oder -umgestaltungen nicht mehr als potenzielle Karrierekiller betrachtet werden, sondern gemeinsam mit den Mitarbeitern/-innen nach flexiblen und bedarfsgerechten Lösungen gesucht wird, die gleichzeitig das Beschäftigungsverhältnis erhalten, profitieren langfristig beiden Seiten.
Fazit: Modelle für lebensphasenorientierte Arbeitszeit erhöhen die Arbeitgeberattraktivität
Ärzte/-innen tragen eine große Verantwortung und sind in ihrem Berufsalltag vielfältigen Belastungen ausgesetzt. Die Folge: Erhöhte Stresslevel, Überlastung oder gar Burnout. Umso wichtiger ist es für Arbeitgeber im Klinikumfeld, mit Modellen für lebensphasenorientierte Arbeitszeit auf die individuellen Bedürfnisse von Beschäftigen einzugehen.
Das hat auch Vorteile für Arbeitgeber. Denn da auf diese Weise die Mitarbeiterzufriedenheit steigt, erhöht sich auch die Leistungsbereitschaft – und letzteres hat direkte betriebswirtschaftliche Vorteile: Verbesserte Mitarbeiterbindung und ein attraktives Arbeitgeber-Image, das im Ärzte-Recruiting den Unterschied machen kann.