
Familienfreundlichkeit spielt im Gesundheitswesen eine immer bedeutendere Rolle. Dabei profitieren jedoch nicht nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von veränderten Strukturen, sondern auch Arbeitgeber. Für Letztere bringt ein familienfreundlicheres Umfeld entscheidende Vorteile im Hinblick auf den herrschenden Wettbewerb mit sich und kann die Chancen im Kampf um begehrte Fachkräfte erhöhen. Zudem kann Familienfreundlichkeit laut der Bundesärztekammer auch Einsparpotentiale im betriebswirtschaftlichen Kontext eröffnen. Doch was kann konkret getan werden?
Familienkompetenz als wünschenswerter Soft Skill
Sowohl im Klinikalltag als auch im Umgang mit Mitarbeitern darf nie vergessen werden, dass es sich um Menschen mit Bedürfnissen und Wünschen handelt. Diesen begegnen Arbeitgeber vor dem Hintergrund der Familienfreundlichkeit daher am besten im Kontext ihres gesamten Lebens. Das bedeutet, dass Lebensereignisse und -umstände wie
- Elternschaft,
- Elternzeit (auch bei Vätern),
- Schwangerschaft
- und Angehörigenpflege
nicht als lästiges Problem, sondern als naturgegeben betrachtet werden. Darüber hinaus sollten die durch Elternschaft und Pflege gesammelten Kompetenzen entsprechend wertgeschätzt werden.
Gelingt dies, können sich Pflegekräfte und Mediziner sicherer fühlen und müssen sich weniger vor Nachteilen durch ihre Familienplanung fürchten. Um Familien- und Berufsleben miteinander zu verknüpfen, sind gleitende Übergänge ein sinnvoller Ansatz. Mitarbeitern in Elternzeit sollte es ermöglicht werden, in Kontakt zu bleiben und auch in Teilzeit ohne Karriereknick wieder einzusteigen. Mit gesonderten Ansprechpartnern rund um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erhält das Vorhaben mehr Struktur und Verbindung zur Klinik-Philosophie.
Gleichberechtigung zur Förderung aller Talente und Potenziale
Wenngleich sich der Blick auf Frauen, Männer und weitere Geschlechterdefinitionen im beruflichen Umfeld bereits im Wandel befindet, gibt es in der Realität weiterhin viel zu tun. Auch im Hinblick auf die Familienfreundlichkeit kann es von großer Bedeutung sein, bewusst gleichberechtigte Rahmenbedingungen zu schaffen. Damit ist gemeint, dass
- Honorierung,
- Anforderungen,
- Aufstiegschancen
- und der Zugang zu Weiterbildung
allen Geschlechtern gegenüber gleichermaßen gestaltet werden sollte. Dadurch wird ermöglicht, dass Doppelverdiener-Paare wie auch Mütter ihre Karriereziele verfolgen können, ohne sich abgehängt oder benachteiligt zu fühlen.
Für Frauen mit besonders kleinen Kindern, welche eine klinikeigene Betreuungseinrichtung besuchen, sollte außerdem eine angenehme Umgebung für das regelmäßige Stillen geschaffen werden. Auch dies trägt dazu bei, gegebene Unterschiede der Geschlechter zu normalisieren und in den Alltag zu integrieren.
Familie und Beruf vereinen: Verlässlichkeit ist das A und O
Für die Familienfreundlichkeit in der Klinik ist die Struktur, auf welche sich Familien verlassen können, essenziell. Im Familienalltag kann Unsicherheit sonst zahlreiche Probleme und Stressfaktoren nach sich ziehen. Dieser Entwicklung als Arbeitgeber vorzubeugen, ist deshalb ein entscheidender Schritt für das Wohl der Angestellten.
Aspekte wie Einteilung und Umfang der Arbeitszeit und Urlaubsplanung tragen zu verlässlichen Rahmenbedingungen bei. Eltern von Kindern im schulpflichtigen Alter profitieren zudem davon, wenn die Ferienzeit bei ihrer Urlaubsplanung berücksichtigt wird. Ist dies nicht der Fall, entstehen unter Umständen Schwierigkeiten hinsichtlich der Kinderbetreuung.
Besonders familienfreundlich können Kliniken agieren, indem sie selbst Angebote zur Betreuung von Mitarbeiterkindern zur Verfügung stellen. Dies schafft angesichts des Platzmangels in Tagesstätten große Erleichterung. Dabei sollten Kliniken nach Möglichkeit weit flexiblere Öffnungszeiten bieten als andere Tagesstätten. So lässt sich Betreuung auch vor dem Hintergrund eventueller Schichtarbeit realisieren. Eine zusätzliche Betreuung während der Schulferien rundet das familienfreundliche Angebot ab.
Entlastung: Was Arbeitgeber sonst noch tun können
Kinderbetreuung ist ein wesentlicher Aspekt, womit Kliniken ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unter die Arme greifen können. Das bedeutet aber nicht, dass sich allein dadurch das Familienleben weniger fordernd gestaltet. Kliniken, die Familienfreundlichkeit leben möchten, sind daher gut damit beraten, auch über die Betreuung hinaus zu gehen.
Unterstützung in Bezug auf alltägliche Aufgaben und besondere Herausforderungen sorgt für eine weitere Entlastung. Dies kann beispielsweise mit
- einer hauseigenen Wäscherei und Bügelstube,
- aktiver Hilfe bei der Pflege Angehöriger,
- Verpflegung über die Klinikmensa (inkl. Mitnahme-Option und Kindermenüs)
- sowie Services rund um Erledigungen und Einkäufe gelingen.
Im persönlichen Kontext spielt auch die psychologische und psychosoziale Seite eine wichtige Rolle. Kliniken können diesbezüglich Supervisionsangebote schaffen und mit Weiterbildungen rund um Stressmanagement und Prävention gezielt aushelfen.
Familienfreundlichkeit abseits des Arbeitsverhältnisses
Zusätzlich zur Schaffung eines familienfreundlichen Rahmens für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es empfehlenswert, auch an Patientinnen und Patienten zu denken. Dies kann einer Klinik deutliche Standortvorteile bieten, denn wo sich Familien wohlfühlen, kann mit einem positiveren Feedback gerechnet werden.
Wertvolle Ansatzpunkte für eine familienfreundliche Medizin sind beispielsweise:
- Integration weiterer Geschlechtsidentitäten in die Kommunikation und Behandlung
- Einrichtung von Kinderbetreuungslösungen für Patientenfamilien während des Besuchs
- Gestaltung von Still-, Ruhe- und Spielzimmern für Patienten
- kinderfreundliche Absicherung der Umgebung (z.B. Sicherung von Steckdosen)
Im Gespräch bleiben und Bedürfnisse erkennen
Was der Einzelne unter Familienfreundlichkeit versteht, ist oft eine subjektive Frage. Deswegen lohnt es sich für Arbeitgeber mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern regelmäßige Feedbackrunden zu halten. Über Fragebögen kann geklärt werden,
- welche Details die familienfreundliche Atmosphäre noch verbessern könnten,
- was besonders wichtig ist
- und was bereits als angenehm bzw. entlastend empfunden wird.
Darüber hinaus können auch lokale Kooperationen mit Tagesstätten, Pflegediensten und anderen Dienstleistern dabei helfen, als Klinik mit dem Standort vernetzt zu bleiben und sich einen Ruf als familienfreundliche Einrichtung aufzubauen.