
Die Digitalisierung hat Kongresse, Tagungen und Seminare revolutioniert. Trafen sich die Teilnehmer/innen früher vor Ort, so findet die Veranstaltung immer häufiger online statt. In der digitalen Welt müssen Ärzte/-innen keine Reise unternehmen, um daran teilzunehmen. Veranstalter/innen und Teilnehmer/innen sehen zunächst vor allem die Vorteile der Online-Veranstaltung. Man spart die Reisekosten und die Übernachtung für den Besuch von Seminaren, Tagungen und Kongressen.
Inhaltsverzeichnis
Webinar: Besonderheiten, Vor- und Nachteile
Beim Webinar gelten andere Spielregeln, damit der Input ankommt. Die Inhalte bleiben gleich, doch das Format hat sich geändert. Ärzte/-innen als Teilnehmer/innen müssen sich rechtzeitig mit der Webinar-Software vertraut machen. Die richtige Vorbereitung und das online-gerechte Verhalten während der Veranstaltung dürfen nicht unterschätzt werden. Ob man im Präsenzseminar oder online mit den Referenten/-innen oder anderen Teilnehmern/-innen diskutiert, ist ein erheblicher Unterschied. Die Möglichkeit, medizintechnische Produkte zu präsentieren, ist online schon eingeschränkt. Wie lässt sich das via Web durchführen?
Webinar-Vorteile
Gegenüber den klassischen Vorträgen bieten Webinare sowohl Vorteile als auch Nachteile. Die positiven Merkmale des Webinars werden meist einseitig betont: Seminarteilnehmer/innen sparen Zeit und Kosten für die Reise und ggf. die Übernachtung. Die räumliche Beschränkung eines Seminarraums entfällt, so dass auch große Teilnehmerzahlen möglich sind. Im Gegensatz zu anderen Weiterbildungsformen vereint das Webseminar die Formate Video, Audio und Text-Chat. Damit ist eine vielseitige Wissensvermittlung möglich. Ein Webinar lässt sich aufzeichnen, so kann der/die Teilnehmer/in die Aufnahme zu einem späteren Zeitpunkt nochmal ansehen oder sie dem eigenen Team zeigen.
Webinar-Nachteile
Zu den Nachteilen: Seminare am Bildschirm verlangen eine besondere Konzentration. Die Teilnehmer/innen sitzen nicht mit anderen im Seminarraum. Das kann dazu führen, dass man sich leichter ablenken lässt. Als Risiko wird derzeit noch das mögliche Versagen der Technik genannt. Teilnehmer/innen müssen bei Onlineseminaren sehr diszipliniert auf Bewegungen achten und Hintergrundgeräusche vermeiden. Je mehr Personen an einer Schulung teilnehmen, desto kleiner ist der Bildausschnitt. Bei Befragungen haben sich über die Hälfte der Webinar-Teilnehmer zunächst noch skeptisch geäußert und nur eine Seminardauer von zwei bis drei Stunden täglich für sinnvoll gehalten. Tritt der/die Arzt/Ärztin selbst als Referent/in auf, ist die Umstellung auf Webinar für ihn gewöhnungsbedürftig. Die Moderation bei digitaler Wissensvermittlung ist anders als im Präsenzseminar.
Mögliche Vorteile | Mögliche Nachteile |
Einsparung von Reise- und Übernachtungskosten | Geringe Möglichkeit für einen Erfahrungsaustausch mit der Gruppe |
Freie Wahl über Raum und Umgebung | Ablenkungen durch Telefon und sonstige Störungen. Eigene Räume sind nicht ideal |
Meist preisgünstigere Teilnahmegebühren | Motivation der Teilnehmer/innen ist begrenzt, der Abstand zum Alltag fehlt |
Keine Abwerbemöglichkeiten im Seminar durch andere Teilnehmer/innen | „Face to face“-Kontakte zur Gruppe fehlen und können zur „Sozialen Isolation“ führen |
Digitalisierung in der Weiterbildung vereinfacht vieles und hat sich in der Pandemie bewährt | Die Umstellung auf das Onlineformat ist nicht jedermanns Sache |
Attraktivität des E-Learnings | Vorbehalte gegenüber des Lernens am Bildschirm |
Typisch Präsenzseminar
Lässt sich das herkömmliche Weiterbildungssystem also ersetzen? Der Anteil des Präsenztrainings ist augenblicklich noch sehr hoch. Viele Vorteile sprechen noch für das Präsenzseminar: Teilnehmer/innen haben mehr Nähe, die „Tuchfühlung“ zu anderen Teilnehmern/-innen wird geschätzt und beeinflusst das Seminarklima positiv.
Die Pausengespräche untereinander und das „Get-together“ nach der Veranstaltung sind für die Teilnehmer/innen wichtig. Der Erfahrungsaustausch unter Kollegen/-innen in der Pause wird sehr geschätzt, es gibt keine „soziale Isolierung“ wie am Bildschirm. Digitale Seminare erschweren den Erfahrungsaustausch in der Gruppe. Für Teilnehmer/innen an Seminaren und Tagungen ist der Seminarort auch ein Tapetenwechsel, kann für die Wissensaufnahme eine Chance sein.
Weiterbildung hat einen anderen Stellenwert, wenn man selbst die Kosten für Reise und Übernachtung übernimmt. So wie es verschiedene Verkehrsmittel gibt, die ihre Berechtigung haben, existieren verschiedene Lernformen, die sich ergänzen und nicht im Wettbewerb gegen einander stehen sollten. In der Corona-Pandemie bleiben Webinare alternativlos. Für die reine Vermittlung von Wissen sind Webinare geeignet. Die bisherige Seminaratmosphäre lässt sich allerdings nicht komplett digital umsetzen.
Trifft man sich nur noch im Netz?
Eine Veranstaltung ist vergleichbar mit einem Konzertbesuch: zuhause am Bildschirm oder live vor Ort? Tagungen, Symposien, Kongresse oder Seminar werden nicht nur digital stattfinden. Die Reise zur Veranstaltung ist nicht nur ein Kostenaufwand, sondern auch ein „Tapetenwechsel“, der für die Wissensaufnahme förderlich sein kann. Aber das Web als neue Form, Kenntnisse in Online-Veranstaltungen zu erwerben, ist eine echte Alternative – auch für die medizinische Weiterbildung.
Noch fehlt es an verlässlichen Ergebnissen über die Akzeptanz des Webinars bei den Teilnehmern/-innen. Es ist noch unklar, ob die digitale Lernform das Präsenzseminar völlig verdrängt, so wie beispielsweise der Computer die Schreibmaschine. Für die Teilnehmer/innen ist es wichtig, sich im Vorfeld über die Vor- und Nachteile der Lernformen zu informieren, und beide miteinander zu vergleichen.