
Hübscher, besser, schlauer. Sich mit anderen zu vergleichen macht unglücklich. Und trotz allem tun wir es alle. Der Eine mehr, der Andere weniger. Gerade in einer von Perfektion geprägten, modernen Welt, ziehen wir immer wieder Vergleiche.
Auch im Medizinstudium sind die Vergleiche zwischen sich und anderen KommilitonInnen nicht selten. Warum vergleichen wir uns ständig? Und ist Vergleiche anzustellen per se schlecht? Im folgenden Beitrag mehr zu diesem Thema hier zum Nachlesen.
Die Theorie des sozialen Vergleichs
Die „Theorie des sozialen Vergleichs“ wurde 1954 durch den Psychologen Leon Festinger begründet und besagt, dass Menschen Informationen über das eigene Selbst gewinnen, indem sie Vergleiche mit anderen Menschen ziehen.
Hierbei werden drei verschiedene Richtungen unterschieden, in denen Vergleiche gezogen werden:
- Aufwärtsvergleich
- Abwärtsvergleich
- Horizontalvergleich
Aufwärtsvergleich
Von einem sogenannten Aufwärtsvergleich spricht man, wenn man sich mit Menschen vergleicht, die überlegen erscheinen und man der Annahme ist, sie seien schöner, reicher, klüger und glücklicher. Man blickt wortwörtlich auf die Person auf und fühlt sich schnell niedergeschlagen und frustriert. Im Medizinstudium ist dies insbesondere dann der Fall, wenn man zum Beispiel als einzige Person aus dem Freundeskreis eine Klausur nicht bestanden hat und sich denkt: „Ich bin schlechter als die Anderen“.
Die Gedanken- und Gefühlswelt wird negativ beeinflusst und das Selbstbewusstsein und die eigene Wahrnehmung leiden darunter. Aber nicht nur eine nicht bestandene Klausur kann dazu beitragen, dass man sich schlecht fühlt, sondern auch banale Dinge, dass zum Beispiel KommilitonInnen mit dem Lernen weiter sind als man selbst oder andere bessere Noten haben als man selbst.
Abwärtsvergleich
Beim Abwärtsvergleich wird zwischen Menschen verglichen, die vermeintlich unterlegen sind oder Menschen, denen es schlecht geht. Das eigene Selbstwertgefühl wird hierbei gesteigert. Man spricht von einem abwärts gerichteten Vergleich und denkt: „Ich bin besser und das fühlt sich gut an.“ Wenn man eine gute Note in einer Klausur erreicht hat und Andere schlecht abgeschnitten oder nicht bestanden haben, fühlt man sich überlegen und besser und kann auch einen „Höhenflug“ haben. Hierbei besteht die Gefahr, schnell arrogant zu wirken.
Horizontalvergleich
Beim Vergleichen geht es oftmals nicht um den Gegenüber, sondern tatsächlich viel mehr um Einen selbst. Das bedeutet: Man möchte herausfinden, wo man gerade steht und den eigenen Status hinterfragen. Um sich besser einschätzen zu können, vergleicht man sich daher oft mit Menschen, die ähnlich sind und die man kennt. Beispiel hierfür sind Freunde, Geschwister, KommilitonInnen. Beim Horizontalvergleich werden konkrete Vergleichspunkte festgemacht – der Umschlag von einem Horizontalvergleich zu einem Abwärts- bzw. Aufwärtsvergleich kann schnell und fließend erfolgen.
Warum vergleichen wir überhaupt?
Sich mit anderen zu vergleichen, vor allem wenn es in Richtung Neid geht, ist weder gesund noch bringt es einen selbst persönlich weiter. Und trotz allem, sogar ganz unbewusst, ziehen wir Vergleiche. Warum vergleichen wir überhaupt? Die Antwort darauf ist einfach: um Orientierung zu erhalten und den eigenen Status innerhalb der Gesellschaft oder in einer bestimmten Gruppe festzulegen. Oft wird tatsächlich mit Menschen verglichen, die in bestimmten Bereichen besser sind: wir benutzen Vorbilder und wollen deren Status gerne erreichen.
Was ist schlecht am Vergleichen?
Es gibt eine Vielzahl von Gründen, warum man sich nicht mit Anderen vergleichen sollte.
Objektive Vergleiche sind nicht möglich
Zunächst sollte man sich im Klaren sein, dass es nicht möglich ist, sich rein objektiv mit einer anderen Person zu vergleichen. Auch wenn viele Gemeinsamkeiten zwischen den KommilitonInnen bestehen, sind diese nicht ausreichend, um einen rein objektiven Vergleich aufstellen zu können. Der gleiche Studiengang, das gleiche Semester, ähnliche Interessen sind zwar vorhanden, trotz allem ist man verschieden.
Ein Grund dafür, warum die Kommilitonin möglicherweise ein besseres Ergebnis in der Klausur erzielt hat, kann zum Beispiel sein, dass sie bereits zu Beginn des Semesters kontinuierlich gelernt hat, während man sich selbst nur wenige Tage vor der Klausur dem Lernstoff gewidmet hat. Die Hintergründe für ein besseres Klausurergebnis sind nur zu vermuten und ungewiss, weshalb ein Vergleich unnötig und nichtssagend ist. Demnach bringt es Einen auch nicht weiter, wenn man sich immerzu ins Gedächtnis ruft, man sei schlechter als die Anderen.
Geschwächtes Selbstvertrauen
Wer sich dauerhaft mit KomilitonInnen vergleicht, die in bestimmten Bereichen besser sind, wird man sich schnell minderwertig fühlen. Nicht immer gelingt es, sich zu motivieren und sich dies zum Anlass nehmen, die eigenen Fähigkeiten zu verbessern. Häufig tritt nämlich das Gegenteil in Kraft und das Selbstwertgefühl wird geschwächt – man sieht keinen Sinn darin, sich zu verbessern, da man ohnehin davon ausgeht, dass die Vergleichsperson überlegen ist.
Dass dies womöglich stimmt und daran liegt, dass die Person schon seit Monaten lernt, wird häufig nicht bedacht. Theoretisch ist es also möglich, auch so gute Leistungen zu erbringen, wenn man sehr viel Zeit und Energie in das Lernen investiert.
Arrogantes Erscheinen
Sofern man sich durchgehend mit KomilitonInnen vergleicht, die schlechter sind als man selbst und eine gewisse Schadenfreude aufkommt, wenn sie schon wieder durchgefallen sind, kann es möglich sein, dass man schnell abhebt. Vorteilhaft ist es insofern, weil der Vergleich Bestätigung gibt und das Selbstgefühl gestärkt wird. Von Nachteil ist es, dass es arrogant machen kann, wenn man sich ständig mit schlechteren Personen vergleicht. Und arrogante Menschen mag niemand so wirklich.
Vergleiche führen zu nichts
Vergleiche finden ausschließlich im Kopf statt. Da ein Gedankenkarussell keine Effekte erzielen kann, ist es sinnvoller, Taten sprechen zu lassen und zu handeln. Wenn man selbst mit einer Situation unzufrieden ist, dann gilt es diese zu verändern. Und diese Veränderung kann nur durch einen selbst, durch aktive Handlung, erfolgen. Aktive Handlungen können sogar durch ständige Vergleiche gehemmt werden.
Wenn man sich tatsächlich verbessern möchte, dann sollte man für sich selbst herausfinden, wie es gelingen kann und einen Weg finden, das Ziel – sei es in der nächsten Klausur um eine Note besser abzuschneiden – zu erreichen.
Vergleich mit Kommilitonen – Was dagegen tun?
Um damit aufzuhören, sich mit anderen zu vergleichen, muss man zunächst die Routine ändern. Denn: Vergleiche sind Gewohnheiten, die nach einem festen Schema ablaufen und daher strategisch zu durchbrechen sind.
Folgende vier Schritte sind hierbei zu empfehlen:
- Vergleiche bemerken
- Vergleichende Gedanken unterbrechen
- Ursachen identifizieren
- Gedankenmuster ändern
Vergleiche bemerken
Selten gelingt es, bewusst wahrzunehmen, dass man wieder einmal Vergleiche gezogen hat. Vergleiche finden nämlich häufig beiläufig, automatisch und unterbewusst statt. Aus diesem Grund ist es entscheidend zunächst überhaupt ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass man vergleicht – unbekannte Vergleichssituationen können aufgedeckt werden, indem man sich über den Tag verteilt folgende Fragen stellt: „Vergleiche ich mich gerade mit anderen?“ sowie „Wann habe ich mich in der letzten Stunde mit anderen verglichen?“
Vergleichende Gedanken unterbrechen
Sobald das Bewusstsein fürs Vergleichen entwickelt worden ist, gilt es die Gedankengänge zu unterbrechen und durch ein gedankliches „Stopp!“ zu beenden. Vergleiche aufzuspüren und anzuhalten sind ein Grund sich zu freuen.
Ursachen identifizieren
Der 3. Schritt handelt von der Ursachenforschung, wobei man sich die Frage stellt: „Warum habe ich mich mit dieser Person verglichen?“ Nur wenn der wahre Grund für die Vergleiche erkannt werden, ist es auch möglich, diesen entgegen zu steuern und auf eine Veränderung hinzuarbeiten.
Gründe für das Vergleichen können unter anderem sein, dass unterbewusst nach Bestätigung gesucht wird; dann werden Abwärtsvergleiche gemacht oder dass es interessante Eigenschaften gibt, über die eine Person verfügt, die man selber gerne hätte; dann werden Aufwärtsvergleiche gemacht.
Wichtig ist es in jedem Fall, sich die inneren Wünsche/Ursachen für die Vergleiche bewusst werden zu lassen.
Gedankenmuster ändern
Mit der Änderung von Gedankenmuster lassen sich die eigenen Entwicklungspotenziale besser ausschöpfen.
Folgendes destruktives Gedankenmuster kann ersetzt werden: „Meine Kommilitonin hat bessere Noten als ich. Scheinbar bin ich dumm!“.
Ein besseres Gedankenmuster, ohne dass ein Gefühl von Minderwertigkeit entsteht, kann sein: „Meine Kommilitonin hat bessere Noten als ich. Ich hätte auch gerne bessere Noten. Wie hat sie das gemacht? Was könnte ich tun, um besser zu werden?“.
Fragende Ansätze helfen dabei, neue Gedankenmuster langfristig zu verändern und zu wachsen und einen Schritt weiter zu kommen.
Hilfreiche Fragen
Sich in einer Vergleichssituation einige Fragen zu stellen, kann helfen, das Vergleichen zu entschärfen und entgegen zu wirken.
Die Fragestellungen beziehen sich auf
- Nutzen
- Realität
- Kommilitonen
- Ursachen
- Aufwand
- Selbstwert
Nutzen
Im Hinblick auf die Frage nach dem Nutzen wird man schnell feststellen, dass die meisten Vergleiche zu nichts führen und es kein Nutzen gibt. Man kann aber versuchen, aus den Vergleichen ein Nutzen zu ziehen, indem man seine Gedankenmuster verändert.
Realität
Wie bereits erwähnt, ist es nicht möglich einen objektiven Vergleich ziehen zu können.
Aus diesem Grund ist immer nur ein Teilaspekt der Realität zu berücksichtigen, auf welchen der Vergleich beruht.
Kommilitonen
Ein Vergleich kann nur dann Sinn machen, wenn die vergleichenden Teile auch identisch sind. Unter Kommilitonen ist dies nicht möglich, denn niemand ist genau gleich. Diese Annahme ist entscheidend, um zu erkennen, dass es nichts bringt, wenn man sich mit den Kommilitonen vergleicht.
Ursachen
Die Gründe für das Vergleichen können vielfältig sein. Es ist wichtig, heraus zu finden, was dahintersteckt, wenn man Vergleiche zieht. Dadurch kann man sich selbst besser kennen lernen und den persönlichen inneren Drang, wenn man sich vergleicht, besser verstehen.
Aufwand
Der Aufwand für sehr gute Noten bedeutet harte Arbeit – stundenlanges Sitzen am Schreibtisch, während die Anderen soziale Kontakte pflegen und die Freizeit genießen. Hierbei sollte man abwägen, wie viel man bereit ist, zu geben und sich über die Konsequenzen bewusst wird. Manchmal reicht es aus, „nur“ durchschnittlich zu sein und dafür ein glückliches Leben mit Hobbies und Freunden führen zu dürfen.
Selbstwert
Jeden Tag aufs Neue gilt es sich die Frage zu stellen, inwiefern man Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen steigern kann, ohne dabei zu vergleichen. Was sind die Bedürfnisse? Was braucht man wirklich im Leben? Was möchte man erreichen? Ein gesundes Selbstwertgefühl hat dann zur Folge, dass Vergleiche total überflüssig werden.
Fazit: Vergleichen in Maßen
Sich mit anderen zu vergleichen muss nicht per se schlecht sein. Zieht man einen Vergleich mit einer Person, kann diese einen selbst inspirieren und der Ehrgeiz, Fleiß und die Persönlichkeit dieser Person können motivieren, sich auch in diese Richtung entwickeln zu wollen. Es ist wichtig das richtige Maß zu finden und sich bewusst zu machen, dass man sich nicht objektiv mit anderen vergleichen kann.
Missgünstige und frustrierende Gedanken können die eigene Energie stehlen. Es ist wichtiger, sich auf sich selbst zu konzentrieren und ins eigene Handeln über zu gehen. Man ist einzigartig. Und man ist wie man ist. Um ein erfolgreiches und erfülltes, glückliches Medizinstudium erfahren zu wollen, sollte man insofern herausfinden, was man wirklich will. Denn letztendlich kommt es nur darauf an.