
Eine Umfrage des Marburger Bundes über Ärzte aus Berlin und Brandenburg gibt schockierende Einblicke in den Alltag vieler Mediziner. Demnach stehen Klinikärzte in Berlin so enorm unter Druck, dass die Patientenversorgung stark gefährdet sei. 2060 Ärzte wurden im Zuge dessen befragt, 90 % hiervon sind in Kliniken tätig. Obwohl die Befragung deswegen nicht repräsentativ ist, sind die Resultate und Konsequenzen trotzdem belastend – und nicht weniger wahr.
Umfrage: 60 % der Ärzte können nur oberflächlich behandeln
Nach der Befragung berichteten die teilnehmenden Ärzte aus Berlin und Brandenburg, durchschnittlich 50 Stunden pro Woche zu arbeiten. Dies ist insbesondere deswegen gravierend, da es sich hierbei um fast 12 Stunden mehr wie im Arbeitsvertrag festgelegt handelt. 70 % der Befragten gaben zudem an, dass sie mehr als einmal am Tag oder sogar kontinuierlich unter Zeitdruck stehen.
Mehr als die Hälfte der Ärzte seien des Weiteren enttäuscht, dass sie bei der Patientenversorgung ihre eigenen Ansprüche nicht erfüllten. Dies resultiere in einem oberflächlichen “Abarbeiten” der Patienten. Ein Drittel der Befragten fühle sich darüber hinaus oft oder sehr oft ausgebrannt, speziell die Assistenzärzte seien davon betroffen.
Ehemann statt Klinikpersonal hilft bei Geburt
Der Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft betonte, dass niemand sich sorgen müsse, unzureichende Versorgung zu erhalten. In den letzten 15 Jahren sei bundesweit eine Einstellung von 40.000 zusätzlichen Ärzten erfolgt.
Die Problematik liegt aber vielmehr in der steigenden Anzahl der bedürftigen Patienten. Nicht nur Mediziner, auch Pflegekräfte, IT-Fachleute und Hebammen werden demzufolge händeringend in Krankenhäusern gesucht. Der Senat plane den Aufbau einer Ausbildungsakademie.
Mitarbeitende der Berliner Klinik schilderten eine schockierende Situation, welche sich letztes Jahr dort zutrug. Demnach hatte eine “personalfreie” Geburt stattgefunden. Mindestens in einem Fall, wahrscheinlich jedoch in zwei oder drei Fällen brachte man eine Schwangere in den Kreißsaal des Krankenhauses in der Innenstadt.
Da das Personal beschäftigt mit Schwangeren in anderen Sälen war, soll der Begleiter, voraussichtlich der Ehemann, bei der Geburt geholfen haben, bis Mitarbeiter zur Stelle waren. Solche Verhältnisse gilt es in Zukunft zu vermeiden und am besten gar nicht erst entstehen zu lassen.
Patientengerechte Finanzierung der Kliniken
Der Marburger Bund reagierte mit Forderungen auf die erschreckenden Befunde. Mehr Personal müsse zur Verfügung stehen sowie klarere Personaluntergrenzen und eine angemessenere Erfassung der Arbeitszeit. Überdies dürfe keine Kommerzialisierung des Gesundheitswesens erfolgen, dies führe zu falschen Anreizen.
Der Landeschef des Marburger Bundes spricht sich für eine patientengerechte Finanzierung der Kliniken aus. Dementsprechend sei es relevant, die Medizin anstatt die Abrechnungsarithmetik zu priorisieren. Momentan ist es so geregelt, dass die Krankenkassen den Krankenhäusern pauschal pro Fall und Diagnose eine Summe zahlen, von welcher das Personal entlohnt werden soll. Bau und Technik ist hingegen Ländersache.
Gesundheitsminister Spahn entfernte die Pflegevergütung aus den Pauschalen bereits, als die Branche Druck machte. Doch bald sollen sich die Pflegekosten in den Kliniken eher nach den konkreten Aufwendungen richten. Zudem findet eine Ausweitung der Personalquoten in der Pflege statt.