
Die Anzahl der Rettungseinsätze steigt deutschlandweit von Jahr zu Jahr. Gleichzeitig gestaltete es sich aufgrund des Personalmangels immer schwieriger, genügend Notärzte/-ärztinnen für die zahlreichen Rettungseinsätze zu gewinnen. Das Telenotarzt-System soll Abhilfe schaffen. Doch ist damit die Lösung für das Rettungswesen der Zukunft gefunden?
Inhaltsverzeichnis
Was ist ein Telenotarzt?
Telenotärzte/-ärztinnen sind langjährige, erfahrene und besonders geschulte bzw. ausgebildete Notärzte, mit einer Zusatzqualifikation in Telenotfallmedizin, welche von der Ärztekammer offiziell zertifiziert ist. Ein/e Telenotarzt/-ärztin ist immer dann im Einsatz, wenn ein Rettungswagen ohne Arzt/Ärztin an der Einsatzstelle ist, sich aber herausstellt, dass man ein Medikament geben muss oder dass das Wissen der/des Arztes/Ärztin gefragt ist, aber nicht zwingend dessen manuelles Können.
Mithilfe von Telekommunikation, Echtzeit-Vitaldatenübertragung, Sprach- und ggf. Sichtkontakt wird der/die Telenotarzt/-ärztin den Rettungswagen zugeschaltet und versorgt somit Patienten/-innen im Regelrettungsdienst. Der/Die Telenotarzt/-ärztin unterstützt die Rettungskräfte somit vor Ort durch Hilfe bei der Diagnosestellung, allgemeiner ärztliche Beratung und auch bei der rechtssicheren Durchführung therapeutischer Maßnahmen. Durch die Live-Übertragung von Vitalparametern, sowie Sprach- und Bildmaterial kann sich der/die Telenotarzt/-ärztin ein umfangreiches Bild vom Zustand der Patienten/-innen machen – unabhängig davon, ob sich der/die Patient/in in der eigenen Wohnung, am Unfallort oder im Rettungswagen befindet.
So funktioniert das System Telenotarzt
Das Telenotarzt-System versteht sich als ein ganzheitliches System, das unter Berücksichtigung der Anforderungen des Datenschutzes, der Dokumentationsqualität sowie technischer Standards, der Rechtssicherheit und definierten Qualitätsmerkmalen das Rettungsfachpersonal unterstützt. Ziel des Telenotarzt-Systems ist es, dass das nichtärztliche Rettungsdienstpersonal und/oder ein/e Notarzt/-ärztin vor Ort unabhängig vom Einsatzort, jederzeit in Echtzeit mit dem/der Telenotarzt/-ärztin kommunizieren und ihn/sie in den laufenden Versorgungsprozess einbinden können.
Die Kontaktaufnahme zwischen Rettungsteam und Telenotarzt erfolgt per Knopfdruck via Headset. Eine speziell für den rettungsdienstlichen Einsatz entwickelte Kommunikationseinheit sichert eine hochverfügbare Daten- und Sprachübertragung via Mobilfunk von der Einsatzstelle. Daneben ist es dank einer speziellen Kommunikationsbox, die an das portable EKG-Gerät angeschlossen ist, Daten wie Blutdruck der Patienten/-innen sicher an den Arbeitsplatz der Teleärzte/-ärztinnen zu übertragen. Dafür werden die Rettungswagen speziell ausgerüstet und die Besatzungen bekommen eine sogenannte BodyCam, um auch außerhalb des Rettungswagens über alle Kommunikationswege mit dem/ der Telenotarzt/-ärztin verbunden zu sein.
So arbeitet ein Telenotarzt
Beim Einsatz eines Rettungswagens ist in der Regel zunächst kein Notarzt dabei. Die Besatzung besteht aus einem/-r Notfallsanitäter/in und einem/-r Fahrer/in, welche/r über die Qualifikation als Rettungssanitäter verfügt. Sollten vor Ort dann doch noch Notärzte/-ärztinnen benötigt werden, müssen diese benachrichtigt werden um auszurücken. Telenotärzte/-ärztinnen hingegen, kann jederzeit in Echtzeit zugeschaltet werden um sich in Echtzeit ein Bild von Blutdruck, Puls oder Atmung des Patienten zu machen oder eine Medikamentengabe zu verordnen.
Der Arbeitsplatz des Telenotarztes ist oftmals in den Räumlichkeiten der Leitstelle untergebracht. Die Arbeitsplätze der Leitstellendisponenten und der Arbeitsplatz des Telenotarztes sind jedoch voneinander getrennt, womit der Datenschutz vollumfänglich gesichert ist.
Diese Vorteile bietet der Telenotarzt
Die Vorteile des Telenotarzt-Systems liegen klar auf der Hand. Zum einen bleibt der/die konventionelle Notarzt/-ärztin durch den Einsatz von Telenotärzten verfügbar für lebensbedrohliche Einsätze, bei denen dessen manuelle Fertigkeiten erforderlich sind. Des Weiteren sind Telenotärzte/innen für ein großes Einsatzspektrum einsetzbar und können daher die Rettungsfachkräfte häufig und vielfältig unterstützen.
Zusätzlich kann das arztfreie Intervall durch Hinzuziehen der Telenotärzte/-ärztinnen verkürzt werden, wodurch die Patientensicherheit erhöht wird, die selbständige Arbeit der Rettungsteams kann durch die Delegation bei maximaler Rechtssicherheit gewährleistet werden (Beispielsweise bei der Vergabe von Schmerzmitteln).
Rettungsdienstmitarbeiter können in der Übergangsphase von Ausbildung zu eigenständigem Arbeiten bedarfsgerecht unterstützt werden. Doch der wohl größte Vorteil der Telenotärzte/-ärztinnen ist die enorme Zeitersparnis, welche mit dessen Einsatz einhergeht. Der Einsatz von Telenotärzten/-ärztinnen ermöglicht nicht nur eine schnelle strukturierte Anamnese und einen Transport ohne weitere Wartezeiten, ein/e Telenotarzt/-ärztin kann – abhängig vom Einsatzgeschehen – bis zu drei Einsätze nahezu parallel bearbeiten, was natürlich vom Maß der Unterstützungsnotwendigkeit sowie der Erfahrung des Teams vor Ort abhängt. Auch die Gesamteinsatzdauer im Notfalleinsatz ist bei Telenotärzten/-ärztinnen um 50 Prozent kürzer als beim bodengebundenen Notarzt/-ärztin.
In diesen Bundesländern findet der Telenotarzt bereits Anwendung
Das europaweit erste umfassende telemedizinische Rettungsassistenzsystem fand seinen Startschuss in Aachen. Auch in Bayern gibt es bereits Telenotärzte/-ärztinnen. Das Pilotprojekt in Straubing wird unter anderem von der bayerischen Staatsregierung und den dortigen Rettungsdiensten durchgeführt und auch Nordrhein-Westfalen rüstet auf: An die Leitstelle mit dem Telenotarzt-System in Aachen sind inzwischen 30 Rettungswagen in NRW angeschlossen. Der Kreis Heinsberg mit zwei, der Kreis Euskirchen mit fünf, die Städte Region Aachen mit 21 sowie der Kreis Borken mit zwei Rettungswagen.
Doch die Aachener Leistelle arbeitet weit über die Landesgrenze hinaus: So sind in Hessen 14 Rettungswagen im Main-Kinzig-Kreis und im Kreis Korbach angeschlossen. Dies soll voraussichtlich auch noch so bleiben, bis dort eine eigene Telenotarzt-Zentrale betrieben werden kann.