
Dem aktuellen Tarifabschluss ging im Januar 2024 ein Warnstreik der Ärztinnen und Ärzte von Universitätskliniken voran. Die Gewerkschaft hatte dazu aufgerufen. Der Marburger Bund begründete die Aktion damit, dass Universitätsärzte im Lohnverhältnis im Vergleich zu Klinikärzten benachteiligt seien. Das habe schlechtere Arbeitsbedingungen und folglich Einschränkungen in der Patientenversorgung zur Folge, weil sich dadurch weniger Ärzte für eine Anstellung in Unikliniken finden lassen.
Nach fünf Verhandlungsrunden erzielte die Gewerkschaft und Tarifgemeinschaft deutscher Länder im März eine Einigung, die nicht nur eine Gehaltserhöhung umfasst.
Tarifabschluss dringend erforderlich
Der erste Vorsitzende des Marburger Bundes bekräftigt die Problematik, die sich durch fehlende Ärzte zunehmend in der Patientenversorgung ergibt. Schuld gibt er den schlechteren Arbeitsbedingungen, die daraus folgen, wenn zu wenig Ärzte vorhanden sind und somit Überstunden, Stress und Unzufriedenheit zunehmen, weil kaum neue Ärzte anzuwerben sind.
Potenzielle Bewerber ziehen Anstellungen in kommunale Klinken vor, weil das Grundlohnniveau mit 200 bis 600 Euro bei weniger Arbeitsstunden spürbar höher liegt. Hier konnten bereits 2023 Lohnerhöhungen von 8,8 Prozent durch Tarifverhandlungen erwirkt werden. In Zusammenhang mit der allgemein niedrigen Verfügbarkeit von Ärzten, macht sich das nun besonders bei der Arbeitssituation in Uniklinken bemerkbar.
“Um einer weiteren Verschlechterung in Unikliniken entgegenzuwirken und dort beschäftigte Ärzte zu entlasten, ist der Job durch verbesserte Arbeitsbedingungen und Lohnerhöhungen attraktiver zu gestalten”, sagt Hans Martin Wollenberg vom Marburger Bund Niedersachsens.
Forderungen der Gewerkschaft
Aus oben genannten Gründen sah die Gewerkschaft eine Lohnforderung von 12,5 Prozent sowie eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit als gerechtfertigt. Waren beide Seiten gewillt, zu einer Einigung zu gelangen, so konnte nach drei erfolglosen Gesprächsrunden ab dem vierten Gespräch endlich die Detailverhandlung beginnen.
Neuer Tarifabschluss
Für die Ärzte ist eine Gehaltserhöhung von zehn Prozent vereinbart worden, die stufenweise erfolgt: Seit 1. April 2024 erhalten Uni-Ärzte vier Prozent mehr Gehalt und ab 1. Februar 2025 die restlichen sechs Prozent der neu tariflich vereinbarten Gehaltserhöhung.
Zusätzlich gilt seit dem 1. April 2024 eine verringerte Arbeitszeit um zwei Stunden. Damit sinkt sie von 42 auf 40 Arbeitsstunden pro Woche, wie es in kommunalen Klinken seit langem gang und gäbe ist. Zudem wurde die Nachtdienstzulage um eine Stunde verlängert, sodass diese nun von 20 Uhr bis 6 Uhr greift, und nicht wie zuvor, erst um 21 Uhr.
Diese neue Regelung ergibt eine monatliche Arbeitszeitreduzierung von etwa acht Stunden ohne Gehaltsabstriche, womit inklusive Zinzeszinseffekt über eine Laufzeit von 30 Monate der Marburger Bund einen Gehaltsvorteil von insgesamt sogar 15,75 Prozent errechnete.
Der Tarifabschluss für den Entgelttarifvertrag ist bis zum 31. März 2026 bindend, wovon aktuell rund 20.000 Ärzte in 23 Unikliniken bundesweit profitieren. Zahlreiche Unikliniken sind von dieser Tarifeinigung nicht betroffen, wie beispielsweise Unikliniken in Hamburg und Berlin, weil sie nicht dem Marburger Bund angehören.
Tarifabschluss nur teilweise zufriedenstellend
Auch, wenn die Politikerin der Grünen Monika Heinold als Schleswig-Holsteiner Finanzministerin und Verhandlungsführerin der Tarifgemeinschaft deutscher Länder von übernommener Verantwortung beider Parteien spricht, so zeigt sich die erste Vorsitzende des Marburger Bundes Dr. med. Susanne Johna nur bedingt zufriedenstellend.
Mit dem angehobenen Lohnniveau sowie der verkürzten Wochenarbeitszeit sei ein großer Schritt in die richtige Richtung erfolgt. Mit höherem Gehalt und weniger Wochenarbeitszeit liegt nun auch eine ungefähre Gleichstellung mit Ärzten kommunaler Kliniken vor. Dadurch ist zwar eine Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt gegeben, aber der Bedarf an Verbesserungen der Arbeitsbedingung von Ärzten ist weiterhin hoch.
Diese betreffen laut Marburger Bund Neureglungen vor allem für die Schicht- und Wechselschichten, höhere Zuschläge, Arbeitsplanung, Arbeitszeitdokumentationen und die generelle Reduzierung von Verwaltungsarbeiten, die von allen Klinikärzten deutschlandweit seit Jahren kritisiert wird. Die Arbeitsbelastung sei weiterhin für Ärzte so hoch, dass sie deutlich weniger Zeit für ihre Patienten und die fundierte Lehrausbildung haben. Auch das wirkt sich gravierend auf die Patientenversorgung und die Behandlungsqualität aus. Hier sieht der Marburger Bund deshalb weiterhin Handlungsbedarf.