
Viele Mediziner empfehlen älteren Erwachsenen die tägliche Einnahme von Aspirin. Vor allem Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen sollen davon profitieren. Eine tägliche Aspirin-Einnahme kann bei älteren Menschen allerdings das Risiko erhöhen, eine Diagnose für eine fortgeschrittene Krebserkrankungen zu erhalten oder an Krebs zu sterben. Darauf weist eine aktuelle Studie hin.
Zusammenhang zwischen regelmäßiger Aspirin-Einnahme und Krebs untersucht
Im Jahr 2015 empfahl eine unabhängige Expertengruppe in den USA älteren Erwachsenen, regelmäßig niedrig dosiertes Aspirin einzunehmen. Insbesondere die Gruppe der 50- bis 59-jährigen mit einem erhöhten Risiko für Herzleiden könne von der Einnahme profitieren, sofern keine erhöhte Blutungsneigung vorliegt, heißt es in der Empfehlung. Neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen soll Aspirin auch Demenz und Darmkrebs vorbeugen können.
Bislang fehlten jedoch Studienergebnisse, die eine positive Wirkung der vorsorglichen Aspirin-Einnahme bei gesunden Erwachsenen nachweisen. Eine im März 2020 veröffentlichte Studie kommt viel mehr zu dem Schluss, dass die tägliche Einnahme einer geringen Dosis Aspirin ältere Menschen nicht vor Demenz und dem Rückgang geistiger Fähigkeiten schützt.
Das Datenmaterial nutzten Forscher des Massachusetts General Hospital in Bosten, des Berman Centers in Minneapolis, USA, und der Monash University in Melbourne, Australien als Basis für ihre eigene Untersuchung. Ihre Ergebnisse legen einen Zusammenhang zwischen einer täglichen Aspirin-Einnahme und einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko durch Krebs für Menschen im höheren Alter nahe. Probanden, die täglich Aspirin einnahmen, erhielten häufiger eine Diagnose für fortgeschrittenen und metastasierenden Krebs als Studienteilnehmer aus einer Kontrollgruppe, die ein Placebo verabreicht bekamen.
Höheres Risiko für fortgeschrittene Krebserkrankungen und metastasierende Tumore
Die Studie “Aspirin in Reducing Events in the Elderly (ASPREE)” umfasste 19.144 Teilnehmer aus den USA und Australien. Die meisten der Probanden waren über 70 Jahre alt. Zu Studienbeginn lagen bei keinem der Teilnehmer Herz-Kreislauferkrankungen, Demenz oder körperliche Behinderungen vor. Eine Probandengruppe nahm täglich eine Dosis von 100 mg Aspirin ein, die Kontrollgruppe erhielt ein Placebo.
Eine erste Auswertung nach 4,7 Jahren zeigte, dass die Probanden in der Aspirin-Gruppe ein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko aufwiesen. In den meisten dieser Fälle war die Todesursache Krebs. Die aktuelle Untersuchung erforschte den Zusammenhang zwischen der Aspirin-Einnahme und der Entwicklung von Krebserkrankungen genauer.
Insgesamt erkrankten 981 der Teilnehmer aus der Aspirin-Gruppe und 952 Teilnehmer aus der Kontrollgruppe an Krebs. Während dieser Unterschied noch nicht von statistischer Bedeutung ist, war der Anteil der Probanden mit metastasierenden Tumoren in der Aspirin-Gruppe um 19 Prozent höher als in der Kontrollgruppe. Das Risiko, eine Diagnose für eine fortgeschrittene Krebserkrankung zu erhalten, war in der Aspirin-Gruppe um 22 Prozent höher.
Diese Ergebnisse lassen darauf schließen, dass die Teilnehmer der Aspirin-Gruppe auch ein höheres Risiko hatten, an einer fortgeschrittenen Krebserkrankung zu sterben. Tatsächlich wies die Aspirin-Gruppe 1,5 mehr durch Krebs verursachte Todesfälle per 1.000 Personen auf als die Kontrollgruppe. Den Forschern zufolge ist dies im Vergleich mit dem Sterblichkeitsrisiko durch andere Ursachen jedoch ein recht geringer Wert.
Mögliche Ursache: Aspirin unterdrückt Immunantwort auf Krebszellen
Aspirin reduziert entzündliche Prozesse im Körper. Gerade diese Tatsache hat Wissenschaftler vermuten lassen, dass sich Aspirin auch positiv auf entzündlich bedingte Krebserkrankungen auswirkt. Die Autoren der aktuellen Studie sehen in der entzündungshemmenden Wirkung von Aspirin aber auch eine mögliche Ursache für das erhöhte Krebsrisiko unter den Probanden: Aspirin schwäche die Immunreaktion ab, die für die Bekämpfung von Krebszellen in den späteren Phasen des Tumorwachstums wichtig sei, schreiben sie.
Die Forscher schließen aus ihren Ergebnissen, dass bei einer Aspirin-Therapie bei gesunden älteren Menschen Vorsicht angeraten sei. Allerdings müssten Patienten, die bereits regelmäßig niedrig dosiertes Aspirin einnehmen, ihre Therapie jetzt nicht beenden. Das gilt insbesondere für jüngere Patienten. Die Studienergebnisse lassen die Annahme zu, dass die negativen Auswirkungen von Aspirin spezifisch für ältere Erwachsene ab 70 Jahren sind. Vorangegangene Studien weisen darauf hin, dass Aspirin bei älteren Menschen eine andere Wirkung auf zellularer und molekularer Ebene zeigt als bei jüngeren. Eine 2019 veröffentlichte Meta-Analyse mit einer jüngeren Teilnehmergruppe stellte beispielsweise weder einen positiven noch einen negativen Zusammenhang zwischen der regelmäßigen Aspirin-Einnahme und der Entwicklung von Krebserkrankungen fest.