Laut Bundesärztekammer leiden ca. acht Prozent der deutschen Ärzte/Ärztinnen an einer Sucht. Hinzu kommt eine vermutete ebenso hohe Dunkelziffer. Diesen hohen Anteil unter Medizinern/-innen (bei der Normalbevölkerung sind es nur etwa sechs Prozent) führt die Bundesärztekammer auf die hohen physischen und psychischen Belastungen des Berufs zurück. Allerdings dürfte auch der berufsbedingt leichte Zugang zu psychoaktiven Substanzen eine Rolle spielen.
Trotz dieser Erkenntnis, medizinischem Wissen und zahlreicher Hilfsangebote ist die Diagnostik von Suchterkrankungen in der medizinischen Branche schwierig. Die Angst vor Arbeitsplatz- und Approbationsverlust sowie persönliche Blamage und Stigmatisierung hindern viele Süchtige daran, ihr Problem zuzugeben und sich Hilfe zu suchen. Doch Medikamenten- oder Alkoholsucht können gerade im Gesundheitswesen enorme Risiken darstellen.
Wir zeigen Wege für Arbeitgeber/innen im Gesundheitswesen, Süchte zu erkennen, den Betroffenen zu helfen und Risiken für ihre Einrichtungen zu minimieren.
Was ist Sucht?
Sucht bezeichnet einen seelischen Zustand, der ein unbezwingbares Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand darstellt und nur noch mit der entsprechenden Substanz erreicht werden kann. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschreibt Sucht als „Zustand chronischer oder periodischer Vergiftung, die durch den wiederkehrenden Gebrauch von natürlichen oder synthetischen Drogen hervorgerufen wird.“
Entscheidend sind folgende Kriterien:
- unbezwingbares Verlangen zur Beschaffung und Einnahme des Mittels,
- Tendenz zur Steigerung der Dosis,
- psychische/physische Abhängigkeit von der Wirkung,
- Schädlichkeit für Konsument/in und Gesellschaft und/oder
- Kontrollverlust über das eigene Verhalten.
Sucht verlangt immer wieder einen bestimmten Erlebniszustand, wobei der Verstand dem Verlangen untergeordnet ist. Dies beeinträchtigt die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit und zerstört soziale Bindungen sowie Chancen des Individuums.
Suchtmittel: Übersicht
Die Datenlage zur Häufigkeit von Abhängigkeitserkrankungen bei Ärzten/Ärztinnen ist schlecht. Verlässliche Zahlen zu Ärzten/Ärztinnen mit riskantem Gebrauch von Substanzen, manifesten Abhängigkeitsproblematiken, sog. nicht stoffgebundenen Suchtformen sowie Informationen über die Verteilung der verschiedenen suchterzeugenden Verhaltensweisen oder Stoffe auf Facharztgruppen und Geschlechter sind rar.
Einigermaßen sicher ist: Alkohol ist zweifellos die am häufigsten zur Abhängigkeit führende Substanz. Etwa 70 Prozent aller bekanntwerdenden Suchterkrankungen bei Ärzten/Ärztinnen sind durch Alkohol verursacht. Der Anteil von Medikamentenabhängigkeit (v.a. Propofol, Benzodiazepine, Ketamin, Opioide) ist in der Ärzteschaft durch den leichteren Zugang höher als in der Restbevölkerung und folgt auf Platz zwei mit über 20 Prozent. Es gibt jedoch auch andere Süchte, auf die Arbeitgeber/innen im Gesundheitswesen achten sollten.
Suchtmittel: Alkohol
Alkohol ist ein perfides Suchtmittel, da er gesellschaftlich akzeptiert, frei zugänglich und fester Bestandteil sozialer Interaktionen (z.B. bei Festen) ist. Alkoholkonsum ist jedoch risikoreich, da die Grenzen von verantwortungsvollem Konsum und Sucht fließend und individuell sind. Die risikoarme maximale Trinkmenge beträgt bei Männern ca. 30 g bzw. 0,3 l Wein und bei Frauen ca. die Hälfte; das ist jedoch irreführend, da jeder Mensch ein Individuum ist. Ex-Alkoholiker/innen dürfen nicht mal beschwipsten Kuchen essen, während manche Winzer problem- und schadlos einen halben Liter Wein am Tag vertragen.
Eine deutsche Studie zum Thema „Suchterkrankungen unter Medizinern“ von 2008 mit 1.917 Teilnehmern/-innen fand heraus, dass bei rund 20 Prozent ein riskanter Alkoholkonsum vorliegt. Urologen/Urologinnen und Anästhesisten/-innen waren häufiger betroffen als andere Fachärzte/-ärztinnen. Eine Fragebogenerhebung des Kongresses der deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) ermittelte, dass von 830 ausgewerteten Teilnehmern/-innen sogar 40 Prozent erhöhten Alkoholkonsum zeigten.
Suchtmittel: Medikamente
Medikamente sind für Ärzte/Ärztinnen deutlich leichter verfügbar als für Normalbürger/innen, da sie an der Quelle sitzen und diese verschreiben. Aber auch wenn man nicht selbst den Rezeptblock in der Tasche hat, finden viele eine Möglichkeit, eine/n Kollegen/Kollegin (notfalls unter Angabe falscher Gründe) dazu zu bringen, eins auszustellen. Manchmal (wenn auch immer seltener aufgrund fast lückenloser Nahvollziehbarkeiten bei Medikamenten im Krankenhaus) bedienen sich süchtige Ärzte/Ärztinnen sogar aus dem internen „Giftschrank“.
Der Konsum psychoaktiver Medikamente ist unter Ärzten/Ärztinnen ebenfalls höher als in der Allgemeinbevölkerung. Eine großangelegte amerikanische Studie fand heraus, dass etwa jede/r zehnte befragte Arzt/Ärztin regelmäßig Benzodiazepine einnimmt; der Anteil an Opioiden war sogar fast doppelt so hoch.
Suchtmittel: Drogen
Illegale Drogen sind alle Substanzen, die in Anlage I des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) als nicht verkehrsfähig aufgeführt sind (z.B. Heroin, Kokain etc.). Deren Handel und Abgabe sind ebenso strafbar wie der Umgang mit Substanzen aus Anlage II BtMG (verkehrsfähige, aber nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel) ohne Erlaubnis der Bundesopiumstelle. „Legale“ Drogen bzw. deren Handel und Abgabe unterliegen Beschränkungen und sind sog. verkehrsfähige und verschreibungsfähige Betäubungsmittel der Anlage III des BtMG (z.B. Cannabis, Rauschpilze etc.). Ihre Abgabe, Herstellung oder Besitzmenge unterliegt diversen Beschränkungen.
Ärzte/Ärztinnen neigen im Gegensatz zu Alkohol oder Medikamenten weniger zu Drogenmissbrauch, vermutlich da die anderen beiden Varianten für sie leichter zu beschaffen sind. Aussagekräftige Zahlen gibt es hier aber nicht, da die juristischen Konsequenzen zu hoch sind, als dass betroffene Ärzte/Ärztinnen bisher in ausreichender Zahl verlässliche Aussagen getätigt haben.
Nicht stoffgebundene Suchtformen
Nicht zu vernachlässigen sind auch Süchte, die nicht körperlich nachweisbar sind, da man sie anderweitig konsumiert. Dies können z.B. Spielsucht, Sexsucht, Pornosucht, unangemessenes Risikoverhalten oder ähnliche Betätigungen sein, die zwanghafte Ausmaße annehmen.
Hierzu gibt es keinerlei Zahlen, weder für die Ärzteschaft noch für die Allgemeinbevölkerung, da diese Abhängigkeitsproblematiken aktuell fast unmöglich wissenschaftlich verifizierbar zu erfassen sind und sich immer mehr Süchte herauskristallisieren. Die neuste Ergänzung zum inoffiziellen Suchtkatalog ist die Onlinesucht, z.B. nach Videospielen, Chatgruppen, Community-Pages oder Apps wie Instagram, Meta (Ex-Facebook), Twitter oder Dating-Apps wie Tinder. Es ist jedoch teilweise fraglich, ob hier überhaupt im klinischen Sinne von „Sucht“ gesprochen werden kann.
Umgang mit Suchtverhalten
Arbeitgeber/innen und Führungskräfte im Gesundheitswesen sind verantwortlich für ihre eigenen Angestellten sowie ihre Patienten/Patientinnen. Diese Fürsorgepflicht beinhaltet für beide Personengruppen, dass Schaden von ihnen abgewendet werden muss. Um dies zu gewährleisten, sollten in Betriebs- oder Dienstvereinbarungen geregelte Verfahrensabläufe für diverse Szenarien festgeschrieben werden. Darunter sollten auch verbindliche Maßnahmen bei Suchterkrankungen enthalten sein.
Suchtverhalten erkennen
Man erkennt Beschäftigte mit möglichen Suchtproblemen als Arbeitgeber/in oder Führungskraft am besten durch die Wahrnehmung anderer. Bei der täglichen gemeinsamen Arbeit nehmen Kollegen/Kolleginnen Wesensveränderungen anderer Mitarbeiter/innen frühzeitiger wahr. Sollten diese einen Verdacht hegen, empfiehlt es sich bei gutem Arbeitsklima meist schon, den/die Betroffene/n direkt anzusprechen und somit ein eventuelles Überdenken der eigenen Handlung zu erreichen. Erst wenn dies nicht gelingt, sollten Kollegen/-innen ihre Beobachtungen melden.
Beschäftigte mit einer möglichen Suchtproblematik können durch gravierende Verhaltensveränderungen im Arbeitsverhalten, Sozialverhalten oder Gesundheitsverhalten auffällig werden. Wenn z.B. entspannte Ärzte/-innen plötzlich aggressiv auftreten, gesellige Pfleger/innen plötzlich nicht mehr an Gruppenaktivitäten teilnehmen oder Therapeuten/-innen plötzlich blass und kränklich aussehen, ist Vorsicht geboten.
Suchtverhalten ansprechen
Zeigt ein/e Mitarbeiter/in auffälliges Verhalten, das auf eine Sucht hinweist, gehört es zur Verantwortung der Führungskräfte, ihn/sie darauf anzusprechen. Führungskräfte sollten sich hierzu Unterstützung von der Personalabteilung und dem Betriebsrat holen. Personalverantwortliche können im Fall eines Suchtverdachts die Gespräche zwischen Führungskraft und Mitarbeiter/in neutral moderieren.
Suchtverhalten anzusprechen ist im Idealfall ein geregelter Prozess mit klaren Ansagen, der das mit Scham besetzte Thema sensibel, aber effektiv angeht. Ein/e süchtige/r Pfleger/in oder Arzt/Ärztin gefährdet mit seiner/ihrer Sucht nicht nur die eigene Gesundheit und berufliche Tätigkeit, sondern auch die Arbeit der Kollegen/-innen und letzten Endes auch die Gesundheit oder gar das Leben der Patienten/-innen. Daher ist eine Intervention bei Suchtverhalten Pflicht. Konsequentes Einschreiten heißt, dass Auffälligkeiten im Arbeits- und Sozialverhalten des/-r Mitarbeiters/Mitarbeiterin dokumentiert und der/die Betroffene in einem persönlichen Gespräch damit konfrontiert wird.
Um Ausflüchte des/-r Suchtabhängigen zu vermeiden, sollten Arbeitgeber/innen und Führungskräfte im Gespräch explizit das Wort Alkohol, Drogen oder Medikamente verwenden, z.B.: „Ich glaube, dass Ihr Leistungsabfall mit Alkohol-/Drogen-/Medikamentenmissbrauch zu tun hat.“ Ausreden sollten nicht akzeptiert werden, sondern konkret die folgenden Szenarien besprochen werden:
- Welche Verhaltensänderungen aus dienstlicher Sicht erwartet werden (z.B. nur nüchtern/drogenfrei während der Schicht)
- Welche konkreten Hilfsangebote und -möglichkeiten bestehen (z.B. ambulante oder stationäre Entzugs- und/oder Gesprächstherapie)
- Was sind die Konsequenzen, die bei andauernden Problemen drohen (z.B. Freistellung, Kündigung, Approbationsentzug)
Sucht: Praktische Tipps für Arbeitgeber/innen im Gesundheitswesen
Hat der/die Arbeitgeber/in im Gesundheitswesen eine Suchtproblematik entweder selbst erkannt oder anderweitig von ihr Kenntnis erlangt, ist er/sie juristisch zum Handeln verpflichtet. Man ist verpflichtet, möglichen Schaden präventiv von seinen Patienten/Patientinnen abzuwenden, die übrige Belegschaft zu schützen und den/die Betroffene/n im Auge zu behalten. Dies heißt jedoch nicht zwangsläufig Kündigung, Versetzung oder Freistellung.
Therapie vor Sanktionierung
Ist noch kein Schaden entstanden (d.h. niemand wurde verletzt), gilt zunächst das Prinzip „Therapie vor Sanktionierung“. Insbesondere dann, wenn keine berufliche Tätigkeit unter Einfluss von Suchtmitteln ausgeübt wurde und keine Patientenbelange verletzt wurden, kann eine ärztliche Tätigkeit prinzipiell fortgesetzt werden.
In diesen Fällen wird der/die Drogen- und Suchtbeauftragte der Landesärztekammer informiert. Die juristische Grundlage hierfür bildet die Mitteilung in Strafsachen (MiStra), in der speziell Nr. 26 die Meldepflicht für straffällig gewordene Angehörige von Heilberufen regelt. Der/die Beauftragte übt in Absprache mit dem Landesprüfungsamt eine sog. „begleitende Kontrollfunktion“ aus.
Dies bedeutet, dass regelmäßige Gesprächstermine mit den betroffenen Ärzten/Ärztinnen vereinbart werden, die neben einer kontrollierenden auch eine therapeutische Funktion haben. Diese Gespräche ersetzen jedoch keine Entzugstherapie; diese muss separat durchgeführt werden und deren Regelmäßigkeit kann auch von Arbeitgeber/in und Suchtbeauftragtem/-beauftragter stichprobenartig überprüft werden.
Hilfe für Betroffene holen
Der erste Schritt aus der Sucht ist der schwierigste. Arbeitgeber/innen sollten ihren Arbeitnehmern/-innen daher die Schwelle zu Hilfsangeboten so flach wie möglich gestalten und ihnen die Richtung weisen. Betroffene erhalten Hilfe bei den folgenden Informationsangeboten und Hilfsprogrammen Unterstützung:
- innerbetriebliche Unterstützung: Betriebsrat/Personalrat
- externe Unterstützung: Suchtberatungsstellen
- therapeutische Maßnahmen: Rentenversicherungsträger oder Krankenkassen
Sofort absichernde Maßnahmen ergreifen
Arbeitgeber/innen im Gesundheitswesen sollten zum Fremd- und Eigenschutz sofort nach Kenntnisnahme eines Suchtproblems folgende Maßnahmen ergreifen:
- In einer gemeinsamen Sitzung mit allen Betroffenen (Süchtige/r, ggf. deren Anwalt/Anwältin, Personalleitung, Geschäftsleitung, Stationsleitung) sollte über die Maßnahmen beraten werden, die ab jetzt nötig, geeignet und ausreichend sind, die ärztliche Tätigkeit mit dem Patientenschutz zu vereinbaren.
- Diese Maßnahmen können aus einzelnen oder einer Kombination der folgenden Instrumentarien bestehen: berufsbegleitende Supervision, begleitende Therapie, regelmäßiges Vorlegen von Laborwerten, Einschränkung der beruflichen Bewegungsfelder, freiwillige Selbstverpflichtung durch Vertrag, Auflagen im Rahmen einer Berufserlaubnis.
- Der/die Therapeut/in sollte schriftlich festgelegt und dazu ermächtigt werden, dem/der Arbeitgeber/in gegenüber die regelmäßige Teilnahme zu bestätigen.
- Um die Sicherstellung einer qualifizierten Patientenversorgung einerseits und therapeutische Hilfe andererseits zu gewährleisten, sollte eine sofortige Schweigepflichtentbindung gegenüber der/-m Drogen- und Suchtbeauftragten erfolgen. Diese beinhaltet einen Nachweis über wahrgenommene Behandlungen sowie das Übermitteln von Ergebnissen eventueller Drogenscreenings und Laboruntersuchungen, nicht jedoch die Inhalte der Therapie.
- Es sollte eine vorsorgliche Vereinbarung über ein Rückfall-Management getroffen werden, bevor es notwendig wird.
- Je nach Konstellation und Suchtmittel sollten Drogenscreening-Untersuchungen veranlasst und terminiert werden. Die Kosten hierfür können den Ärzten/Ärztinnen selbst angelastet und zugemutet werden.
- Ein explizites Hilfsangebot zur Organisation von ambulanten bzw. stationären Therapien sollte ausgesprochen und schriftlich fixiert werden. Solche Hilfen gibt es beim Ärztlichen Versorgungswerk oder Krankenversicherungen.
Entgeltfortzahlung und personalrechtliche Maßnahmen
Ist ein/e Arbeitnehmer/in durch die Sucht unfähig, Arbeitsleistung zu erbringen, hat er/sie einen Anspruch auf sechs Wochen Entgeltfortzahlung, da Suchtkrankheiten zu den anerkannten Krankheiten zählen. Dies trifft auch zu, falls der/die Erkrankte rückfällig wird.
Erscheinen Mitarbeiter/innen z.B. einmalig betrunken zur Arbeit, ist das (noch) kein Kündigungsgrund. Bei Alkoholismus können nur die personenbedingte und nicht die verhaltensbedingte Kündigung angewendet werden. Dies gilt auch dann, wenn die Trunksucht den Betriebsablauf stört.
Suchtprobleme am Arbeitsplatz berechtigen nur zur Kündigung, wenn der/die Mitarbeiter/in in der Vergangenheit für einen längeren Zeitraum gefehlt hat, eine Genesung unwahrscheinlich ist und der Arbeitsplatz aus betrieblichen Gründen wieder besetzt werden muss.
Vor der Kündigung sollte geprüft werden, ob eine Entziehungskur hilfreich ist. Sollte sich der/die Mitarbeiter/in weigern, ist das noch immer keine Kündigungsrechtfertigung, denn der/die Betroffene ist wegen der Erkrankung nicht zu freien Entscheidungen in der Lage.
Personenbedingt kann wegen Krankheit gekündigt werden, wenn folgende Punkte zutreffen:
- lange Arbeitsunfähigkeit oder häufige Kurzerkrankungen,
- die Erkrankung wird wahrscheinlich für eine nicht absehbare Zeit andauern,
- eine negative Zukunftsprognose führt zu unzumutbaren Beeinträchtigungen im Betrieb und/oder
- eine Heilmaßnahme ist bereits negativ verlaufen.
Folgen Kündigung und Kündigungsschutzklage, muss das Arbeitsgericht ein medizinisches Sachverständigengutachten einholen und beurteilen, ob der Rückfall selbstverschuldet herbeigeführt wurde. Ist dies nicht eindeutig feststellbar, spricht sich das Gericht meist zugunsten des/-r Betroffenen aus.
Juristische Verpflichtungen und Sanktionierungen
Arbeitnehmer/innen dürfen sich nach DGUV Vorschrift 1, § 15 (2) durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen, durch den man sich selbst oder andere gefährden könnte. Teilt der/die Arbeitnehmer/in mit, dass er/sie suchtkrank ist, muss der/die Arbeitgeber/in der gesetzlichen Fürsorgepflicht nachkommen und gesundheitsbezogene Gespräche führen sowie Hilfe anbieten. Ziel muss zunächst eine Reintegration in den Arbeitsprozess sein; ist dies unmöglich, kann ein Kündigungsverfahren eingeleitet werden.
Scheint eine sichere Patientenbehandlung gefährdet oder wurde ein/e Patient/in bereits verletzt, ist eine juristische Sanktionierung nicht zu umgehen. In diesen Fällen sollte man sich bzgl. weiterer Schritte schnellstens an die eigene Rechtsabteilung wenden und deren Rat befolgen. Doch auch dann muss nicht sofort ein approbationsrechtliches Verfahren eingeleitet werden.
Sollte jedoch ein Berufsgerichtsverfahren unumgänglich sein, gibt es abgestufte Sanktionsmöglichkeiten. Sie reichen von der Rüge über den Verweis, die Entziehung des passiven Berufswahlrechts bis zu einer Geldbuße in Höhe von maximal 50.000 Euro. Erst ganz am Ende der Eskalationsskala steht die Feststellung der Unwürdigkeit, den Arztberuf auszuüben.
Sucht-Prävention: Gesunde Arbeitsbedingungen
Prävention ist besser als Therapie, das gilt vor allem für Süchte. Aufgrund des hohen Stressfaktors im medizinischen Bereich ist daher besonderer Bedarf vorhanden, vorsorgend einzuwirken. Die alleinige Schuld liegt nämlich nur im seltensten Fall bei dem/-r Süchtigen selbst. Die Arbeitsbedingungen spielen eine große Rolle, um Sucht zu verhindern bzw. einzuschränken. Süchte haben multifaktorielle Ursachen, die genauso wie andere psychische Belastungen sowohl auf äußere Faktoren (z.B. Stress, Schichtdienst, Leistungsdruck) als auch auf soziale Komponenten (z.B. Führungsverhalten der Stationsleitung/Vorgesetzten) zurückzuführen sind.
Suchtprävention oder Suchtvorbeugung sowie das Angebot einer Beratung sollten daher in das betriebliches Gesundheitsmanagement integriert werden. Speziell in Zeiten von Corona mit zunehmender Arbeitsverdichtung und einem gleichzeitigen Rückgang qualifizierter Arbeitnehmer/innen im Gesundheitswesen sollten Führungskräfte und Arbeitgeber/innen in die Gesunderhaltung ihrer Arbeitskräfte investieren. Die folgende Checkliste hilft bei der Einschätzung des eigenen Arbeitsumfelds.
Ein Arbeitsumfeld ist gesund, wenn:
- es herausfordert, aber nicht überfordert,
- es die geleistete Arbeit angemessen wertschätzt und entlohnt,
- darin vertrauensvoll zusammengearbeitet sowie fair miteinander umgegangen wird,
- die erbrachte Arbeit als sinnvoll betrachtet wird und
- eine sichere Perspektive bzgl. Aufstiegs- und Weiterbildungschancen vorhanden ist.