
Diese Studie sorgt für Aufsehen und Widerspruch. Im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hat das Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) die Krankenhaus-Infrastruktur in Deutschland untersucht und schlägt eine drastische Reduzierung der Klinik-Zahl vor. Sie soll von derzeit fast 1.400 auf rund 600 sinken. Anders ausgedrückt: von fünf Krankenhäusern sollen zwei übrig bleiben.
“Big is beautiful” – dieses Motto zieht sich durch die gesamte IGES-Untersuchung. Nur in größeren Krankenhäusern sei es möglich, eine breitgefächerte und erstklassige medizinische Versorgung rund um die Uhr zu gewährleisten. Kleinere Häuser seien dazu nicht in der Lage, weil sie nicht über entsprechendes Personal und die nötige Ausstattung verfügten, um alle Medizinbereiche adäquat abzudecken. Die zwangsläufige Folge seien Lücken in der Versorgung. Diese führten häufig zu Komplikationen, manchmal sogar zu Todesfällen, die nicht sein müssten.
Konzentration der Kräfte auf wenige große Häuser
Knappe Personal- und auch Ausstattungs-Ressourcen bündeln, wenn keine Aufstockung möglich ist. So das Ergebnis der Studie. Oder anders ausgedrückt: eine Konzentration der Kräfte auf eine überschaubare Zahl von Krankenhäusern, die dann über entsprechend erweiterte Betten-Kapazitäten verfügen müssten. Ein verbreitetes Krankenhaus-Sterben würde mit der Entwicklung einiger Häuser zu Großkliniken einhergehen.
Im Endergebnis sollte die Krankenhaus-Struktur laut Studie künftig wie folgt aussehen:
- bundesweit gäbe es rund 50 Unikliniken oder sogenannte “Maximalversorger” mit einer durchschnittlichen Zahl von 1.300 Betten pro Klinikum;
- daneben bestünde ein flächendeckendes Netz von etwa 550 Versorgungs-Krankenhäusern mit jeweils gut 600 Betten pro Haus.
Heute verfügt ein Krankenhaus in Deutschland durchschnittlich über weniger als 300 Betten, jedes dritte Haus kann nicht einmal 100 Patienten gleichzeitig aufnehmen. Diese Zahlen machen den gewaltigen Umbruch deutlich, den eine Umsetzung der Empfehlungen bedeuten würde. Andererseits ist die wirtschaftliche Lage vieler Krankenhäuser alles andere als rosig. Jede dritte Klinik hat 2017 rote Zahlen geschrieben. Kostensenkungspotentiale durch Rationalisierung und effizientere Abläufe sind inzwischen weitgehend ausgeschöpft. An dieser Schraube lässt sich also nicht mehr drehen. Strukturelle Ertragsverbesserungen sind auch nicht zu erwarten.
Es geht aber nicht einfach nur um eine “Umverteilung” von Betten auf wenige große Häuser. Die Studie will Patienten auch seltener und kürzer in Krankenhäusern sehen. Die Zahl der Bettentage pro Einwohner im Krankenhaus liege in Deutschland um 70 Prozent über der in vergleichbaren EU-Ländern. Jedes Jahr würden hierzulande rund fünf Millionen Patienten im Krankenhaus behandelt obwohl das durchaus auch ambulant geschehen könne. Eine Absenkung auf 14 Mio. Krankenhausfälle im Jahr nennt die Studie als Zielmarke 2030.
Kritik von vielen Seiten
Dass solche drastischen Vorschläge nicht ohne kritische Resonanz bleiben, ist nicht verwunderlich. Heftiger Widerspruch kommt von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), dem Dachverband der Krankenhausträger. Deren Präsident Gerald Gaß nennt die Vorschläge “… Zerstörung von sozialer Infrastruktur in einem geradezu abenteuerlichen Ausmaß.” Sie widersprächen dem Anspruch, überall gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland zu gewährleisten. Auch sei die Einschätzung, dass nur bei größeren Einheiten eine gute medizinische Versorgung möglich sei, nicht belegt. In ähnlicher Weise – wenn auch moderater und zu besonderen Aspekten – äußerten sich SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der Vorsitzende der Ärztevereinigung Marburger Bund, Rudolf Henke, und der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt. Die Diskussion dürfte damit noch nicht beendet sein.