Eine Lungenentzündung und ihre Folgen können lebensbedrohlich werden. Das gilt vor ...
Anstrengende und Kraft raubende PatientInnen sind für Ärzte und Ärztinnen immer eine Herausforderung. Wie man mit ihnen umgeht, lernen viele dennoch nach einiger Zeit. Eine aktuelle Studie kam jedoch nun zu einem schockierenden Ergebnis: Störenfriede als PatientInnen erhalten häufiger Fehldiagnosen.
Sechs Typen von störendem Verhalten
Einen Besserwisser als Patient oder Patientin zu haben ist besonders nervenzehrend, da dieser den Arzt konstant aufklären, belehren und instruieren möchte. Er habe ja Google befragt und herausgefunden, dass er diese und jene Erkrankung habe und dementsprechend eine bestimmte Behandlung erfahren müsse. Er sieht dabei nicht ein, dass jahrelanges Lernen über medizinisches Wissen eines erfahrenen Arztes Google übertreffe.
Leider riskieren Besserwisser im Arztzimmer mehr als nur ein Augenrollen, wenn sie mit ihren Leiden eintreffen. Psychologen an der Erasmus-Universität Rotterdam untersuchten genau dieses Phänomen, da Begegnungen zwischen Arzt und Patient oftmals emotional aufgeladen seien. Doch wozu führe diese emotionale Atmosphäre tatsächlich? Dazu existierte bis dato keine wissenschaftliche Forschung, lediglich die Beschreibung “schwieriger” Patienten war in der Fachliteratur verankert.
Deswegen befragten die WissenschaftlerInnen Ärzte und Ärztinnen und legten sechs Typen von “störendem Verhalten” fest:
- Störenfried: stellt Forderungen und Fragen
- Aggressiver Patient: meckert den Arzt an
- Besserwisser: zweifelt die Kompetenz des Arztes an
- Patient, welcher ärztlichen Rat ignoriert
- Patient ohne jegliche Erwartungen an den Arzt
- Hilfloser Patient: tritt ängstlich und ratlos auf
Um reale Erkenntnisgewinne zu erhalten, wurden 63 angehende Hausärzte und 74 Internisten einem Experiment unterzogen.
Angehende Ärzte bekamen klinische Vignetten
Die Teilnehmenden des Experimentes erhielten im Zuge dessen klinische Vignetten. Diese bestanden aus kurzen, standardisierten Fallberichten, wobei neben den Beschwerden und vorherigen Behandlungen der PatientInnen gleichermaßen das Verhalten dieser stand.
Die Krankheitsfälle waren hierbei echt und nicht gefälscht. Zudem differenzierten die WissenschaftlerInnen zwischen einfach zu diagnostizierenden Erkrankungen wie einer Lungenentzündung und schwierigeren Fällen wie z.B. die Insuffizienz der Nebennierenrinde. Wie sich die PatientInnen verhielten, wurde dabei nur beiläufig erwähnt. Ein Beispiel hierfür ist Patient X, welcher sich über die Wartezeit ärgerte und sich in “rauem Ton” äußerte. Ein anderer Patient wies dahingegen nur kurz auf die Wartezeit hin, ohne wertend zu sein.
Diese Bedingungen mixten die WissenschaftlerInnen: sowohl die unauffälligen als auch “schwierige” Patienten hatten komplexere Symptome oder Erkrankungen.
Die Aufgabe der Medizinstudierenden lag darin, die sechs bis acht Vignetten durchzulesen und im Anschluss eine Diagnose aufzuschreiben. Darüber hinaus sollten die angehenden MedizinerInnen anmerken, wie viel Zeit sie für eine Diagnose in Anspruch nahmen. Dem Experiment mangelte es also nicht an Validität, da der Arbeitsalltag eines Arztes leider meist genauso aussieht: unter Druck stehen und alles richtig machen müssen – am besten schnellstmöglich.
Hatte der oder die Teilnehmende die Diagnostik abgeschlossen, sollte er oder sie eine Urteile prüfen. Außerdem sollten die Befragten auf einer Skala vermerken, wie sympathisch die PatientInnen waren.
Störenfriede erhalten eher Fehldiagnosen
Ein positiver Befund war, dass die Teilnehmenden die Fälle der Störenfriede nicht direkt beiseite legten, sondern genauso lange über die Diagnosen nachdachten. Trotzdem täuschten sie sich bei den Störenfrieden viel öfter, auch nach zweitem Überlegen.
Wenn es sich in der Vignette um ein komplizierteres Krankheitsbild handelte, machten angehende HausärztInnen bei Störenfrieden bis zu 42 % mehr Fehler. Bei alltäglichen oder einfacheren Beschwerden waren Fehler in der Diagnose glücklicherweise nur um 6 % wahrscheinlicher.
Doch warum ist dem so? Die Psychologen vermuten, dass die gehäufte Fehlerwahrscheinlichkeit aus der Beschäftigung mit den komplizierteren PatientInnen den ÄrztInnen die Kraft nahm, die sie eigentlich bei der Analyse gebraucht hätten. Denn die geistigen Ressourcen zur Problemlösung eines Menschen sind begrenzt. Hoffentlich können sich praktizierende Ärzte und Ärztinnen darüber klar werden, was das bedeutet: PatientInnen könne man nochmal zur Überprüfung zu einem anderen Kollegen schicken oder den Fall nochmals prüfen.
Näheres zum Umgang mit “schwierigen” Patienten findet sich im Artikel Schwierige“ Patienten: Tipps zum Umgang für Ärzte.