Seit einigen Jahren wird ein vermehrter Ärztebedarf unter Experten diskutiert und Medien berichten regelmäßig über einen Ärztemangel. Doch ist es allein der Mangel an Ärzten oder hat es andere Gründe, warum auch viele Patienten die Situation in Deutschland kritisch betrachten?
Ärzteanzahl in Deutschland
Lange Termin-Wartezeiten vor allem bei Fachärzten, volle Wartezimmer bei Hausärzten und zunehmend weniger Praxen außerhalb von Stadtbezirken verstärken den Eindruck eines Ärztemangels. Die aktuellen Zahlen aus dem Bundesarztregister zeigen allerdings, dass es nicht an Medizinern in der Anzahl fehlt. Im Gegenteil, denn 2020 wurde sogar ein deutlicher Anstieg an Vertragsärzten inklusive Psychotherapeuten von 1.5 Prozent verzeichnet. Der KVB- Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen und der Stellvertreter Dr. Stephan Hofmeister sehen die Problematik an anderen Stellen.
Gründe für Ärztebedarf
Obwohl es in den letzten Jahren einen deutlichen Ärztezuwachs gab, nimmt die Verfügbarkeit von Vertragsärzten und -psychotherapeuten weiter ab. Die Experten sehen hier das Fiasko hauptsächlich in der Verteilung, in fehlenden Nachfolgern insbesondere von Hausärzten, und dem Trend von Anstellungen sowie Teilzeitarbeit (steigende Tendenz).
Während 1.5 Prozent mehr Vertragsärzte und -psychotherapeuten vorhanden sind, liegt durch Angestelltenverhältnisse und Teilzeitarbeit der tatsächliche Zuwachs aber nur bei 0.8 Prozent. Das wirkt sich auf die Verfügbarkeit in puncto Zeit aus, denn je weniger Arbeitsstunden ein Arzt bietet, desto weniger Patienten kann er behandeln. Je mehr Ärzte ein Angestelltenverhältnis bevorzugen, desto weniger Nachfolger für Praxen stehen zur Verfügung.
Nicht viel besser sieht es in Krankenhäusern aus. Fehlende Investitionen und maximale Sparmaßnahmen erlauben in den zunehmend privatisierenden Krankenhäusern nur eine beschränkte Arztanzahl. Beispielsweise gibt es in Dänemark zwar weniger Ärzte, aber der Anteil beträgt 3.3 pro 1.000 Belegungstage. In Deutschlands Krankenhäusern sind dagegen nur 0.9 Ärzte je 1.000 Belegungstage tätig. Das lässt einen erhöhten Ärztebedarf erkennen.
Ärztebedarf: Kritische Situation bei Hausärzten
In der heutigen Zeit nimmt das Interesse der Medizinstudenten ab, als Allgemeinmediziner und somit als (klassischer) Hausarzt tätig zu werden. Aktuelle Zahlen belegen eine Anzahl von 10.4 Prozent von Abschlüssen als Generalist. Damit spezialisieren sich knapp 90 Prozent der Medizinabsolventen auf Fachbereiche mit Facharztanerkennung. Kein Wunder, dass in der Folge weniger Hausärzte als Nachfolger zu finden sind. Zudem bevorzugen die wenigen Neu-Generalisten Stadtlage/-nähe, während heutzutage kaum noch jemand im ländlichen Bereich eine Praxis führen möchte – dort, wo deutschlandweit vielerorts mittlerweile ein hoher Ärztebedarf besteht. Hier sind sich die Experten einig, dass deutliche Anreize zu schaffen sind, damit die Situation von in Bezug auf Hausärzte nicht in einer Katastrophe endet.
Mehr Fachspezialisten
Während immer weniger Ärzte als Allgemeinmediziner tätig werden, steigt hingegen die Anzahl der Fachärzte. Vor allem in den Bereichen der Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendmedizin sowie der Neurologen (Nervenärzte) ist das der Fall. Dies beruht auf der neuen Bedarfsreform, die durch den Gemeinsamen Bundesausschuss 2019 in Leben erweckt wurde. Dadurch wurden weitreichende Möglichkeiten zur Niederlassung eingeräumt und folglich das Desinteresse an Allgemeinmedizin weiter begünstigt.