Social Media im Medizin-Bereich ist kein Neuland mehr. Immer mehr Kliniken und Ärzte nutzen soziale Netzwerke für ihre Mission. Doch welche Kanäle eignen sich überhaupt für Kommunikation und Personalgewinnung? Gibt es Unterschiede mit Blick auf Zielgruppen und Strategien? Wir haben mal nachgeforscht. Spoiler: Facebook nutzen eher etablierte Menschen über 35, und ohne Authentizität und regelmäßige Bespielung geht es nicht.
Jüngere Ärzte, Pfleger oder Verwaltungsangestellte tummeln sich selbstverständlich alltäglich im Netz. Völlig logisch, dass Kommunikatoren und Öffentlichkeitsarbeiter in der Medizinbranche in puncto Personalgewinnung darauf drängen, dort aktiv zu sein.
Wer dabei vor allem an das gute alte Flaggschiff Facebook aus den USA denkt, liegt nicht immer richtig.
Mit Social Media Mitarbeiter gewinnen und halten
Unter dem Motto „wo zufriedene Mitarbeiter tätig sind, gibt es auch zufriedene Patienten“, richtet das Helios Klinikum Berlin Buch seine Social Media Strategie aus. „Unsere Pflegekräfte sollen Wertschätzung erfahren. Jeder Mitarbeiter ist uns so wichtig, dass wir zeigen wollen, was er täglich in unserem Haus leistet“, so Franziska Lück, Senior Marketing Managerin. Inzwischen sind viele Mitarbeiter schon zu „Inhouse Influencern“ geworden. „Extern sprechen wir potenzielle Arbeitnehmer an und zeigen, wie viel Beachtung und Wertschätzung die Pflege bei uns erfährt. In Zeiten des Fachkräftemangels und des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes (PpSG), gibt es ein Fokusthema, welches über den Erfolg von Krankenhäusern mitentscheiden wird: Kann das Klinikum genug neue Mitarbeiter gewinnen und halten?“
So spielen die Plattformen Facebook, Instagram, Twitter, XING, LinkedIn und TikTok eine bedeutende Rolle im Kommunikationsmix der Klinik: „Eine zweite wichtige externe Zielgruppe sind natürlich unsere Patienten und potenzielle Patienten. Diese versorgen wir regelmäßig mit an den jeweiligen Kanal angepassten Inhalten. Mit Patientengeschichten, wichtigen Informationen aus unserem Haus und tiefe Einblicke in unseren Alltag demonstrieren wir unsere Leistungen und binden unsere Experten ein. So zeichnen wir ein authentisches und transparentes Bild von unserem Klinikum, werden extern greifbarer und eröffnen, wo möglich, einen Dialog mit unseren Zielgruppen“, so Lück.
Facebook ist mit etwa 2,5 Millarden Nutzern weltweltweit das größte Netzwerk. „Eine gute Plattform für Personalgewinnung“, sagt Martin Camphausen, Leiter der Stabstelle Marketing und Employer Branding des Klinikverbunds Südwest. Wer dort schon eine gut funktionierende Community hat, ist dort prima aufgehoben. Aus der Sicht jüngerer Nutzer ist Facebook eher etwas für Silversurfer und Trolle. In der Praxis ist Facebook jedoch die größte Social Media Plattform, die fest in den Alltag Vieler integriert ist.
Ein gutes Beispiel für die eigene Darstellung auf Social Media-Plattformen ist das Helios Klinikum Berlin-Buch. Spezielle Kampagnen informieren über den Klinik-Alltag und geben einen Blick hinter die Kulissen. Dabei bestimmen die Bedürfnisse der Zielgruppen die Kampagne: So hat die Klinik aufgrund des erhöhten Informationsbedarfs in der Corona-Krise und dem Veranstaltungsverbot digitale Formate entwickelt, die diesen Bedarf decken. Dazu gehören die Digitale Kreißsaal-Führung (jeden ersten und dritten Dienstag im Monat auf Instagram und Facebook Live). Der Azubi-Live Chat bietet eine digitale Führung durch das Klinikum und lässt Raum für Fragen für alle neuen Azubis.
Wer jetzt in die Social Media-Welt einsteigen will, für den ist aktuell Instagram das Mittel der Wahl. Warum? „Weil dort am meisten los ist“, so Camphausen.
Und in der Tat, nach Facebook und WhatsApp verzeichnet das Foto- und Videonetzwerk nach eigenen Angaben über eine Milliarde Nutzer weltweit, davon sind 25 Millionen Unternehmensprofile. Laut der Social Media-App Napoleoncat, etwa 21 Millionen davon in Deutschland, also etwa ein Viertel der Einwohnerzahl des Landes. Rund 90 Prozent der Nutzer sind unter 35.
Das Helios Klinikum Berlin-Buch produziert für Instagram beispielsweise Stationsvideos, wo sich die Stationen vorstellen und damit direkt Interessierte potenzielle Bewerber ansprechen. Nach Ankündigung der Aktion via Video steht eine Woche ein Stationshandy zur Verfügung. Über WhatsApp geht die Station in den direkten Dialog und beantwortet Bewerberfragen somit auf dem schnellsten Weg. Die Aktion wird auf Instagram begleitet, wo ebenfalls Fragen gestellt werden können.
Wiederkehrende, feste Formate auf Instagram sind das Sonntagsbaby (die Klinik verzeichnet als Geburtsklinik mehr als 3.000 Geburten im Jahr) und der Follow-Friday, bei dem regelmäßig unabhängige Profile/ Accounts von Mitarbeitern und Patienten vorgestellt werden, die über den medizinischen Alltag berichten. „Hier werden die Kanäle zur Plattform für andere medizinisch Interessierte, und genau diese Verknüpfung unserer Inhalte mit unabhängigen Contentpieces macht die richtige Mischung aus“, so Lück.
TikTok
Das derzeit heisseste Social Media-Netzwerk kommt aus China: Die Videoapp TikTok mit rund 800 Millionen Nutzern weltweit. 500 Millionen davon in China, nach Angaben des Fachmagazins Digiday 5,5 Millionen in Deutschland.
„TikTok ist für ganz Mutige“, sagt Camphausen. Denn dort gilt, je spontaner, kreativer und verrückter, desto besser. Authentizität kommt, im Gegensatz zu Instagram, vor Style.
Die Nutzer sind sehr jung, nach Angaben des Branchenblatts Adage sind 69 Prozent zwischen 16 und 24 Jahren, 31 Prozent über 25, über 35 nur 15 Prozent der User. 60 Prozent davon sind weiblich.
Wenig überraschend, dass es auf dem Kanal viel um Freundschaft oder Liebe geht, weniger um Politik. Ganz vorne sind LipSync-Clips, 15 bis 60 Sekunden-Videos, in denen die Nutzer ihre Lippen synchron zu Songs oder Filmdialogen nachmachen. Ein Erbe der Vorgängerapp Musical.ly, mit der sich TikTok 2018 zusammenschloss. Ebenfalls populär: Livestreams im Stil der Streamingportale Twitch und YouNow.
Frankfurter Rotkreuz-Kliniken präsentieren Aufgaben und Berufe in einer Klinik
Dieses Beispiel zeigt, wie unkonventionell und augenzwinkernd Kliniken dort ihren Alltag präsentieren: Die Frankfurter Rotkreuzschwesternschaften @drk_schwesternschaft_ffm setzen erfolgreich auf Comedy und Unterhaltung. Im April gestartet, erreicht der Account schon 59.300 Follower. „Plötzlich galten Schwestern und Pfleger als systemrelevant“, so Tanja Stanzel,
Referentin für Unternehmenskommunikation und Pressesprecherin der Frankfurter Rotkreuz-Kliniken, „und da wollten wir dann auch zeigen, wie cool und abwechslungsreich die Aufgaben in einer Klinik sind.“ Im Redaktionsplan finden sich die Präsentation einzelner Berufe und aller Einrichtungen, ebenso wie Teilnahme an Challenges oder Events an der Klinik, wie zum Beispiel Stationseröffnungen. „Der Account stärkt den Teamgeist untereinander“, so Stanzel. Und kooperiert mit dem Netzwerk selbst. Die TikTok-Kampagne #allesgeben sammelte im Mai Geld für den Kampf gegen das Coronavirus. Gemeinsam mit der Community unterstützen Prominente, unter anderem Bill Kaulitz von Tokio Hotel und Clueso, die Frankfurter Rotkreuz-Schwesternschaften.
Medizinische Erklärvideos statt Tanz-Clips
Auch erfolgreich auf TikTok unterwegs ist der Kanal des Klinikums Dortmund @klinikumdo mit satten 86,400 Fans.
Arzt @docfelix bringt inzwischen 213.400 Menschen Themen wie Ernährung, Sport und mentale Gesundheit näher. Innerhalb der maximal einminütigen Clips gibt er außerdem kurze und knackige Tipps gegen Angst oder Depression, erklärt, wie man einen Herzinfarkt verhindert oder ob Gaming schlecht für die Augen ist.
Ästhetik-Mediziner @doc.rouben erklärt seinen 105.300 Followern in feinen, kleinen Video-Häppchen, für welche Falten sich Botox eignet, welche Ausbildung es für den Beruf braucht oder was es mit Geheimratsecken auf sich hat.
Mitunter im Duett mit @schwerstervanny, die gerne mit LipSync-Clips ihren Klinikalltag dokumentiert.
Fazit
„Im medizinischen Bereich liegt der Fokus bei den Menschen unter 35“, erklärt Camphausen, „denn wegen der körperlichen Belastungen fallen zum Beispiel Pflegekräfte über 50 auch aus.“ Social Media sei deshalb sehr wichtig, auch für Employer Branding statt nur Recruiting. Es gelte, Glaubwürdigkeit, Sinnhafttigkeit und Philosophie zu stützen, Themen voranzutreiben. Wichtig dabei: „Auf keinen Fall einfach nur Stellenanzeigen verwerten und Pressemitteilungen abpinnen. Sondern authentischen Content erstellen, die Kanäle nicht aufdringlich, sondern dauerhaft bespielen.“
Auch www.praktischArzt.de ist in den sozialen Netzwerken vertreten und bietet mit mehr als 35.000 Followern eine starke Community. Auf Facebook und Instagram informiert die auf Ärzte spezialisierte Stellenbörse über aktuelle Jobangebote und interessante Themen rund um die Medizin und Arzt Karriere. Arbeitgeber können von dieser starken Reichweite profitieren und sich mit Inhaltskampagnen über die sozialen Netzwerke von praktischArzt als attraktiver Arbeitgeber präsentieren und so potenzielle Bewerberinnen und Bewerber zielgruppengenau erreichen.