In der ärztlichen Ausbildung liegt der Fokus vor allem auf Vermittlung der erforderlichen theoretischen und praktischen medizinischen Kenntnisse zur Behandlung von Patienten. Es geht um Fachwissen. Nahezu völlig vernachlässigt werden dagegen Management-Kenntnisse und Führungskompetenzen. Dahinter steht die irrige Annahme, so etwas lasse sich bei Bedarf nebenher durch „Learning by doing“ erwerben. Die Realität sieht oft anders aus. Ein kompetenter Arzt ist nicht automatische eine kompetente Führungskraft. Warum brauchen Ärzte Führungskompetenz und wie können sie sie erlangen? Darum soll es im Folgenden gehen.
Die Frage nach dem „Warum“ ist vergleichsweise einfach zu beantworten. Wer führen soll, benötigt dafür Kompetenz – die Fähigkeit, Fertigkeit und Bereitschaft, gestellte Aufgaben in Führungsverantwortung zu lösen. Mediziner sind häufig als Führungskräfte gefordert – in leitenden Positionen in Krankenhäusern oder anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens, als Praxis-Inhaber und Arbeitgeber. Aber auch in einem Arzt-Patienten-Verhältnis oder bei Zusammenarbeit mit Kollegen kann es Führungsaufgaben geben. Und last but not least soll ein Mediziner auch sich selbst führen können – im Sinne von Self-Management –, vielleicht eine der schwierigsten Führungsaufgaben.
Führungskompetenz ist nicht angeboren, sondern erlernt
Früher war man der Auffassung, dass die Fähigkeit zu führen, eine besondere Begabung sei – eine charakteristische Eigenschaft charismatischer Persönlichkeiten, die nicht erlernt werden kann. Diese Ansicht gilt inzwischen als überholt. Führungskompetenz ist nicht angeboren, auch wenn es Veranlagungen geben mag, die förderlich sind. In der Regel muss sie erworben werden. Die gute Nachricht ist: sie lässt sich erlernen. Und es gibt dafür Methoden, es bedarf nicht des Verfahrens von „Trial and error“ oder des „Ins-kalte-Wasser-geworfen-werdens“.
Besonders intensiv hat man sich damit in der Betriebswirtschaftslehre befasst – in der Fachdisziplin „Organisation und Management“. Wieso, das erklärt sich fast von selbst. Hier wurde Führung konsequent untersucht und man hat das nötige Rüstzeug für die Ausbildung von Führungsfähigkeiten entwickelt. Die Erkenntnisse werden heute in der Breite in der Führungskräfteentwicklung von Unternehmen eingesetzt. Sie lassen sich auch auf den medizinischen Bereich übertragen. Jedes Krankenhaus und jede Arztpraxis ist zugleich Organisation und Unternehmen mit Führungsbedarf. Dabei geht sicher nicht immer nur um betriebswirtschaftliche Fragen, aber auch.
Was Führungskompetenz bedeutet – Zielerreichung gewährleisten, Verantwortung übernehmen
Führung ist kein Selbstzweck, sondern soll dazu dienen, bestimmte Ziele zu erreichen. Einen Behandlungserfolg beim Patienten, ein gutes Arbeitsklima im geleiteten Krankenhaus-Bereich, das angestrebte wirtschaftliche Praxisergebnis, eine ausgeglichene persönliche Work-Life-Balance usw.
Führungsziele sind so vielschichtig wie Führung selbst. Immer geht es um Menschenführung im Sinne des/der übergeordneten Ziels/e. Führung ist mit Verantwortung verbunden – ein Grund, warum mancher Führungsaufgaben scheut. Denn Verantwortung heißt dafür zu sorgen, dass angestrebte Ziele möglichst erreicht werden und für zu vertretendes Geschehen einzustehen („sich zu verantworten“).
Mehr als anordnen und befehlen
Führung ist – von „Selbstführung“ abgesehen – immer damit verbunden, andere Menschen in ihrem Denken und Verhalten so zu beeinflussen, dass die angestrebten Ziele erreicht werden. Das klassische Instrument der Führung ist die Anordnung, im militärischen Bereich „der Befehl“ und in gewissem Sinne die ärztliche Verordnung. Führen heißt aber mehr als anordnen, befehlen oder verordnen. Es geht stets auch darum, die Bereitschaft der Geführten für eine zielführende Umsetzung zu fördern.
Dazu bedarf es entsprechender Anreize. Man kann materielle und immaterielle Anreize unterscheiden. Im Arzt-Angestellten-Verhältnis ist der entscheidende materielle Anreiz die Vergütung. In der Regel hat man als Arzt nur als Praxis-Inhaber darauf selbst Einfluss. Nicht zu unterschätzen sind immaterielle Anreize wie Lob, Anerkennung, eine angenehme Arbeitsatmosphäre, Unterstützung bei der Weiterentwicklung usw. Es geht aber nicht nur um Anreize, sondern auch um Feedback und ggf. (sachliche) Kritik – für den Angesprochenen die Chance, es besser zu machen.
Führen mit System: Aufgaben, Prinzipien, Instrumente
Führung ist ein Handwerk, bei dem man wie bei jedem Handwerk System und planvolles Vorgehen braucht. Das bedeutet Führungsaufgaben, Führungsgrundsätze und Führungsinstrumente sinnvoll zu verknüpfen und damit ein Führungssystem zu etablieren. Was muss und will ich als Arzt in meiner Führungsfunktion erreichen? Nach welchen Prinzipien gehe ich dabei vor? Welche Instrumente stehen mir zur Verfügung und wie kann ich sie sinnvoll und zielführend einsetzen? Wer sich als „Leitender Arzt“ diese Fragen beantwortet, hat schon eine gute Basis für seine Führungskompetenz gelegt. Und danach erfolgreich zu führen, fällt dann vielleicht gar nicht so schwer wie ursprünglich gedacht.