Als Chirurgin schwanger mit Bleischürze in den OP – das ist jetzt erlaubt! Wir beleuchten die Hintergründe:
Sollten und dürfen schwangere Chirurginnen weiterhin operieren? Mit dieser Frage haben sich in den letzten Monaten nicht mehr nur noch betroffene Ärztinnen konfrontiert gesehen, sondern auch deren Vorgesetzte, der Gesetzgeber und letztlich die Öffentlichkeit.
Angestoßen wurde die Debatte von der Orthopädie- und Unfallchriurgin Maya Niethard, die nach Bekanntmachung ihrer Schwangerschaft im Mai 2013 von ihrem Chef aus dem OP verbannt wurde (http://www.zeit.de/2014/51/op-verbot-schwangerschaft-chirurgen). Dieses OP Verbot bedeutete für sie und jede andere schwangere Chirurgin aber, dass sie ihren OP Katalog für die Facharztweiterbildung nicht weiter befüllen kann, dass sie nicht weiter an den Diensten teilnehmen kann und dass sie im Konkurrenzraum mit ihren männlichen Kollegen hinten ansteht.
Da Maya Niethard diese Benachteiligung nicht in kauf nehmen wollte, setzte sie sich intensiver mit dem Mutterschutzgesetz, das im Jahr 1952 verfasst wurde, auseinander. Dieses resultiert zwar nicht direkt in einem Verbot für das Operieren in der Schwangerschaft, schwangere Ärztinnen dürfen aber „nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter und Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet sind“. Wird eine solche Gefährdung beispielsweise in Form von Röntgenstrahlen, Narkosegasen oder Kontakt mit infektiösem Blut von einem Betriebsarzt erkannt, kann er ein Beschäftigungsverbot aussprechen. Dieses schützt nicht nur die Schwangere, sondern auch den Arbeitgeber, falls der Ärztin etwas zustößt.
Genau hier liegt für Maya Niethard neben der ihrer Meinung nach veralteten Auslegung des Mutterschutzgesetzes ein Problem: Obwohl das Operationsverbot nur auf die Empfehlungen der Gewerbeaufsichtsämter der Bundesländer zurückgeht, da eine bundesweite Regelung fehlt, „halten sich die Arbeitgeber daran, weil sie sich mit dem Thema nicht auskennen und lieber auf Nummer sicher gehen“, erklärt die Oberärztin der Tumororthopädie. Sie beschloss, das Verbot anzufechten und bekam Recht. Auch für ihre Patienten war das ein wichtiger Schritt, denn wer einmal vor einer schwierigen Operation Vertrauen zu einem Arzt aufgebaut hat, wird ungern von einem anderen operiert.
Dennoch ist das Problem damit nicht vom Tisch, Maya Niethards Fall hat die Diskussion grade erst ins Rollen gebracht. Um über die heutige Datenlage zu dem Thema aufzuklären hat sie zusammen mit anderen Ärztinnen des Jungen Forums der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und Juristen die Internetseite https://www.opids.de (Operieren in der Schwangerschaft) aufgebaut (Petitionspapier des des Jungen Forums der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) dazu https://www.jf-ou.de/?p=618).
Vor allem für Chirurginnen, die während ihrer Facharztausbildung nicht mehr operieren können, hat das OP Verbot in der Schwangerschaft Konsequenzen. Sie müssen zusehen, wie die Konkurrenz an ihnen vorbeizieht, weshalb einige sogar gewillt sind, ihre Schwangerschaft zu verheimlichen und sich so zusätzlichen Risiken auszusetzen.
Röntgenstrahlen sind dabei nur eine der Gefahren, die sich dabei fruchtschädigend auswirken können. Die Chirurginnen, die sich GEGEN ein OP Verbot für Schwangere Ärztinnen aussprechen, argumentieren auf ihrer Website, dass sie sich bzw. ihr ungeborenes Kind durch eine Bleischürze und/oder Verlassen des Kontrollbereiches, ausreichend schützen zu können. Ob eine Bleischürze jedoch ausreichend vor Streustrahlung schützt ist ungewiss. Auf die Gefahr, die von dem Kontakt mit potenziell infektiösem Blut ausgeht haben sie ebenfalls eine Antwort: Hier könne man sich mit einfachen, präoperativ durchgeführten HIV- und Hepatitis- Tests behelfen. Die Tests verursachen zusätzliche, wenn auch nur geringe Kosten, werden aber bereits routinemäßig an einigen Kliniken durchgeführt. Damit kann jedoch auch nur ein Teil der für Mutter und Kind bedrohlichen Infektionskrankheiten detektiert werden und auch wer bei positiv ausgefallenen Tests Vorsichtsmaßnahmen trifft, kann sich schneiden. Auch zu Narkosegasen oder Inhalationsstoffen, die als Gefahrenstoffe gelten, werden Lösungsmöglichkeiten angeboten: Durch die totale intravenöse Narkoseinduktion (TIVA) oder einer Spinalanästhesie können diese Gefahren weitestgehend ausgeschaltet werden. Vor allem bei elektiven Eingriffen können dementsprechende Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden.
Was passiert jedoch mit jenen Ärztinnen, die sich während der Schwangerschaft all den, wenn auch minimierbaren Risiken, nicht aussetzen wollen? Natürlich muss jede Schwangere selbst entscheiden können, ob sie weiterhin operieren möchte, oder nicht. Dennoch entsteht durch die neue Freiheit auch ein gewisser Druck. In der Chirurgie ist es immer hart, sich zu behaupten, oft vor allem für Frauen. Sollte sich eine schwangere Ärztin nun gegen den weiteren Einsatz im OP entscheiden, während ihre Kolleginnen weiter operieren, könnte das ebenfalls für Unmut beim Vorgesetzten sorgen und so auch ein Karrierenachteil entstehen. Daher ist die neue von einigen Chirurginnen erkämpfte Freiheit, auch während der Schwangerschaft operieren zu dürfen nicht nur ein Segen. Für den Teil der Chirurginnen, die bei ihrer eigenen und der Sicherheit ihres ungeborenen Kindes in der Schwangerschaft lieber auf Nummer sicher gehen, und das OP- oder Beschäftigungsverbot akzeptieren, wird es nun sicher schwieriger, dieses Sicherheitsbedürfnis vor ihrem Chefarzt und den Kollegen zu rechtfertigen.
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