Arbeiten wenn andere schlafen oder frei haben – für viele gehört das zum Berufsalltag. Gerade für Ärzte und Pflegepersonal ist Schichtdienst selbstverständlich, aber auch Industriearbeiter, Bahn- und Busfahrer oder Wachdienstkräfte kennen “außergewöhnliche” Arbeitszeiten. Dass Nachtarbeit sich nicht unbedingt gut mit dem Biorhythmus verträgt, ist bekannt. Aber auch Frühschichten können chronischen Schlafmangel bewirken.
Das belegt eine Studie des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA). Frühschichten finden in der Regel im Zeitfenster von 6 Uhr bis 14 Uhr statt – mit überschaubaren Abweichungen nach vorne oder hinten. Bisher war man davon ausgegangen, dass solche Arbeitszeiten den normalen Schlaf vergleichsweise wenig beeinträchtigen und daher für Berufstätige “bekömmlich” sind. Denn sie sind nicht so weit von den üblichen Arbeitszeiten entfernt. Gerade bei den sogenannten “Lerchen” – geborenen Frühaufstehern – hielt man die Frühschicht nicht für ein Problem. Die IFA-Studie kommt zu anderen Ergebnissen.
Wenn sich schleichende Müdigkeit einstellt
Sieben Stunden Schlaf gelten als Richtschnur für die Erfüllung des menschlichen Schlafbedürfnisses, es dürfen gerne auch acht Stunden sein. Ein einmaliges Schlafdefizit wird dabei noch gut weggesteckt, kritischer ist es bei häufigerem Auftreten. Dann ist der chronische Schlafmangel nicht mehr weit. Wie kommt es bei Frühschichtlern dazu? Die Erklärung fällt nicht so schwer. Wer um 6 Uhr mit der Arbeit beginnen muss, steht oft bereits um 4 Uhr oder 5 Uhr auf, um sich fertigzumachen und den Weg zum Arbeitsort zurückzulegen. Die Erfahrung zeigt, dass viele Arbeitnehmer trotzdem am Vorabend nicht wesentlich früher ins Bett gehen als Beschäftigte mit normalen Arbeitszeiten. Auch wenn dann vielleicht nur eine halbe oder eine Stunde zu den üblichen sieben Stunden fehlt, über mehrere Tage baut sich dann doch ein erhebliches Schlafdefizit auf. Es kommt zu einer schleichenden permanenten Müdigkeit, die oft gar nicht bewusst wahrgenommen wird.
14mal höheres Risiko für zu wenig Schlaf
Die IFA-Untersuchung hat sich mit der Frage befasst, welchen Einfluss das Zeitfenster der Arbeit und der Chronotyp auf die Schlafdauer haben. Ein Chronotyp ist ein Mensch mit einer bestimmten inneren biologischen Uhr. Man unterscheidet drei Haupttypen: den Frühaufsteher (“Lerche”), den Normaltyp und den Spätaufsteher (“Eule”). Biologen gehen davon aus, dass die Typen natürlich vorgegeben sind und konstant bleiben. Sie lassen sich nicht trainieren oder anders ausgedrückt: auch mit viel Übung wird eine Eule nicht zur Lerche und umgekehrt. In der Untersuchung wurden insgesamt 374 Beschäftigte aus Unternehmen befragt, die Mitglieder bei der Berufsgenossenschaft Holz und Metall sind. Gefragt wurde u.a. nach den Aufsteh- und Zubettgeh-Gewohnheiten an Arbeitstagen und an Wochenenden. Auch der jeweilige Chronotyp wurde erfasst.
Das Ergebnis: Frühschichtler haben ein 14mal größeres Risiko, nicht genügend Schlaf zu bekommen wie Berufstätige mit normalen Arbeitszeiten. Im Schnitt fehlen den Früharbeitern 45 Minuten Schlaf am Tag. Eulen haben dabei noch größere Schlafdefizite als Lerchen. Unabhängig davon gilt: der frühe Arbeitsbeginn steht im Gegensatz zum menschlichen Biorhythmus. Es ist dabei nicht nur die ungewohnte Zeit, die belastet. Die Frühe wirkt sich auf Lichtverhältnisse, Temperaturen, Mahlzeiten, Lärmeinflüsse, soziale Kontakte und das Zeitempfinden aus und kann das Leistungsvermögen beeinträchtigen.
Das beste Rezept – rechtzeitig ins Bett gehen
Chronischer Schlafmangel durch Schichtarbeit verschlechtert die Konzentrationsfähigkeit und erhöht das Unfallrisiko am Arbeitsplatz und außerhalb davon. Er kann auch krank machen. Erschöpfungszustände bis hin zum Burnout stellen sich schneller ein, es kommt leichter zu depressiven Verstimmungen. Schichtarbeiter klagen häufiger über Rücken- und Kopfschmerzen, die Gesundheit wird allgemein als schlechter eingeschätzt als bei regulären Arbeitszeiten. Es gibt auch Hinweise, dass Schichtarbeit mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einhergeht. Am kritischsten sind dabei vor allem Nachtschichten und häufig wechselnde Schichten zu bewerten. Die IFA-Untersuchung zeigt aber auch die bisher als recht problemlos angesehene Frühschicht in einem kritischeren Licht.
Viele Frühschichtler legen sich nach der Arbeit noch mal eine Stunde hin und hoffen damit Schlafdefizite auszugleichen. Das ist aber suboptimal. Der Mittagsschlaf hat nicht die Qualität des Nachtschlafs und fördert eher spätes Zubettgehen. Es fällt dann tendenziell schwerer, in einen gesunden Nachtschlaf zu finden. Dabei wäre ein frühzeitiger Schlafstart am Abend, um die sieben Stunden Schlaf-Minimum zu erreichen, das beste Rezept gegen Schlafmangel, wenn sich die Frühschicht schon nicht vermeiden lässt.