
Wann gilt Rufbereitschaft als Arbeitszeit und wann sind die Dienste zu bezahlen? Um diese Frage gibt es immer wieder Streit, mit dem sich auch die Gerichte auseinandersetzen müssen. Das reguläre Gehalt bekommen Pflegekräfte und Ärzte, die sich zu Hause oder andernorts für einen möglichen Einsatz bereithalten, nur selten.
Rufbereitschaft: Welcher Dienst gilt als Arbeitszeit?
Beim Dienst auf Abruf müssen sich die Beschäftigten nicht am potenziellen Einsatzort aufhalten, sondern lediglich erreichbar sein. Ob sie diese Zeit zu Hause verbringen, bei Freizeitaktivitäten oder doch in der Klinik, ist ihnen freigestellt. Das unterscheidet dieses Modell vom Bereitschaftsdienst. Genau durch diese Regelung kommt jedoch auch immer wieder die Frage auf, wann dieser Hintergrunddienst als Arbeitszeit zu werten ist. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im März 2021 ein Urteil getroffen, das die bisherige Rechtsprechung bestätigt: Müssen sich die Beschäftigten lediglich verfügbar halten, dürfen ihren Aufenthaltsort aber frei wählen, gilt diese Zeit grundsätzlich als Ruhezeit. Lediglich der eigentliche Einsatz wird als Arbeitszeit gewertet. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Beschäftigten erheblich in der Ausübung ihrer Freizeit beeinträchtigt werden (Urt. v. 9.3.2021, Rs. C-580/19). Das dürfte für Ärzte und Pflegekräfte gelten, die im Notfall innerhalb von kürzester Zeit am Arbeitsort sein müssen.
Unterschiedliche Bezahlung von Bereitschaftsdienst und Hintergrunddienst
Dieses Urteil klärt allerdings nicht, wie der Rufdienst zu entlohnen ist. Tarifverträge treffen hier unterschiedliche Regelungen. Der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TvÖD) nennt zum Beispiel zwei Fälle: Müssen sich die Beschäftigten mehr als 12 Stunden ohne Unterbrechung bereithalten, vergütet man diese Zeit gemäß einer Pauschale. Beträgt die Zeit des Rufdienstes weniger als 12 Stunden, erfolgt die Vergütung anhand der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden.
Die Unterscheidung zwischen Bereitschaftsdienst und Rufdienst ist jedoch nicht immer klar. Aktuell beschäftigte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) zum Beispiel mit dem Fall eines Oberarztes, der seinen Arbeitgeber darauf verklagte, ihm 40.000 Euro ausstehenden Lohn zu zahlen. Diese Summe stehe ihm zu, da er in der Zeit zwischen August 2017 und Juni 2018 Bereitschaftsdienst geleistet habe, jedoch nur für den Rufdienst entlohnt worden sei. Die Vorinstanz gab dem Kläger recht. Das BAG wiederum verneinte den Zahlungsanspruch. Die Richter räumten allerdings ein, dass der Oberarzt während seines Hintergrunddienstes zu häufig zu Einsätzen herangezogen worden wäre. In etwa vier Prozent der Rufdienst-Stunden musste er tatsächlich arbeiten. Einen Anspruch auf mehr Gehalt lehnte das BAG jedoch ab, da es eine gewollte Lücke in der Vergütungspflicht sah. Ein bestimmter Arbeitsleistungsanteil sei gemäß Tarifvertrag weder dem Bereitschaftsdienst noch den Hintergrunddienst zuzuordnen. Damit hätten beide Parteien bewusst keine höhere Entlohnung bei tarifwidriger Anordnung der Rufbereitschaft vorgesehen.