
Viele Ärzte/-innen sind mit ihrem Hauptberuf unzufrieden. Das liegt meist an den vielen Überstunden, dem enormen Stress in medizinischen Einrichtungen, dem Fachkräftemangel, den Belastungen durch Corona und vielen anderen Faktoren, die auf das Gesundheitssystem einwirken. Ein Nebenjob bietet da nicht nur die Möglichkeit für ein zusätzliches Einkommen, sondern auch einen Perspektivwechsel. Viele nutzen auch diese Möglichkeit, um einen Fuß in eine andere Branche zu bekommen, der eventuell eine Karriere außerhalb von Praxis oder Klinik ermöglichen kann.
Inhaltsverzeichnis
Wir fassen hier die Befragungsergebnisse der neusten Medscape-Umfrage zu diesem Thema vom Mai 2022 zusammen. Darin erklären wir, wie häufig Nebenjobs bei Ärzten/-innen sind, was Mediziner/innen damit durchschnittlich verdienen und aus welchen Gründen sie sich für ihre Nebenjobs entschieden haben.
Allgemeiner Überblick
Von 1.500 befragten Ärzten/-innen gaben 876 an, einer Nebentätigkeit nachzugehen; das entspricht mehr als der Hälfte. 376 Ärzte/-innen gaben darüber hinaus an, mit dem Gedanken an einen Jobwechsel in ein nicht-klinisches Umfeld zu spielen.
Haben Ärzte/-innen einen Nebenjob, bleiben sie i.d.R. lange dabei: durchschnittlich haben sie ihre Nebenjobs ca. 15 Jahre inne. Für ihre Nebenjobs investieren Ärzte/-innen im Durchschnitt 21 Stunden pro Monat, neben ihren 133 Stunden in ihrer ärztlichen Haupttätigkeit. Das entspricht keiner Vollzeit-Beschäftigung, sondern einem wöchentlichen Umfang von 33 Stunden.
Arten von Nebenjobs
Die prozentuale Verteilung der Nebenjobs setzt sich wie folgt zusammen.
Arten von Nebenjobs | Prozent |
Medizinische Nebenjobs | |
Extra-Schichten in Klinik oder Pflegeinrichtung | 29 |
Vorträge | 26 |
Impfungen in Corona-Impfzentren | 24 |
Lehrveranstaltungen | 18 |
Medizinische Beratungen | 16 |
Gutachtertätigkeiten | 11 |
Nebenjob außerhalb der Medizinbranche | 7 |
Nicht-medizinische Nebenjobs | |
Sport (Trainertätigkeit, Wettkämpfe etc.) | 16 |
Immobilien | 16 |
Unterrichten | 10 |
Kochen | 9 |
Musik bzw. Gesang | 8 |
Beratung/Consulting | 6 |
Investment | 6 |
Schreibtätigkeit (Bücher, Kolumnen) | 6 |
Fotografie | 5 |
Kunst bzw. Handwerk | 5 |
Tierzucht oder -dressur | 3 |
Software, Elektronik | 2 |
Unternehmensberatung | 2 |
Coaching | 2 |
Podcasting bzw. Blogging | 1 |
Anderes | 11 |
Gründe für Nebenjobs
Bei den Begründungen für die Aufnahme einer Nebentätigkeit gaben Ärzte/-innen überdurchschnittlich häufig rein finanzielle Motive an (40 Prozent). Die Möglichkeit zum Ausleben anderer Leidenschaften (19 Prozent), Spaß (15 Prozent) oder Hobby (sechs Prozent) rangierten deutlich niedriger.
Bemerkenswert ist, dass bei der Aufnahme der Nebentätigkeit Corona nur selten eine Rolle spielte: 75 Prozent der Befragten nannten andere Gründe, nur 25 Prozent hatten sich dazu aufgrund der Pandemie entschlossen.
Gründe für Nebenjobs | Prozent |
Zusatzverdienst | 40 |
Andere Fähigkeiten ausleben | 19 |
Spaß | 15 |
Aufbau einer Zweitkarriere | 7 |
Hobby | 6 |
Schuldenrückzahlung | 4 |
Anderes | 9 |
Als persönliche Motivation gaben Ärzte/-innen verschiedene Gründe für die Aufnahme ihrer jeweiligen Nebentätigkeiten an. Mitarbeiter/in im Corona-Testzentrum wurden die meisten z.B., weil sie gebraucht wurden und dort etwas Sinnvolles tun konnten. Bei Beratungs- und E-Learning-Tätigkeiten wollten die Befragten primär ihr Wissen weitergeben. Gutachten schrieben die Befragten, weil sie ihre Kompetenzen einsetzen wollten. Psychiatrische Wochenenddienste und Hausbesuche hatten die vielfältigsten Gründe: Geld, Spaß, Neugier und soziales Engagement. Aber auch die Rubrik „Es übernimmt sonst keiner, daher muss ich es eben machen“ wurde genannt: bei der Hausverwaltung für Erben.
Finanzielle Gründe für Nebenjobs
Vor der Covid-Pandemie haben Ärzte/-innen jährlich mit Nebenjobs durchschnittlich 16.438 Euro verdient. Männer kamen dabei durchschnittlich auf höhere Werte als Frauen (Männer: 18.229 Euro; Frauen: 11.732 Euro). Bei der Frage nach dem wirtschaftlichen Erfolg ihrer Tätigkeit sahen 67 Prozent Verbesserungsbedarf. Eine Steuerersparnis haben nur 19 Prozent; 66 Prozent haben keine steuerlichen Vorteile und 15 Prozent waren sich nicht sicher genug, Angaben zu machen.
Gründe für die zeitliche Beschränkung des Nebenjobs
Bei der großen Beliebtheit von Nebenjobs unter Ärzten/-innen fragt man sich durchaus, warum sie ihre Nebenjobs nicht zeitlich weiter ausbauen. Dazu machten die Befragten folgende Angaben:
- „Ich strebe eine gute Work-Life-Balance an.“ (42 Prozent)
- „Ich habe nicht genug Zeit.“ (34)
- „Ich würde es bei mehr Zeitaufwand nicht mehr genießen.“ (18)
- „Ich bin nicht darauf aus, meinen Verdienst zu maximieren.“ (16)
- „Mir fehlt das Geld zum weiteren zeitlichen Ausbau.“ (5)
- „Es gibt leider zu viel Konkurrenz.“ (4)
- Andere Gründe (5)
- Keine Gründe (3)
Zufriedenheit mit dem Nebenjob
Überdurchschnittlich oft gaben Ärzte/-innen an, ihre Nebenjobs gerne zu machen. „Sehr zufrieden“ waren zwar nur 28 Prozent, „zufrieden“ aber 43 Prozent. „Einigermaßen zufrieden“ waren immerhin noch 20 Prozent. „Nicht sehr zufrieden“ (acht Prozent) oder gar „überhaupt nicht zufrieden“ (ein Prozent) waren nur sehr wenige.
Schöner als ihren Hauptberuf als Arzt/Ärztin fanden nur 19 Prozent ihre Nebentätigkeit. Die deutliche Mehrheit (57 Prozent) gab die persönliche Erfüllung in gleichem Maße zwischen Haupt- und Nebenberuf an. Nur 24 Prozent fanden ihre Nebentätigkeit unbefriedigender als ihre Haupttätigkeit.
Ernsthafte Zweifel, den falschen Beruf gewählt zu haben, kamen durch den Nebenjob nur 25 Prozent. 75 Prozent gaben an, ihre berufliche Entscheidung nicht zu bereuen. Auch das Medizinstudium bereuten nur acht Prozent „sehr stark“ und 19 Prozent „ein bisschen“. „Nicht so sehr“ gaben 14 Prozent an und die deutliche Mehrheit bereute es mit 59 Prozent „überhaupt nicht“.
Einflüsse des Nebenjobs auf die Arzttätigkeit
Viele Befragte gaben an, dass ihr Nebenjob ihre ärztliche Tätigkeit sogar unterstützt (43 Prozent „ein bisschen“ und 31 Prozent „sehr stark“). Nur jeweils 13 Prozent beschrieben positive Einflüsse aus ihrem Nebenjob auf ihre Haupttätigkeit als „nicht sehr viel“ oder „überhaupt nicht“.
Dazulernen für den Nebenjob
Etwas dazulernen mussten nur 46 Prozent aller Ärzte/-innen; etwas mehr als die Hälfte (54 Prozent) hatte bereits das notwendige Knowhow für den Nebenjob. Diejenigen, die dazulernen mussten, eigneten sich ihr Zusatzwissen über die folgenden Kanäle an: Kurse oder Tutorials (69 Prozent), Literatur (50), Gespräche (40), (Volkshoch-)Schule (4) und anderes (14).
Gründe, warum Ärzte/-innen aus der Medizin aussteigen wollen
Einige Befragte gaben an, mit ihrem ärztlichen Beruf so unzufrieden zu sein, dass sie aus der Medizin aussteigen wollen. Die Gründe hierfür sind vielfältig und konnten frei genannt werden:
- „Ich gehe sofort in Rente, wenn endlich ein/e Nachfolger/in gefunden ist.“
- „Der Arztberuf hat eine schlechte Vereinbarkeit mit Familie und Privatleben.“
- „Die Verantwortung und ständigen Rufbereitschaften werden immer anstrengender.“
- „Ökonomen haben die Medizin kaputt gemacht.“
- „Ich habe zu viele Wochenenddienste und Überstunden.“
- „Der Tarifvertrag ist eine Frechheit.“
- „Ich verdiene weniger Geld, habe dafür aber enorme Belastung, Stress und Schlaflosigkeit.“
- „Ich träume von meinem eigenen kleinen Bauernhof.“
Ausstiegspläne und Alternativen zum Arztberuf
Ausstiegsgedanken haben bei sechs Prozent bereits ein solches Ausmaß angenommen, dass sie ein Coaching in Anspruch genommen haben; 22 Prozent planen dies in der Zukunft. Von denjenigen Ärzten/-innen, die eine nicht-klinische Karriere planen, sind 21 Prozent „sehr zuversichtlich“ auf entsprechende Wechselchancen, 30 Prozent „zuversichtlich“, 30 Prozent „eher zuversichtlich“ und 14 Prozent zumindest „ein wenig zuversichtlich“.
Ärzte/-innen orientieren sich bei einem Wechselwunsch durchschnittlich eher langfristig um. Nur zehn Prozent planen einen Wechsel innerhalb der nächsten sechs Monate, 17 Prozent wollen dies aber innerhalb der nächsten sieben bis zwölf Monate umsetzen. 28 Prozent haben sich zwei bis drei Jahre als Zielzeitpunkt gesetzt und elf Prozent vier bis fünf Jahre. Immerhin noch fünf Prozent geben sich mehr als fünf Jahre bis zum finalen Jobwechsel. Keinen Zeithorizont haben 23 Prozent und acht Prozent gehen davon aus, in ihrer alten Karriere als Arzt/-Ärztin zu bleiben.
Von den Ausstiegswilligen wurden Angaben zu ihren bevorzugten Branchen innerhalb und auch jenseits der Medizinbranche gemacht. Dabei ergab sich folgendes.
Bevorzugte Branchen für den Ausstieg | Prozent |
Unternehmen des Gesundheitswesens | 44 |
Bildung und Lehre | 43 |
Schreiben oder Journalismus | 29 |
Pharmazeutische Industrie | 25 |
Technik | 18 |
Führungsposition im Krankenhaus | 14 |
Recht und Justiz | 12 |
Anderes | 19 |
Unsicher | 14 |