Medizinstudenten wünschen sich einen deutlich früheren Kontakt mit Patienten während ihres Studiums. Außerdem wollen sie mehr Praxisbezug und bundesweit einheitliche Lernziele. Das sind weitere Ergebnisse der Umfrage des Hartmannbundes, an der 7500 Medizinstudenten teilgenommen haben.
NEU-ISENBURG/BERLIN. Später Patienten-Kontakt im Studium, kaum wissenschaftliche Unterstützung und ein klares Ja für bundeseinheitliche Lernzielkataloge und Reformen an den Prüfungsformen: Für die 7500 Medizinstudenten in Deutschland, die an einer aktuellen Umfrage des Hartmannbundes teilgenommen haben, liegt in der Lehre an den 37 Medizinfakultäten einiges im Argen.
So geben 34,4 Prozent der Befragten an, dass sie erst im fünften Fachsemester einen persönlichen Patientenkontakt hatten. Nur 19,3 Prozent waren bereits im 1. Semester an einer klinischen Untersuchung oder Blutentnahme beteiligt.
“Seit Jahren wird ein früherer Patienten-Kontakt im Studium diskutiert, es wurde in den Modellstudiengängen umfangreich getestet und muss nun Eingang in den Masterplan Medizinstudium 2020 finden”, sagt Theodor Uden, Vorsitzender des Ausschusses der Medizinstudierenden im Hartmannbund, als Fazit der Umfrage. Über weitere Ergebnisse der Befragung hat die “Ärzte Zeitung” bereits exklusiv berichtet.
In diesem Jahr werden Wissenschafts- und Gesundheitspolitiker von Bund und Ländern über den im Koalitionsvertrag angekündigten “Masterplan Medizinstudium 2020” beraten.
Die Vermittlung praktischer Fähigkeiten hat nach Meinung der Studenten einen zu geringen Stellenwert: 57 Prozent bewerten den Anteil als zu niedrig, 40,3 Prozent halten die Zahl an Lehrveranstaltungen mit Praxisbezug für “genau richtig”.
Medizinstudenten wollen früher mit Auswertung von Literatur beginnen
Aufgeschlossen zeigt sich die nachwachsende Ärztegeneration gegenüber anderen Gesundheitsfachberufen: So können sich 57,9 Prozent der Männer und 62,6 Prozent der Frauen vorstellen, beispielsweise mit Pflegekräften oder Personal des Rettungsdienstes gemeinsam in Seminaren zu lernen.
“Der ärztliche Nachwuchs hat es gelernt, im Team zu arbeiten und scheint offen zu sein für eine interprofessionelle Zusammenarbeit”, erklärt Uden.
Aus der Umfrage geht hervor, dass 52,7 Prozent den Anteil der Lehrveranstaltungen zur Ausbildung von wissenschaftlicher Kompetenz als zu niedrig ansehen. Die eigenen Fähigkeiten, wissenschaftliche Quellen zu bewerten und einzuordnen, schätzt ein Großteil der Befragten mit der Schulnote zwei und drei ein.
Auch werden viele Studenten nach eigener Ansicht spät mit der Auswertung von Literatur konfrontiert: 19,6 Prozent geben erstmaligen Kontakt im fünften Fachsemester an, 13,2 Prozent beschäftigen sich nach eigenen Angaben bereits im ersten Semester mit diesem Thema.
Die meisten Medizinstudenten streben eine Promotion an: 86,7 Prozent der Männer und 79,4 Prozent der Frauen wollen eine wissenschaftliche Arbeit schreiben.
Gleichzeitig lehnt es eine Drei-Viertel-Mehrheit ab, eine verpflichtende Forschungsarbeit im Studium zu verfassen. Diese Verpflichtung hatte der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen zur Reform des Medizinstudiums vorgeschlagen.
Von den Befragten arbeiten derzeit rund 44 Prozent an einer Promotion. Viele schätzen den Arbeitsaufwand als hoch ein: 45,3 Prozent der Teilnehmer gehen davon aus, dass sie rund zwei Jahre in Vollzeit brauchen werden, bis die Doktorarbeit abgeschlossen sein wird. 33,7 Prozent gehen von einer Arbeitszeit von rund zwölf Monaten aus.
Verpflichtender Lernzielkatalog gefordert
“Verpflichtungen halte ich für falsch. Viel eher sollte auf eine umfangreichere theoretische und praktische Unterstützung der promotionswilligen Studierenden gesetzt werden. Denkbar wären auch verschiedene Promotionsmodelle, die die Bedürfnisse der klinischen Forschung und Grundlagenforschung erfüllen und gleichzeitig die Interessen der Studierenden berücksichtigen”, erklärt Uden.
“Aus unserer Sicht reichen die vermittelten Fähigkeiten, aber auch die zeitlichen Möglichkeiten während des Studiums nicht aus, um eine fundierte wissenschaftliche Promotion zu verfassen.”
Nur eine Minderheit der Studenten kann sich nach dem Studium eine Karriere an der Universität oder in der Forschung vorstellen: 16,2 Prozent sind für ihren weiteren Berufsweg an Forschung und Lehre interessiert; 53 Prozent sind Frauen, 47 Prozent Männer. Für eine Mehrheit von 54,7 Prozent kommt eine solche Karriere eindeutig nicht in Frage.
Für einheitliche Lern-Standards plädieren knapp 85 Prozent. Sie befürworten einen für alle Fakultäten verpflichtenden Lernzielkatalog.
“Auch wenn die Individualität der Universitäten wünschenswert ist, sollte das Medizinstudium so ausgelegt sein, dass alle Studierenden – egal, ob in Bayern oder in Mecklenburg-Vorpommern – gleich ausgebildet sind”, heißt es dazu vom HB.
Von Rebecca Beerheide
Im Aktuellen Artikel der Ärzte Zeitung führt Rebecca Beerheide mit Theodor Uden, Vorsitzender der Medizinstudenten im Hartmannbund, ein interessantes Interview. Das Interview gibt er hier (Ärzte Zeitung).
Information: Der Beitrag ist zuerst in der „Ärzte Zeitung“ erschienen. Er ist „praktischArzt“ von der Fachverlagsgruppe Springer Medizin, zu der auch die „Ärzte Zeitung“ gehört, zur Verfügung gestellt worden.
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