
Rund 37 Prozent der Bewerber/innen erleben schlechte Recruiting-Prozesse. Eine Zahl, die in Zeiten des Fachkräftemangels und angesichts des sich verstärkenden Kampfes um Nachwuchskräfte viel zu hoch ist. Denn wer mit den Recruiting-Prozessen nicht zufrieden ist, wendet sich einem/-r anderen Arbeitgeber/in zu. Höchste Zeit also interne Abläufe zu hinterfragen, auszumisten und anzupassen.
Recruiting-Prozesse regelmäßig überprüfen
Leider genügt es schon längst nicht mehr, Stellenanzeigen zu veröffentlichen, sich zurückzulehnen und auf einen Ansturm von Bewerbern/-innen zu warten. Die wirtschaftlichen Folgen von Krieg, Pandemie sowie die zunehmende Veränderung von einem Arbeitgebermarkt zu einem Bewerbermarkt und nicht zuletzt der bestehende Fachkräftemangel des Gesundheitswesens, treibt Unternehmen immer mehr dazu, dessen Firmenwerte offensiver darzustellen und sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Zusätzlich drängt die Generation Z mit Hochdruck auf den Arbeitsmarkt und achtet für sich auf andere Rahmenbedingungen als vorherige Generationen. Virtuelles Arbeiten per Smartphone, Tablet und Social Media, gehört für die Generation Z genauso wie Wertschätzung, Work-Life-Balance, agile Arbeitsmethoden und Freiheiten am Arbeitsplatz zu den Grundvoraussetzungen.
Mit dieser Entwicklung ist der Recruiting-Prozess für Unternehmen und Personalberater/-innen vielfältiger geworben. Damit im starken Wettkampf um qualifiziertes Personal im Gesundheitswesen nicht der Kürzere gezogen wird, müssen heutzutage gezielt die passendenden Recruiting-Strategien für das eigene Unternehmen entwickelt, wirksam umgesetzt und vor allem stetig angepasst werden.
Recruiting-Trends beobachten
Getreu dem Motto: Neue Zeiten erfordern neue Wege, sollten sich Personalberater/-innen regelmäßig mit den aktuellen Recruiting-Trends befassen. Auch in diesem Jahr steht vor allem die internationale Talentsuche hoch im Kurs, um dem anhaltenden Pflegenotstand entgegenzuwirken. Erleichtert wird dies durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU. Staatsangehörige der EU-Mitgliedsstaaten benötigen also weder Aufenthaltstitel noch Arbeitserlaubnis. Zudem entlastet das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) seit März 2020 bei Drittstaatenangehörigen für Erleichterungen bei der Einwanderung nach Deutschland. Das gilt insbesondere für Fachkräfte mit beruflicher, nicht-akademischer Ausbildung.
Neben der internationalen Talentsuche nimmt auch die Bedeutung von Talentpools zu. Es lohnt sich, ein aktives Netzwerk aufzubauen, auf welches das Recruiting jederzeit zugehen kann. Der Interaktion mit möglichen Kandidaten/-innen, sowie der Community-Pflege kommt daher eine wichtige Bedeutung zu. Personaler/-innen können sich mit potentiellen Kandidaten/-innen in den sozialen Medien vernetzen oder regelmäßige Updates über Firmen-News versenden. Nicht zuletzt ist es für Unternehmen wichtiger denn je, effektive Strategien bei der Personalbeschaffung einzusetzen.
Employer Branding und Corporate Influencing sind zwei essenzielle Instrumente, welche auch in den kommenden Jahren nicht aus dem Recruiting wegzudenken sind. Ein modernes Employer Branding, sowie Corporate Influencing, werten ein erfolgreiches, bewerberorientiertes Recruiting auf und helfen Arbeitgebern/-innen, qualifizierte Kandidaten/-innen zu finden und das Unternehmen online und offline als trendig, wandelbar und erfolgsorientiert darzustellen. Durch den Einsatz beider Methoden im Recruiting können Unternehmen Bewerber/-innen gezielt und auf Basis Ihrer Bedürfnisse ansprechen.
Stellenausschreibungen überprüfen
Zielgruppengenau formulierte Stellenanzeigen, die die Anforderungen und Suchkriterien aus Bewerbersicht berücksichtigen, stellen ein effektives Tool für die Rekrutierung von qualifiziertem Personal dar. Es lohnt sich daher die Stellenausschreibungen mindestens einmal pro Jahr zu überprüfen. Sind die Anforderungsprofile auf dem neuesten Stand? Sind diese konkret und realistisch? Ist die Stellenanzeige mobil abrufbar? Wird das dritte Geschlecht berücksichtigt? Ist die Anzeige attraktiv gestaltet und gut strukturiert?
Recruiter/-innen sollten sich hier vor allem in die Rolle des/-r Kandidaten/-in versetzen und die Stellenausschreibungen der Konkurrenz nicht außer Acht lassen. Welche Tools und Benefits wenden direkt Mitbewerber an? Wirkt das Unternehmen so, wie es tatsächlich ist? Besteht die Möglichkeit sich direkt zu bewerben? Ist ein Ansprechpartner für Rückfragen genannt? Falls noch nicht geschehen ist es zudem spätestens jetzt an der Zeit, einfach auszufüllende, prägnante Formulare für das Bewerbungsverfahren zur Verfügung zu stellen. Kandidaten/-innen können ihre Anhänge in Form von Lebensläufen und Anschreiben einfach online hochladen und erhalten den Eindruck eines fortschrittlichen, modernen Unternehmens.
Strategische Überlegungen
Ohne eine hochwertige, auf die Bedürfnisse der Kandidaten/-innen ausgerichtete Rekrutierungsstrategie fällt es heute schwer, potenzielle Mitarbeiter/-innen zu begeistern und für sich zu gewinnen. Je einfacher und konkreter der Recruiting-Prozess gestaltet wird, desto erfolgsversprechender ist er. Deshalb empfiehlt es sich, den Prozess von Anfang bis Ende durchzudenken und zu überlegen, was dabei verbessert werden kann. In welchen Bereichen könnte eine externe Agentur unterstützen? Wenn wichtige Führungspositionen neu besetzt werden sollen, könnte sich auch ein anderer Weg lohnen.
Die Zusammenarbeit mit externen Agenturen oder Headhuntern ist vor allem für Unternehmen interessant, die keine spezielle Personalabteilung haben. Zudem sollte hinterfragt werden, ob die aktuellen Recruitingtools und -kanäle wirklich noch effektiv sind?
Heutzutage gibt es eine Vielzahl von Jobbörsen oder Jobsuchmaschinen, in denen Stellenanzeigen veröffentlicht werden können. Dazu zählen generalistische Jobbörsen, aber auch spezialisierte und regionale Jobbörsen sowie Jobsuchmaschinen. Vor allem das Social-Media-Recruiting gewinnt zunehmend an Bedeutung. Zudem sollte geprüft werden welche neuen Technologien ausprobiert und implementiert werden können? Wie kann das Personalmarketing noch zielgruppenspezifischer gestaltet werden?
Datenschutz im Blick behalten
Die Daten der Bewerber/-innen sind nur für die Dauer des Recruiting-Prozesses relevant, und somit von kurzer Halbwertszeit. Danach erlischt per Gesetz das „berechtigte Interesse“ an dessen Verarbeitung und Aufbewahrung. Die Konsequenz: Sie müssen nach der Entscheidung für oder gegen eine/n Bewerber/in gelöscht werden. Und zwar unverzüglich. Einmal im Jahr sollten sich Personaler/innen daher die Zeit nehmen, und sich dem Datenschutz annehmen. Folgende Fragen helfen dabei zu klären, ob das Recruiting-Team beruhigt dem/-r Datenschutzbeauftragten in die Augen schauen kann: Ist die Datenschutzerklärung für Bewerber/innen noch rechtlich auf dem neusten Stand? Ist die Datenschutzerklärung noch inhaltlich richtig? Werden alle relevanten und geforderten Datenlöschungen auch fristgerecht vorgenommen? Sind alle Bewerbungsunterlagen, die per E-Mail versendet oder ausgedruckt wurden, wirklich vernichtet?
Oftmals befinden sich die Dokumente auch Jahre nach Abschluss des Verfahrens in den E-Mail-Postfächern der Kollegen/-innen. Dies stellt einen klaren Verstoß gegen die DSGVO dar und kann mit bis zu vier Prozent des weltweiten Firmenumsatzes bestraft werden. In vielen Fällen lohnt es sich, den Kollegen/-innen ein kurzes Online-Training zur Auffrischung anzubieten.