
In Deutschland herrscht noch immer Pflegenotstand. Denn ländlichen Regionen und Kliniken fehlt es an Fachkräften, sowohl in der Pflege als auch im Ärztlichen Dienst. Ausländische ÄrztInnen sind deswegen keine Seltenheit mehr, so helfen sie doch, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Dennoch müssen sich ausländische KollegInnen regelmäßig mit Rassismus und Sexismus auseinandersetzen, wie eine aktuelle US-amerikanische Studie nun beleuchtet.
Kaum Studien zu Rassismus und Sexismus bei Patienten
Eine Online-Befragung aus dem Jahr 2017 legte dar, wie oft MedizinerInnen mit Herabsetzungen von PatientInnen zu tun haben. Die Resultate sind gravierend: fast sechs von zehn teilnehmenden ÄrztInnen führten an, dass sie in den letzten fünf Jahren von PatientInnen herabgesetzt wurden. Die Herabsetzungen bezogen sich dabei auf mehr oder weniger offen sexistische oder rassistische, abfällige Bemerkungen. Personen, welcher einer Minderheit angehören, traf es ferner verstärkt.
Trotzdem gab es dessen ungeachtet kaum systematische Untersuchungen, welche sich mit solchen Herabsetzungen hinsichtlich sozialer Eigenschaften beschäftigten. Damit verknüpft existieren genauso wenig Hilfestellungen, wie Betroffene mit solchen diskriminierenden Kommentaren umgehen können.
Konzeption und Teilnehmer der Studie
Eine Doktorin der Abteilung für Innere Medizin der University of California in San Francisco sowie weitere ForscherInnen führten deswegen eine nicht-repräsentative Untersuchung durch.
Bei der Analyse nahmen insgesamt 50 ÄrztInnen teil. Dabei handelte es sich um 11 KrankenhausärztInnen, 26 niedergelassene, und 13 Medizinstudierende. Diese bestanden aus 22 Männern, 26 Frauen und zwei Gendervarianten. Etwas mehr als die Hälfte waren weiß, die anderen 48 % waren Latinos, Asiaten, Araber und Schwarze.
Im Zuge dessen führten die ForscherInnen Diskussionsgruppen mit semistrukturierten Interviews durch. Hierbei konnten die Teilnehmenden ihre Erfahrungen hinsichtlich Rassismus und Sexismus bei ihrer Arbeit erläutern.
Die WissenschaftlerInnen ermittelten während der Befragungen entsprechende Vorkommnisse, in welchen die Teilnehmenden herabgesetzt wurden. Gleichermaßen fragten die ForscherInnen nach den Emotionen der MedizinerInnen sowie nach den Reaktionen unbeteiligter Zeugen wie Vorgesetzte.
Wie zeigt sich Rassismus und Sexismus bei Patienten?
Die befragten MedizinerInnen berichteten von Vorfällen, bei welchen sie sich mit Vorurteilen, Rassismus und Sexismus konfrontiert sahen:
PatientInnen…
- …lehnten explizit die Versorgung von einem/einer MedizinerIn ab, welche/r nicht weiß war. Sie sagten in diesem Zusammenhang beispielsweise, sie wollen von jemandem behandelt werden, der “so wie sie aussehe”.
- …machten offene rassistische Kommentare: “Ihr seid an allem schuld, was hier schiefläuft” gegenüber einer muslimischen Medizinstudentin, welche ein Kopftuch trug
- …zweifelten die Professionalität an; Ansprache einer Ärztin als Schwester und den sie begleitenden Medizinstudenten als “Herr Doktor”
- …teilten mangelnden Respekt nonverbal, z.B. durch Hinterherpfeifen von Studentinnen oder Ärztinnen
- …machten “Witze” gegenüber der ethnischen Herkunft, z.B. indem sie eine Latina nach den besten Zutaten für ein Curry fragten
- …erkundigten sich nach der Herkunft, wenn sie auf dem Klinikausweis einen ausländischen Nahmen sahen
- …flirteten oder machten entsprechende Bemerkungen gegenüber Ärztinnen oder Studentinnen oder nannten sie “Schätzchen”
Anhand der halbstrukturierten Befragungen konnten die WissenschaftlerInnen diese verschiedenen Verhaltensweisen von PatientInnen grob kategorisieren und mit den genannten Beispielen unterfüttern.
Wie gehen Betroffene und Unbeteiligte damit um?
Die befragten MedizinerInnen gingen unterschiedlich mit dem mehr oder weniger offensichtlichen Rassismus und Sexismus um. Generell waren die Betroffenen verärgert, verletzt oder fühlten sich in ihrer Rolle als Arzt oder Ärztin verunsichert.
Mitunter erschwerten die Anmerkungen sogar die zukünftige Tätigkeit oder das Studium. Die Effekte hielten langfristig an. Andere Teilnehmende sprachen zudem von einem “inneren Rückzug.”
Andere ÄrztInnen antworteten nicht auf die Kommentare. Der Grund lag beispielsweise darin, dass sie keinen Sinn darin sahen oder überfragt waren, wie sie reagieren sollten oder wie sie reagieren durften. Noch immer erwarte man von MedizinerInnen, dass sie sich dauerhaft adäquat verhalten, hilfreich und edel agieren müssten. Den oder die PatientIn zu kritisieren, gehöre demnach nicht zur Arztrolle.
Was passiert jedoch, wenn Unbeteiligte Notiz von solchen Kommentaren nehmen? Die Befragten gaben an, dass Unbeteiligte oftmals selbst unsicher waren, wie sie sich verhalten sollten. Des Weiteren existierten Vorgesetzte, welche Patienten nach Herabsetzungen tadelten. Andere Vorgesetzte allerdings grinsten nur oder zeigten keine Reaktion.
Vorschläge gegen Rassismus und Sexismus bei Patienten
Obwohl die Untersuchung nicht repräsentativ und vergleichbar aufgrund der geringen Teilnehmerzahl ist, weist sie doch erschreckende Befunde auf.
Ergebnisse ziehen wichtige Implikationen mit sich
Dennoch sind die Ergebnisse nicht überraschend, bekommt man doch noch immer genügend Rassismus und Sexismus in der Öffentlichkeit mit. Deswegen ist es leider nicht verwunderlich, dass Diskriminierung auch in Krankenhäusern und Praxen vorkommt.
Die Analyse legt dar, wie immens wichtig zusätzliche Forschung ist und wie essenziell Empfehlungen und Hilfe gegen Rassismus und Sexismus sind.
Auseinandersetzen mit Diskriminierung bedeutend
Vorschläge seitens der Befragten waren beispielsweise, dass Klinikleitungen sich mit diesen Problemen befassen müssten anstatt sie zu ignorieren. Die Kommentare lediglich als marginal einzuordnen sei ebenfalls nicht ausreichend.
Des Weiteren sei es selbstverständlich entscheidend, die medizinische Betreuung der Kranken sicherzustellen. Das heißt jedoch nicht, in solchen Situationen nicht zu handeln. Denn vorgesetzte ÄrztInnen und Verwaltungen haben eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Angestellten. Das bedeutet konkret, dass sie die Aufgabe haben, ihre MedizinerInnen vor respektlosen PatientInnen zu schützen.
Überdies wiesen die Teilnehmenden darauf hin, dass die Verantwortlichen Trainingsmaßnahmen oder Rollenspiele arrangieren könnten. Der Grund liegt darin, dass viele Unbeteiligte oder Betroffene gar nicht wissen, wie man mit solchen Diskriminierungen umgeht. Zeugen und betroffene MedizinerInnen könnten so wirkungsvolle Reaktionen lernen.