
Eine PJ-Stelle in England zu bekommen ist gar nicht so leicht. Viele Universitäten verlangen hohe Studiengebühren oder vergeben Praktika nur für einen Zeitraum von 4-6 Wochen. Nachdem ich viele verschiedene Krankenhäuser angeschrieben hatte bekam ich schließlich ein Angebot vom Royal Cornwall Hospital in Truro, Cornwall.
Vorbereitung praktisches Jahr in England
Zunächst musste man für das praktische Jahr in England ein Bewerbungsformular ausfüllen, in dem man angeben konnte welche 3 Fachbereiche einem am meisten interessieren. Nach einigen Wochen bekam ich eine Zusage, dass ein Arzt der Gastroenterologie (meine 2.Wahl) sich bereit erklärt habe mich in den zwei Monaten meines PJs zu betreuen. Danach musste ich meinen Lebenslauf, einen Sprachnachweis, einen Brief des Dekans meiner Universität (Bestätigung des Studentenstatus, sowie letter of good standing), einen Nachweis über bestimmte Impfungen, ein ins Englische übersetzte Führungszeugnis und den ausgefüllten Praktikumsvertrag an das Krankenhaus senden.
Hinzu kamen Bearbeitungsgebühren von 150 Pfund. Für Großbritannien braucht man (zumindest momentan) kein Visum und keine speziellen Impfungen, die Einreise ist mit dem Personalausweis möglich. Das Krankenhaus verlangte einen Nachweis über die Impfungen gegen Hepatitis B, Masern, Mumps, Röteln und Varizellen, sowie über den Ausschluss einer Hepatitis C, HIV und Tuberkulose-Infektion.
Das Royal Cornwall Krankenhaus und der Tag auf Station
Die Stadt Truro ist mit nur ca. 20.000 Einwohnern nicht besonders riesig (aber sehr hübsch!), trotzdem ist das Krankenhaus das größte der Region und hat für den PJler einiges zu bieten.
Ich war auf der Gastroenterologie eingeteilt, konnte mir aber sehr frei aussuchen was ich sehen, machen und lernen wollte. So verbrachte ich Zeit in der Endoskopie, in der Sprechstunde, auf Station, sowie im OP, wo zwei Mal die Woche ERCPs durchgeführt wurden. Zudem war ich bei sämtlichen Meetings, wie Röntgen-Besprechung, Tumor-Board etc. gern gesehen.
Die Ärzte und Schwestern waren allesamt sehr nett und interessiert daran, wie die Ausbildung in Deutschland abläuft und extrem bemüht mir möglichst viel beizubringen. Manchmal wurde ich während der Visite abgefragt, es war aber nie schlimm, wenn ich etwas nicht genau wusste.
In England haben viele Schwestern eine Zusatzausbildung in bestimmten Bereichen beispielsweise Alkoholmissbrauch, Essstörungen oder auch Antikoagulation. Diese führen dann ausführliche Gespräche mit den entsprechenden Patienten und auch hier konnte ich jederzeit mit dabei sein.
Der Tag auf Station begann um 8:30 Uhr mit einer kurzen Besprechung und der Visite, die sehr viel ausführlicher war als man es aus Deutschland kennt und immer von einem Consultant geführt wurde. Danach kümmerten die Junior-Doctors sich um die übrigen Stationsaufgaben (Zugänge oder Magensonden legen, Aszitespunktionen) und ich half Ihnen dabei. Meine Hilfe wurde nie als selbstverständlich betrachtet, im Gegenteil, für jede Blutentnahme wurde mir drei Mal gedankt.
Arbeitsende war offiziell um 16 Uhr, häufig durfte ich aber schon früher gehen.
Insgesamt empfand ich die Stimmung im Krankenhaus als sehr nett und zugewandt und obwohl das Gebäude schon etwas älter ist und die Patienten in „Bays“ mit bis zu sieben anderen Patienten untergebracht werden, beschwerte sich so gut wie nie jemand.
Auch ein Wechsel auf die Notaufnahme, welche in England vom Fachbereich A&E (Accident and Emergency) geführt wird, wurde mir auf Nachfrage sofort ermöglicht. Hier konnte ich selbst Patienten aufnehmen, diese untersuchen und sie anschließend einem der Ärzte vorstellen, wodurch ich sowohl sprachlich, als auch fachlich sehr viel dazu lernte.
Zudem gab es wöchentlich mehrere Fortbildungen, bei denen ich immer herzlich willkommen war. Diese waren meist sehr praktisch orientiert und haben mir wirklich gut gefallen.
Mittagessen gab es 1x die Woche bei der Mittagsfortbildung umsonst, an den anderen Tagen konnte man für kleines Geld in der Cafeteria zwischen verschiedenen Gerichten, Sandwiches und einer Salatbar wählen.
Eine Vergütung bekam ich nicht und auch Dienstkleidung wird nicht gestellt, da die Ärzte schicke Kleidung (Bluse, Hemd, Stoffhose) tragen. Dies fand ich schon sehr gewöhnungsbedürftig und auch nicht besonders hygienisch, es ist aber (außer im OP und in der Endoskopie) Standard in englischen Krankenhäusern.
Land, Kultur und Leute
Cornwall ist eine der schönsten Regionen England und hat gerade im Sommer jede Menge zu bieten. Es locken zahlreiche Festivals, dazu eine atemberaubende Natur mit Steilklippen und weißen Sandstrände und ein riesiges Angebot an Outdoor-Aktivitäten, allem voran Surfen, aber auch Kanu fahren, Schwimmen, Fahrrad fahren, Coasteering, Wandern und vieles mehr. Die Menschen in Cornwall sind sehr offen und immer für ein Schwätzchen zu haben. Ein weiteres Plus sind das leckere regionale Essen (Scones, Sunday Roast, Ales, etc.) und die Pub-Kultur.
Truro ist zwar recht klein, es gibt aber viele nette Läden, Cafes und Pubs. Von hier kommt man außerdem gut mit den typisch englischen Doppeldecker-Bussen zu den vielen Sehenswürdigkeiten der Umgebung.
Fazit PJ in England
Ich wurde überall sehr herzlich aufgenommen und habe viele tolle neue Erfahrungen gemacht. Insgesamt habe ich in den zwei Monaten viel gelernt, sowohl medizinisch als auch was die Sprache und die Organisation des Britischen Gesundheitssystems angeht.
Ich kann jedem der ins englisch-sprachige Ausland gehen möchte wärmstens empfehlen sich beim Royal Cornwall Hospital zu bewerben. Insbesondere im Vergleich mit Erfahrungen meiner Kommilitonen in Australien ist dies eine sehr viel günstigere Option, bei der man zudem mehr lernt und auch praktisch mehr machen darf.
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PJ in der Schweiz