Hin und wieder mal einen Porno zu gucken, ist für die meisten total in Ordnung. Es gibt aber Menschen, die kommen davon einfach nicht mehr los. Wie ist das, wenn Pornos das Leben bestimmen? Es wird geschätzt, dass über eine halbe Million Menschen in Deutschland unter einer Sex- und Pornosucht leiden. Seit 2019 sind diese Süchte auch von der WHO offiziell als Krankheit anerkannt. Für viele ist es gar nichts Besonderes mehr, Pornos anzusehen. Ein Klick im Internet und jedem stehen sofort Millionen von Videos zur Verfügung – für alle Geschmäcker ist etwas dabei. Wann beginnt es aber, problematisch zu werden und ab wann gilt man als pornosüchtig?
Pornografie und Cybersexsucht
Pornografie ist zum Massentrend geworden. Mit durchschnittlich etwa 68 Millionen Anfragen pro Tag wächst das Online-Pornogeschäft stetig an. Es sind hauptsächlich Männer, die pornografische Inhalte konsumieren, aber auch Frauen schauen sich erotische Clips und Bilder an. Es herrschte lange eine gewisse Uneinigkeit darüber, ob Pornos als harmlos anzusehen sind oder, ob ihr Suchtpotential unterschätzt wird.
Bereits Kinder mit 11 Jahren suchen im Internet nach sexuellen Inhalten und stimulierenden Reizen, laut einer Statistik sind über 40% der Kinder regelmäßig im Netz unterwegs, um sich pornografische Clips anzusehen. Die meisten Seiten bieten völlig freien Zugang, lediglich 3% der Sex-Seiten erfragen das Alter des Nutzers, oftmals aber auch ohne Altersnachweis.
Der Sog des Internets führt dazu, dass man immer mehr Zeit online verbringt – Cybersexsucht ist eine Unterform der Internet- und Sexsucht, die oftmals eine immer stärker werdende Rastlosigkeit und der innere Drang, eine Lücke füllen zu müssen, stillt. Einsamkeit, Fehlen eines Lebenssinns und starke Sehnsucht ziehen Menschen immer weiter in die Sucht – immer auf der Suche nach einer Befriedigung. Auch Betroffene, die eine Art von bestimmter Sexualität in ihrer Beziehung nicht ausleben können, suchen im Internet nach sexuellen Kicks, um nicht fremdzugehen.
Pornografie hat sich verändert. Playboy und Internet-Pornografie haben nichts mehr gemeinsam. Heute ist es uns möglich, mehrere 100 Videos in wenigen Minuten anzuklicken und zu konsumieren.
Pornosucht – Coolidge-Effekt und Dopamin
Coolidge-Effekt kommt aus der Verhaltensforschung, der folgendes besagt: Immer, wenn wieder neue mögliche Sexualpartner auftauchen, wird der Abschnitt zwischen „Wir wollen Sex haben“ und „Wir haben Sex“ kleiner. Sind hingegen immer nur die gleichen Sexualpartner da oder werden sogar potentiell weniger, vergrößert sich dieser Abstand mit der Zeit. Durch den Coolidge-Effekt sehen Männer in Beziehungen fremden Frauen hinterher, denn für das Gehirn erscheinen mehrere Möglichkeiten der Fortpflanzung besser als nur eine. Jedes Mal, wenn sie also einen neuen möglichen Sexualpartner treffen, wird das biologische System angeregt. Man zieht sich gegenseitig an und ist aktiver.
Das Gehirn ist darauf trainiert, vorzusorgen, um für knappe Phasen Reserven zu haben. Nicht nur bei Nahrung, sondern auch bei Sexualpartnern – ein Überlebensmechanismus. In Kombination mit Internet-Pornografie führt dies aber zu Überkonsum. Sobald ein Nutzer Pornoinhalte sieht, wird der Botenstoff Dopamin ausgestoßen. Das Gehirn sieht die Chance, sich fortzupflanzen. Sieht ein Porno-User immer die gleichen Clips, sinkt automatisch die Menge des Dopamins. Also müssen immer neue Reize und Filme her. Durch die Vielfalt der Pornoinhalte können Nutzer somit stundenlang auf einer Dopamin-Welle reiten.
Pornosucht – Sexueller Stimulus per Mausklick zu jeder Zeit
Wir können etwas, was uns sexuell stimuliert, jederzeit ansehen, herunterladen und kaufen. Die Filme und Clips befeuern ohne Pause das Belohnungssystem im Gehirn. Anfänglich mag sich das super anfühlen und schneller zum Orgasmus führen, doch der Effekt verfliegt ganz schnell. Man gewöhnt sich daran und ist dann ständig auf der Suche nach dem nächsten Kick.
Generell spricht man von einer Sucht, wenn der Konsum nicht mehr kontrollierbar ist und man dadurch negative Konsequenzen in seinem Leben oder in seiner Umgebung spürt.
Jedes Mal mehr und eine Stufe härter – mehrere Stunden am Tag. Die üblichen Reize reichen nicht mehr aus, man stumpft ab und die erhoffte Wirkung setzt nur durch immer neuere Reize ein. Man kann sich nicht mehr konzentrieren, wird aggressiv und ist erschöpft, wenn das Konsumieren von Pornos nicht regelmäßig in den Alltag integriert wird. Betroffene berichten, dass sie sich fast schon wie Roboter fühlen, ferngesteuert von außen und sie keine eigene Macht mehr haben, selber zu entscheiden.
Problematische Botschaft von Pornos
Die Botschaft von Pornos ist die, dass Sexualität und Liebe bzw. Beziehungen nichts miteinander zu tun haben. Es ist getrennt. Man hat in der Fantasie Sex mit Menschen, zu denen man keine Verbindung hat. Diese Botschaft wird also ständig inhaliert und verinnerlicht sich, was sich somit auch auf die allgemeine Sicht auf Menschen auswirkt. Demnach werden Frauen und Männer mehr und mehr mit einem pornografischen Blick begutachtet. Es wird also bewertet, wie man die Person für die eigene sexuelle Gier benutzen kann – als eine Art Gebrauchsgegenstand für die eigenen Bedürfnisse. Doch man stellt schnell fest, dass es in Beziehungen so nicht funktioniert.
Die Beziehung zueinander, das bewusste Aufeinander-Eingehen und Verantwortung tragen, die außerhalb der körperlichen Ebene auch zur Sexualität dazugehören, wird im pornografischen Drehbuch gänzlich ausgeklammert. Das führt zu Beziehungsproblemen, sogar so weit, dass Sex mit dem eigenen Partner gar nicht mehr erregend wirkt. Während es also dazu kommt, dass Betroffene weiterhin auch in Beziehungen und festen Partnerschaften regelmäßig Pornos konsumieren, leiden ihre PartnerInnen zunehmend darunter, fühlen sich vielleicht sogar gedemütigt und austauschbar.
Pornosucht – Wenn alle anderen Lebensbereiche plötzlich langweilig werden
Wer das Interesse an Gemeinschaft und Beschäftigungen verliert, lieber zu Hause bleibt und Pornos schaut statt sich zu verabreden, steckt meist schon tief in der Suchtspirale. Isolation, ständiges Zurückziehen und die soziale Verarmung sind deutliche Warnsignale. Es mag das verstärkte Gefühl bei Betroffenen auftreten, dass alle anderen Lebensbereiche langweilig sind und man seine benötigte Energie nur noch aus der Pornografie erlangt.
2014 hat die American Psychologist Association in einer Arbeit geschätzt, dass etwa 9% aller Nutzer, also Millionen Menschen weltweit, vergeblich versuchen, von pornografischen Inhalten loszukommen und aufzuhören. Die Folgen über das nicht geschaffte Ziel sind Wut, Scham, Isolation, Trauer und Depressionen – Gefühle, die sie wiederum dazu bringen, noch intensiver zum Suchtmittel zu greifen.
Wie jede Sucht dient auch der Pornokonsum als Ersatzbefriedigung für andere Defizite. Jede Art von übermäßigem Konsum wird letztendlich benutzt, um Schmerz zu lindern oder Stress zu kompensieren. Je häufiger diesem Verhalten nachgegangen wird, desto fester werden diese neuronalen Bahnen, bis das Gehirn irgendwann denkt, dass das Suchtmittel die einzige Form ist, den Schmerz zu bekämpfen.
Zum Suchtverhalten gehört auch, dass es eine gedankliche Einengung auf das Suchtmittel gibt, aus der eine Art Tunnelblick entsteht. Alles andere wird ausgeblendet – die Gefahr, den Partner, Job und soziale Kontakte zu verlieren.
Das menschliche Bedürfnis nach erfüllter Zweisamkeit kann Pornografie aber nicht stillen. Gut gelebte Sexualität schafft eben genau dieses Empfinden. In der Illusion der Pornografie gelingt das zwar auch kurzzeitig, aber nicht dauerhaft. Man wird nicht wirklich gesättigt, deswegen müssen Betroffene immer wieder nachschütten.
Pornosucht – Niemand soll etwas davon erfahren
Es ist unangenehm und erfordert Mut, zuzugeben, dass man pornosüchtig ist. Bis sich Betroffene öffnen und Menschen in ihre Sucht einweihen, sie überhaupt erstmal selber zu der Erkenntnis kommen, dass sie ein Problem haben, ist meist schon ein langwieriger Prozess. Beziehungen zerbrechen, man verliert den Job und Freunde – oft müssen erst einschneidende Erlebnisse geschehen, die Betroffene dann dazu befähigen, sich jemandem anzuvertrauen und sich helfen zu lassen.
Viele Menschen suchen den Weg in eine normale Wahrnehmung. Durch die Abstinenz kann sich das Gehirn wieder erholen und nach einem gewissen Zeitraum wieder normal empfinden – und schließlich wieder auf natürliche Weise auf sexuelle Reize reagieren. Die NoFap-Gemeinde hilft Betroffenen, gegen die Pornosucht anzukämpfen.