
Ein Placebo wirkt nur, weil der Patient nicht weiß, dass er ein Scheinmedikament schluckt? Falsch, zeigt eine aktuelle Studie. Ein Placebo zeigt auch dann Wirkung, wenn Patienten über den fehlenden Wirkstoffgehalt informiert sind und den Placebo-Effekt kennen. Details zur überraschenden Untersuchung.
Medikamente ohne Wirkstoff
Als Placebo-Effekt wird eine Situation verstanden, bei der eine Besserung eintritt, nachdem Patienten ein Medikament einnehmen, das sie für echt halten, obwohl es keine speziellen Wirkstoffe gegen ihre Beschwerden enthält. Dabei handelt es sich nicht um Einbildung der Patienten, sondern um einen neurobiologischen Vorgang, der messbar ist. Meist werden Placebos in Form von Kochsalzlösungen oder Zuckerpillen verabreicht. Zwar zeigen Befragungen, dass die Verwendung von Placebos unter niedergelassenen Ärzten in Deutschland keine Ausnahme darstellt, so ganz unproblematisch ist die verdeckte Abgabe von Scheinmedikamenten allerdings nicht, weil es mit der ärztlichen Aufklärungspflicht kollidiert. Die offene Abgabe von Placebos wäre eine Lösung, um sich auf ethisch vertretbare Weise des Placebo-Effekts zu bedienen.
Studie zeigt: Placebos wirken, wenn man Bescheid weiss
Eine gemeinsame Studie der Universität Basel und der Harvard Medical School liefert nun interessante Ergebnisse zur offenen Abgabe von Placebos. Die Ergebnisse der Studie wurden kürzlich im Fachblatt “Pain” veröffentlicht. An der Untersuchung zum Placebo-Effekt nahmen insgesamt 160 Probanden teil.
Die Forscher teilten die Probanden in drei Gruppen. Die erste Gruppe erhielt eine Creme gegen Schmerzen, die angeblich den Wirkstoff Lidocain erhielt. In Wirklichkeit war es ein Scheinmedikament, die Probanden wussten das nicht. Eine Vergleichsgruppe (Gruppe 2) erhielt eine Creme, die klar als Placebo deklariert war. In einem viertelstündigen Aufklärungsgespräch wurden Probanden aus der zweiten Gruppe zusätzlich zum Zustandekommen und den Wirkungsmechanismen des Placebo-Effekts geschult. Eine dritte Gruppe erhielt ebenfalls eine eindeutig mit “Placebo” beschriftete Creme, aber keine weiteren Erklärungen zum Placebo-Effekt.
Das Ergebnis: Bei Probanden aus der ersten Gruppe und der Vergleichsgruppe (Gruppe 2) trat eine Besserung ein. Aus beiden Gruppen hätten Probanden von einer signifikanten Abnahme der Schmerzen berichtet. Probanden aus Gruppe 3 hingegen nicht. Ganz im Gegenteil. In der dritten Gruppe klagten die Probanden überzunehmende Schmerzintensität. Damit gerät die bisher weit verbreitete Annahme, dass Placebos nur mittels Täuschung wirken, ins Wanken. Diese bisherigen Annahmen sollten neu überdacht werden, kommentieren die Autoren der Studie.
Die Studienergebnisse suggerieren, dass Scheinmedikamente bei offener Abgabe in Verbindung mit einem Erklärungsgespräch positiv wirken. Die Studienautoren sprechen in diesem Zusammenhang von einem Narrativ. Zwar war bereits durch andere Untersuchungen gezeigt worden, dass offen verabreichte Placebos wirken können. Der Zusammenhang von Placebos und der Aufklärung über den Placebo-Effekt war jedoch hier zum ersten Mal untersucht worden.