Den Begriff Sponsoring kennt man vor allem aus dem Sport. Sponsoren fördern bestimmte Sportler, Sportvereine oder -events und erhoffen sich davon eine positive Werbewirkung. Je nachdem ob es mehr um Imageförderung oder mehr um Produktpositionierung geht, wird das Sponsoring der Öffentlichkeitsarbeit oder dem Marketing zugeordnet. Beim Pharma Sponsoring stehen eindeutig Marketing-Gesichtspunkte im Vordergrund.
Was ist Pharma Sponsoring?
Ziel von Pharmaherstellern ist es, den Absatz ihrer verschreibungspflichtigen Medikamente zu fördern. Dazu dient das Pharma Sponsoring. Zielgruppe sind dabei weniger Patienten, für die die Medikamente gedacht sind, als Ärzte, die sie verschreiben. Das macht die Besonderheit des Pharma Sponsoring aus. Es tritt an die Stelle der in anderen Bereichen üblichen Produktwerbung. Dass dabei auch Imageförderung für einen Hersteller eine Rolle spielen kann, ist nicht ausgeschlossen, aber eher ein Nebenaspekt.
Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente bei Endverbrauchern ist im Übrigen in Deutschland verboten. Sie würde vermutlich auch weitgehend verpuffen, da die Endverbraucher die Nachfrage kaum beeinflussen können, die entscheidende Stellschraube sind die verschreibenden Ärzte.
Effektiv aus Herstellersicht – umstritten aus Ärzte- und Patientensicht
Der Vorteil dieser Marketing-Variante aus Herstellersicht: die Zielgruppe ist überschaubar, klar definiert, eindeutig zu identifizieren und leicht anzusprechen. Deshalb kann das Pharma Sponsoring Nachteile vieler anderer Werbeformen vermeiden: hohe Streuverluste und geringe Zielgenauigkeit. Die Wirksamkeit des Pharma Sponsoring lässt sich sehr gut messen. Es gibt ein attraktives Kosten-Nutzen-Verhältnis. Das erklärt warum es so gerne eingesetzt wird und es sich für Hersteller lohnt, beträchtliche Summen in persönliche Ärzteansprache zu investieren.
Das Pharma Sponsoring ist aber nicht unumstritten, insbesondere wenn es mit spürbaren geldwerten Vorteilen für die angesprochenen Ärzte verbunden ist. In diesem Fall stellt sich schnell die Frage, ob solche “Geschenke” sich überhaupt mit dem ärztlichen Berufsethos vereinbaren lassen. Der Vorwurf der “Käuflichkeit” oder “Bestechlichkeit” steht im Raum. Aus Patienten-Perspektive ist ebenfalls eine kritische Bewertung möglich. Verschreibt mein Arzt mir ein Medikament, weil es das Beste für mich ist, oder weil er am besten davon profitiert – diese Frage kann sich im Zusammenhang mit exzessiver Nutznießung von Pharma Sponsoring stellen.
Wie sieht Pharma Sponsoring praktisch aus?
Praktisch tritt das Pharma Sponsoring in unterschiedlichen Formen in Erscheinung. Nachfolgend ein Überblick:
Pharmavertreter-Besuche beim Arzt
Der Vertreterbesuch ist die wohl häufigste Erscheinungsform des Pharma Sponsoring und eine gängige Praxis. Es gibt in Deutschland rund 15.000 Pharmareferenten, die es im Jahr auf rund 20 Mio. Besuche bei Ärzten und in Krankenhäusern bringen. Rechnet man das auf durchschnittlich 250 Arbeitstage im Jahr um, bedeutet das rund 5 Besuche pro Vertreter und Tag. In einer schon etwas älteren Befragung haben 77 Prozent der teilnehmenden Ärzte angegeben, mindestens einmal pro Woche einen Pharmavertreter zu empfangen.
Die Vertreterbesuche besitzen offiziell informatorischen Charakter. Neue Produkte und Angebote werden vorgestellt. Der Pharmareferent hinterlässt neben Arzneimittelmustern Infobroschüren, bietet Hintergrundmaterial und informiert über anstehende Veranstaltungen. Nicht selten sind die Besuche mit Essenseinladungen oder kleinen Werbegeschenken verbunden. Natürlich geht es nicht nur um reine Information. Die Besuche sind verdeckte Verkaufsveranstaltungen und zielen mehr oder weniger subtil auf Beeinflussung.
Arzneimittelmuster
Das Arzneimittelgesetz erlaubt jährlich nur die Abgabe von zwei Mustern pro Arzneimittel – und zwar in kleinster Packungsgröße und auf schriftliche Anforderung hin. Die Realität sieht allerdings anders aus. Denn die Abgabe von Arzneimittelmustern gehört zum festen Bestandteil der Vertreterbesuche. Fast alle Ärzte sehen das als Vorteil an und erhoffen sich dadurch “mehr Luft” in ihrem Arzneimittel-Budget.
Die Pharmavertreter ihrerseits erwarten einen absatzfördernden Effekt durch “Austesten” beim Patienten mit positiver Aufnahme. Dieses Kalkül geht oft auf, dass der Ärzte dagegen weniger – denn oft stehen die Muster für teure Innovationen ohne adäquaten Mehrwert. Der anfänglichen Ersparnis steht dann eine spätere Budgetbelastung durch häufigere Verschreibung gegenüber, obwohl es genauso wirksame, aber günstigere Präparate gäbe.
Ärztliche Fortbildungen, Veranstaltungen und Kongresse
Viele ärztliche Fortbildungen, Veranstaltungen und Kongresse werden von Pharmaherstellern im Sinne des klassischen Sponsoring finanziell gefördert, zum Teil auch direkt durchgeführt. Auch wenn solche Veranstaltungen häufig Werbecharakter haben, ist man bei den Ärztekammern bei der Anerkennung als ärztliche Fortbildung recht großzügig. Die Teilnehmer werden nicht selten mit attraktiven Tagungsorten, exzellenter Unterbringung und einem ansprechenden Rahmenprogramm gelockt. Treten Ärzte auf solchen Veranstaltungen als Referenten auf, erhalten diese in vielen Fällen lukrative Honorare. Die Absicht ist klar: es sollen erstklassige Kapazitäten für Referate gewonnen werden, die meinungsbildend wirken. Ein angenehmer Rahmen der Veranstaltung soll bei den Teilnehmern dafür sorgen, dass die gesendete Botschaft auch gut rüberkommt.
Mag man die finanzielle Förderung solcher Medizin-Events noch für vergleichsweise unbedenklich handeln, wird es bei direkten Zuwendungen an Teilnehmer und Referenten kritischer. “Unangemessene geldwerte Vorteile” bei solchen Veranstaltungen sind für Ärzte nämlich standesrechtlich nicht erlaubt, die Grenzen aber schwammig und die Übergänge von “angemessen” zu “unangemessen” fließend. Die meisten Landesärztekammern akzeptieren die Fremdübernahme angemessener Reisekosten und Teilnahmegebühren. Auch eine nach Zeit und Aufwand angemessene Honorierung ist erlaubt. Eindeutig nicht mehr angemessen sind Kostenübernahmen für touristische Verlängerungen des Veranstaltungsprogramms, für die Mitreise von Begleitpersonen oder für besonders exklusive Unterbringung und Verköstigung.
Anwendungsbeobachtungen
Eine weitere kritisch gesehene Form des Pharma Sponsoring sind Anwendungsbeobachtungen. Dabei geht es vordergründig um die systematische Austestung bereits offiziell zugelassener Medikamente an Patienten. Angegebenes Ziel: Unterstützung der Arzneimittelforschung mittels Empirie. Der behandelnde Arzt soll die Wirkung beobachten und Behandlungserfolge ebenso wie unerwünschte Nebenwirkungen erfassen und dokumentieren. Dies geschieht in der Regel anhand eines auszufüllenden Fragebogens. Für die Beobachtung erhält der teilnehmende Arzt eine Vergütung.
Das klingt zunächst harmlos und in gewisser Weise sogar wissenschaftlich fundiert. Die Praxis der Anwendungsbeobachtungen lässt aber erhebliche Zweifel am Verfahren aufkommen. Die weitaus meisten Anwendungsbeobachtungen erfüllen nicht die Regeln und Standards wissenschaftlicher Studien. Die Erkenntniswerte sind daher begrenzt. Die Teilnahme von Ärzten an Anwendungsbeobachtungen ist gang und gäbe. Der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) wurden 2019 18.500 Namen von Mitgliedern gemeldet, die solche Beobachtungen durchführten. Darunter waren allerdings auch ein paar Doppelmeldungen. Im Schnitt wurde laut KBV eine Vergütung von 140 Euro pro Patient bezahlt. Es kommen durchaus aber auch deutlich höhere Vergütungen vor, die ein Mehrfaches davon betragen können.
In einer kürzlich veröffentlichten gemeinsamen Untersuchung von Forschern der Uniklinik Freiburg und der Uniklinik Mainz wurde anhand einer “Stichprobe” von 7.000 Ärzten nachgewiesen, dass Ärzte mit Teilnahme an Anwendungsbeobachtungen die betreffenden Medikamente um sieben bis acht Prozent häufiger verschreiben als Ärzte ohne Teilnahme. Das Instrument der Anwendungsbeobachtung hat offenkundig einen unmittelbar absatzfördernden Effekt. Die Vergütung für die Teilnahme tut dabei ein Übriges und kann den Verdacht nähren, dass bei der Verschreibung das Patientenwohl nicht an erster Stelle gestanden hat.
Rechtliche Lücken inzwischen teilweise geschlossen
Lange war es gar nicht möglich, niedergelassene Kassenärzte wegen Bestechlichkeit zu belangen. Denn dieses Delikt sah das Strafrecht nur für öffentliche Amtsträger, nicht für Mediziner vor. Der BGH hat diese Gesetzeslücke bereits in einem Urteil 2012 bemängelt. Inzwischen wurde sie mit dem Mitte 2016 in Kraft getretenen “Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen” geschlossen. In den neu eingeführten §§ 299a und 299b StGB wird sowohl aktive als auch passive Bestechung unter Strafe gestellt.
Dennoch bleiben in der Praxis viele Grauzonen. Das Pharma Sponsoring steht nach wie vor in einem Spannungsverhältnis zwischen erlaubter Werbung oder Absatzförderung und illegaler Vorteilsgewährung. Nur mehr Transparenz kann dazu beitragen, Zweifel am Pharma Sponsoring abzubauen.