In deutschen Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen herrscht ein akuter Mangel an Pflegekräften. Es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht auf den Pflegenotstand hingewiesen wird. Erst im Juli wurde eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger bekannt gegeben, die akuten Fachkräftebedarf in Krankenhäusern feststellt. Laut Krankenhaus-Studie 2019 suchen die mehr als 1.900 deutschen Krankenhäuser und Kliniken 30.000 zusätzliche Pflegekräfte. Dem standen zuletzt nur 11.000 arbeitssuchende Pflegerinnen und Pfleger gegenüber, häufig nicht ausreichend qualifizierte Kräfte.
Der Personalmangel ist inzwischen sogar so groß, dass einzelne Krankenhäuser Stationen teilweise sperren müssen, weil nicht genügend Personal vorhanden ist. Sogar die Schließung ganzer Stationen lässt sich womöglich nicht vermeiden. Jede neunte Klinik geht der Berger-Untersuchung zufolge davon aus, dass Betten in Intensivstationen leer bleiben müssen, weil Patienten nicht ausreichend versorgt werden können. Das hätte unter Umständen gravierende Folgen, denn Einschränkungen in der Intensivpflege setzen gleichzeitig der Behandlung in der Unfallchirurgie, Kardiologie oder Neurologie Grenzen.
Wer nicht ausbildet, hat auch kein Personal
Auch in Alten- und Pflegeheimen sieht die Situation nicht besser aus. Hier herrscht Mangelverwaltung. Die Große Koalition hatte bei ihrem Zustandekommen im vergangenen Jahr ein Sofortprogramm gegen den Pflegenotstand vereinbart. Danach sollten finanzielle Mittel für 13.000 neue Stellen in Alten- und Pflegeheimen bereitgestellt werden. Gut ein Jahr später ist davon so gut wie nichts umgesetzt – schlicht, weil der Markt für Pflegekräfte leergefegt ist.
Die Personallücke hat viele Ursachen: schlechte Bezahlung von Pflegekräften, finanzielle Nöte vieler Kliniken – laut Roland Berger hat 2018 nur gut die Hälfte der Krankenhäuser Gewinn gemacht – größere Attraktivität anderer Berufe oder eines Studiums, die Liste ließe sich fortsetzen. Eine Ursache ist aber sozusagen hausgemacht. Bei der Ausbildung von Pflegerinnen und Pflegern halten sich viele Krankenhäuser zurück. Das zeigt eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Fraktion im Deutschen Bundestag.
Von den im Jahr 2017 bestehenden 1.942 Kliniken bildeten nur 942 Häuser Krankenpflege-Fachkräfte aus. Das ist nicht einmal die Hälfte. Insgesamt standen 2017 etwas mehr als 80.000 Ausbildungsplätze zur Verfügung. Wenn nicht genügend ausgebildet wird, ist Personalmangel bei den Pflegekräften die logische Konsequenz. Die Bundesagentur für Arbeit vermeldet zur Jahresmitte in fast allen Bundesländern einen Fachkräftemangel in der Krankenpflege. Im Bundesschnitt seien ausgeschriebene Krankenpflegestellen 154 Tage vakant, ehe sie besetzt werden können – also gute fünf Monate.
Konzertierte Aktion Pflege will mehr Ausbildung
Es ist höchste Zeit, etwas für die Ausbildung zu tun. Im Rahmen der sogenannten “Konzertierten Aktion Pflege” hatte sich die Große Koalition noch vor der Sommerpause auf ein Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Personalsituation im Pflegebereich verständigt. Bundesarbeitsministerium, Bundesfamilienministerium und Bundesgesundheitsministerium wollen hier an einem Strang ziehen. Pflegeausbildung ist dabei ein Teil des Maßnahmenpakets. Folgendes ist in diesem Bereich vorgesehen:
- bis 2023 soll die Zahl der Ausbildungsplätze und der Ausbildungsplätze um 10 Prozent gesteigert werden;
- mit einer PR-Kampagne will man für die Pflege-Ausbildung werben, vier Mio. Euro stehen dafür zur Verfügung;
- es sollen 5.000 Weiterbildungsplätze für Pflegehelferinnen und Pflegehelfer eingerichtet werden, die sich damit zu Pflege-Fachtkräften nachqualifizieren können;
- Pflegeschulen sollen mit in dem Digitalpakt integriert werden.
Oft fehlt der Überblick – keine schnellen Lösungen
Was die Maßnahmen bringen werden, bleibt abzuwarten. Zum Teil sind sich die Beteiligten selbst nicht ganz über die Dimension des Problems im Klaren. So zeigt die Antwort der Bundesregierung auf die Linken-Anfrage auch, dass derzeit keine verlässlichen Daten über die Ausbildung in der ambulanten und stationären Altenpflege vorhanden sind. Dieses statistische Problem will man jetzt ebenfalls beheben. Es wird aber wohl bis Ende 2020 dauern, bis verlässliche Daten existieren.
Schnelle Lösungen des Personalproblems wird es sicher nicht geben. Die Ausbildung zur Krankenpflegerin oder zum Krankenpfleger dauert drei Jahre. Zusätzliche Ausbildungen, die jetzt angestoßen werden, können daher erst 2022/23 auf dem Arbeitsmarkt greifen.