
Die Diskussion ist nicht neu: Wer soll außerhalb der Praxisöffnungszeiten, nachts, wochenends und an Feiertagen für die Patienten zuständig sein? Die Notaufnahme im Krankenhaus? Der ärztliche Bereitschaftsdienst? Oder eine Mischung aus beiden?
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft DKG bemängelt seit langem, dass die Notaufnahmen der Krankenhäuser als Lückenbüßer für den mangelhaften ärztlichen Bereitschaftsdienst verkommen seien. Die ambulante Notfallversorgung finde zum größten Teil im Krankenhaus statt.
Mehr als 10 Millionen ambulante Behandlungsfälle werden in Deutschland jährlich durch Notaufnahmen verzeichnet. Davon könnten laut DKG-Geschäftsführer Georg Baum 4 Millionen Fälle problemlos auch von niedergelassenen Ärzten in der Praxis behandelt werden.
Dazu kommt, dass Notaufnahmen selten kostendeckend arbeiten können. Durchschnittlich kostet ein Fall in der ambulanten Notfallversorgung etwa 3 Mal so viel wie er einbringt. Das führt zu einem erheblichen Kostendefizit der Krankenhäuser.
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) behaupten hingegen ihrerseits, den Löwenanteil der ambulanten Notfallpatienten zu versorgen. „Nicht nur der stationäre Bereich ist unterfinanziert, sondern auch wir“, betont Dr. med. Monika Schliffke, Vorstandsvorsitzende der KV Schleswig-Holstein.
In den letzten Jahren haben sich die KVen der Länder für die Etablierung von sogenannten Notfallpraxen stark gemacht. Die Idee: Eine zentrale Anlaufstelle, besetzt von Kassenärzten im Bereitschaftsdienst, soll die Notaufnahmen der Krankenhäuser entlasten. Patienten sollen künftig nicht lange nach dem zuständigen Bereitschaftsarzt suchen müssen, sondern einfach die Notfallpraxis aufsuchen, die sich idealerweise in Krankenhausnähe befindet. Dort wird ein Basisspektrum, bestehend aus Allgemeinmedizin, Pädiatrie, HNO und Augenheilkunde abgedeckt.
Für Ärzte soll dieses Modell die Bereitschaftsdienstbelastung deutlich reduzieren, da sich alle Fach- und Allgemeinärzte daran beteiligen sollen.
Doch an diesem Modell gibt es Kritik von allen Seiten. Erfahrene Bereitschaftsärzte befürchten durch die reduzierte Auslastung Verdiensteinbußen. Ärzte, die lange Jahre nicht mehr in der Notfallversorgung tätig waren, befürchten, den Patienten nicht gerecht zu werden und treten den Bereitschaftsdienst gegen Bezahlung an erfahrenere Kollegen ab.
Durch die unterschiedliche Versorgungslandschaft in Deutschland scheint es, als würden vor allem ländliche Gegenden von dieser neuen Regelung profitieren. In Ballungszentren, wo die Patientenversorgung seit jeher gut geregelt war, führt das Notfallpraxen-Modell zum Unmut aller Beteiligten eher zu einer Verschlechterung der Situation.
„Wir müssen versuchen, eine vernünftige Versorgung für alle zu finden, insbesondere auf dem Land. Es kann nicht sein, dass einige einen Luxus-Bereitschaftsdienst auf Kosten anderer organisieren“, so Dr. med Uwe Popert, Allgemeinarzt aus Kassel und Mitarbeiter der KV Hessen.
Der Schlüssel zur Lösung des Problems scheint wie so oft in einer Verbesserung der Kommunikation zwischen Krankenhäusern, niedergelassenen Ärzten und KVen zu liegen.