Kürzlich saß ich beim Friseur. Zum Zeitvertreib wurden mir die friseurtypischen Damenmagazine angeboten, und ich blätterte zunehmend irritiert durch die Modestrecken und verstand die Welt nicht mehr. Was war plötzlich geschehen? Als versierte Fashionista hätte ich mich sicherlich auch im Studium nicht bezeichnet. Aber die aktuelle Modeentwicklung hat mich diesmal nicht einmal peripher tangiert – sie ist einfach schnurstracks und völlig unbemerkt mir vorbeigegangen.
Denn seit meinem Berufseinstieg ist mein Arbeitsalltag quasi eine modefreie Zone. Seit Jahren hat sich hier der Marsmännchen-auf-Ökotrip-Trend etabliert, dementsprechend laufen wir alle in froschgrüner Baumwolle und Hausfrauenlatschen durch die Gegend. IT-Pieces sind sommers wie winters Einmalkrägen in hellgrün und Einmaljacken in himmelblau.
Zum Glück ist dieses Problem aber kein Anästhesie-exklusives. Ob man nun in Grün durch die OPs wuselt, in Blau Ambulanzen unsicher macht oder in Weiß über die Stationen schwebt:
Die Uniform-Baumwolle vereint uns alle. Sicherlich ist sie auch einer der Gründe, weshalb Ärzte-Kongresse modetechnisch regelmäßig ein weites Feld abdecken, das sich irgendwo zwischen modern, retro und Supergau bewegt.
Allein: Was dagegen tun? Die AINS gegen eines dieser hirnbefreiten Frauenmagazine austauschen? Oder das sauer verdiente Gehalt einem Personal Shopper in den Rachen werfen?
Nach längerem Grübeln entschied ich mich für folgende Erkenntnis:
So hässlich und schlecht geschnitten diese grünen Säcke auch sind, sie haben einen ganz entscheidenden Vorteil. Sie machen uns alle gleich. Keiner von uns muss morgens verzweifelt vor dem Kleiderschrank stehen, sich panisch drei Mal umziehen und schließlich viel zu spät in einem mittelschlechten Kompromiss-Outfit das Haus verlassen und den ganzen Tag unzufrieden sein.
Nein, der OP als modebefreite Zone gewährt uns den Luxus, dass hier im Grunde jeder auftauchen kann wie er es für angemessen hält: In Kostüm und Jackett, Jeans und T-Shirt oder im Jogginganzug. Schließlich legen wir alle in der Anonymität einer riesigen Umkleidekabine die Homezone-Identität ab und die Arbeitsidentität an. Das macht das Leben so viel angenehmer und einfacher.
Und in Zukunft nehme ich einfach die AINS mit zum Friseur. Problem gelöst!
Herzliche Grüße,
Frau Sandmann