![Offboarding Leitfaden Für Ein Gelungenes Exit-Interview](https://www.praktischarzt.de/wp-content/uploads/2021/09/Offboarding-Leitfaden-fuer-ein-gelungenes-Exit-Interview.jpg)
Wie sich die Kündigung eines Mitarbeiters als Wettbewerbsvorteil nutzen lässt? Mit strukturiertem Offboarding und einem gut vorbereiteten Exit-Interview können wichtige Verbesserungspotenziale für die Personalentwicklung in Kliniken und Krankenhäusern aufgedeckt werden. Welche Vorteile ein solches Abschlussgespräch ansonsten bietet und worauf beim letzten Interview mit dem ausscheidenden Mitarbeiter zu achten ist, behandelt dieser Artikel.
Was ist ein Exit-Interview?
Plötzlich liegt sie auf dem Tisch – die Kündigung. Wenn ein leitender Arzt oder ein anderer erstklassiger Mitarbeiter sich zum Gehen entscheidet, ist das immer ein Verlust für die betreffende Klinik. Und zwar mindestens in dreierlei Hinsicht.
Erstens müssen Arbeitsprozesse neugestaltet werden, zweitens entstehen durch die Suche nach qualifiziertem Ersatz neue Kosten und drittens weist die Kündigung womöglich auf Schwächen in der Personalbindung des Krankenhauses hin.
Um diese Schwächen aufzudecken, führen immer mehr Kliniken und Krankenhäuser sogenannte Exit-Interviews durch. Es handelt sich um Abschlussgespräche, die typischerweise nach Aushändigung des Arbeitszeugnisses und kurz vor dem endgültigen Ausscheiden des Mitarbeiters unter vier Augen stattfinden.
Warum strukturiertes Offboarding und Exit-Interview so wichtig sind?
Meistens steckt hinter der Kündigung mehr, als das eigentliche Kündigungsschreiben verrät. Probleme mit dem Vorgesetzten? Unzufriedenheit mit dem Gehalt? Ein schlechtes Arbeitsklima in der betreffenden Abteilung?
Das herauszufinden und aus den gewonnenen Informationen wichtige Potenziale für die Weiterentwicklung des Klinikbetriebs herauszukristallisieren, ist der Sinn eines überlegt geführten Exit-Gespräches. Gut geplant, birgt das letzte Gespräch sowohl für den Arbeitgeber, als auch für den kündigenden Mitarbeiter eine Reihe von Vorteilen.
Exit-Interview: Fünf überzeugende Vorteile für beide Seiten
- Wertschätzung: auch nach seiner Kündigung fühlt sich der Mitarbeiter gehört und ernst genommen
- Anerkennung: dem Mitarbeiter wird signalisiert, dass er ein wichtiger Teil des Unternehmens bzw. Klinikbetriebs war und seine Kündigung einen Verlust darstellt
- Verbesserung: aus dem Gespräch kann die Klinik bzw. das Unternehmen wichtige Impulse für notwendige Optimierungen gewinnen
- Empfehlung: der Mitarbeiter verlässt seine Arbeitsstelle unter guten Vorzeichen und kann den Ruf der Klinik durch Mundpropaganda und/oder Mitarbeiterempfehlungen stärken
- Bindung: die gewonnenen Informationen können helfen, aktuelle Mitarbeiter besser zu binden und somit zukünftige Kündigungen verhindern
Gelungenes Offboarding im Krankenhaussektor: Darauf kommt es an
Für ein erfolgreich geführtes Abschlussgespräch ist vor allem viel Fingerspitzengefühl nötig. Gerade, wenn die Situation zwischen Mitarbeiter und Klinik angespannt ist, können unbedachte Fehler im Exit-Interview womöglich das Klinik-Image schädigen, statt sich vorteilhaft auszuwirken.
Sechs Fehler, die es beim Exit-Gespräch zu vermeiden gilt
Diese Fehler gilt es während eines Exit-Gesprächs unbedingt zu vermeiden:
- Fragebogen benutzen. Ein vorgefertigter Fragebogen, der lediglich durchgearbeitet und abgehakt wird, lässt sich schwer mit dem Ideal eines persönlichen, vertrauensvoll geführten Abschlussgespräches vereinbaren. Diese Vorgehensweise signalisiert wenig Interesse.
- Zu viele Teilnehmer einbeziehen. Je mehr Fragesteller dem Mitarbeiter gegenübersitzen, desto mehr unnötigen Druck baut man auf. Ein offenes Gespräch, konstruktive Kritik und ein Einblick in die wahren Kündigungsgründe werden somit unwahrscheinlicher. Ein Vier-Augen-Gespräch wird meist am angenehmsten empfunden.
- Exit-Interview direkt nach der Kündigung führen. Ein eher ungünstiger Zeitpunkt. Da in den meisten Fällen noch einige Wochen vergehen, bevor der Mitarbeiter tatsächlich seinen letzten Arbeitstag hat, wird er bemüht sein, jedes Konfliktpotenzial zu umgehen. Kurz vor dem Ausscheiden kann er dann ehrlich seine Beweggründe nennen.
- Arbeitszeugnis als Druckmittel verwenden. Um die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Exit-Gespräch zu schaffen, sollte der Mitarbeiter sein Arbeitszeugnis bereits in den Händen halten. So kann er sicher sein, dass er frei und offen sprechen kann, ohne dass seine Aussagen die Bewertung negativ beeinflussen.
- Beschuldigungen aussprechen. In einem sachlichen Austrittsgespräch haben Vorwürfe und Anschuldigungen keinen Platz, schließlich handelt es sich nicht um ein Verhör. In der Regel überlegen Arbeitnehmer gründlich, bevor sie sich für eine Kündigung entscheiden. Das sollte man respektieren.
- Nicht genug Zeit nehmen. Nur wer sich Zeit für sein Gegenüber nimmt, kann ehrliches und ernsthaftes Feedback erwarten. Besteht kein Zeitdruck, fühlt sich der Mitarbeiter wertgeschätzt und ernst genommen. Außerdem wird eine ruhige Atmosphäre geschaffen und es besteht genug Raum für Anschlussfragen.
Erfolgreiches Exit-Interview: Die Auswertung
Ist das Abschlussgespräch vorüber, gilt es, das erhaltene Feedback sorgfältig auszuwerten und zu analysieren. Die gewonnenen Informationen lassen sich als Denkanstöße nutzen, um die Personalsituation im Krankenhaus zu verbessern.
Welche Beweggründe haben den ausscheidenden Mitarbeiter zu seiner Kündigung veranlasst? Wie können ähnliche Kündigungsgründe in Zukunft vermieden werden? Vielleicht bietet das Exit-Gespräch Impulse für Maßnahmen, die helfen können, Unzufriedenheit unter der Belegschaft abzubauen.
Haben bereits mehrere Mitarbeiter aus ähnlichen Gründen die Klinik verlassen, muss man im nächsten Schritt dringend sinnvolle Schritte und Initiativen planen, diesem Verlauf entgegenzusteuern. Nur dann hat das Exit-Interview vollständig seine Aufgabe erfüllt.
Wer sollte das Exit-Gespräch führen?
Infrage für das Durchführen des Offboarding kommen sowohl der oder die unmittelbare Vorgesetzte des ausscheidenden Mitarbeiters als auch ein Vertreter aus dem Personalbereich. Gibt es eine andere Vertrauensperson im Klinikbetrieb, kann auch diese das Gespräch führen.
Oft ist der oder die Vorgesetzte jedoch nicht die ideale Wahl. Zum einen verhindert das zu diesem bestehende hierarchische Gefälle eine Unterhaltung auf Augenhöhe. Zum anderen gab es vielleicht Spannungen oder Diskrepanzen zwischen den Beteiligten, die womöglich sogar Grund für die Kündigung waren und ein offenes Gespräch von vornherein blockieren.
Ein erfolgreiches Exit-Gespräch basiert auf einer vertrauensvollen und offenen Unterhaltung. Sie schafft die Basis für ehrliches Feedback. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, den Mitarbeiter darauf hinzuweisen, dass seine Informationen vertraulich behandelt und nur mit seinem Einverständnis geteilt werden.
Ist ein Exit-Interview wirklich sinnvoll? Drei Argumente, um Mitarbeiter zu überzeugen
Zuerst ein kleiner Disclaimer. Natürlich sollte man einen Mitarbeiter nicht zu einem Abschlussgespräch überreden. Denn dann steht das Offboarding unter eher ungünstigen Vorzeichen und verfehlt womöglich seinen Zweck. Stattdessen kann es helfen, den ausscheidenden Arbeitnehmer auf einige vorteilhafte Aspekte des Exit-Gesprächs hinzuweisen.
- Konstruktive Kritik kann Veränderungen bewirken: Werden Faktoren, die bei der Belegschaft Unzufriedenheit auslösen, nicht thematisiert, wissen die Verantwortlichen nicht, wo es hakt. Selbst wenn der Mitarbeiter sich entschlossen hat, das Krankenhaus zu verlassen, können seine Informationen wichtige Impulse für einen positiven Wandel darstellen.
- Alle Wege offenhalten: Womöglich entscheidet sich der Arbeitnehmer irgendwann, in das Unternehmen zurückzukehren. Sind die Gründe für sein Ausscheiden dann mittlerweile beseitigt, signalisiert das, wie ernst man seine Vorschläge nimmt.
- Abschied im Guten: Wenn es sich um einen erstklassigen Mitarbeiter handelt, kann das Exit-Interview eine hervorragende Möglichkeit darstellen, dem Mitarbeiter zu versichern, dass auch eine zukünftige Bewerbung seinerseits weiterhin willkommen ist.
Beispielfragen für ein strukturiertes Exit-Interview
Die folgenden Fragen werden typischerweise in Abschlussgesprächen gestellt und eignen sich als grobe Orientierungspunkte. Wie bereits erwähnt, sollte jedoch keinesfalls der Fehler gemacht werden, während des Interviews schlicht einen Fragenkatalog abzuarbeiten. Im Idealfall bestimmt der Mitarbeiter den Gesprächsverlauf mit. Fragen sollte man der Situation entsprechend anpassen.
Direkte Fragen bieten sich vor allem an, wenn der Mitarbeiter sich offen und gesprächsbereit zeigt:
- Was war der Grund für Ihre Kündigung?
- Welche Verbesserungen wären nötig, damit Sie geblieben wären?
- Empfanden Sie Ihre Bezahlung als angemessen?
- Wie kamen Sie mit Kollegen und Vorgesetzten zurecht?
Manche Mitarbeiter sind darauf bedacht, niemandem etwas anzulasten. In diesen Fällen können indirekte Fragen helfen, dem Problem auf den Grund zu kommen.
- Wie würden Sie vorgehen, wenn Sie im Klinikbetrieb etwas verändern könnten?
- Welchen Rat würden Sie ihrem Nachfolger geben?
- Was haben Sie in unserem Krankenhaus vermisst?
Diese Themen sollten im Abschlussgespräch zur Sprache kommen
Beispielfragen wie die oben aufgeführten können in der Vorbereitung auf das Exit-Interview als Impulse genutzt werden. Während des Gesprächs kommt es jedoch darauf an, sich auf die Richtung einzulassen, die der Mitarbeiter mit seinen Aussagen einschlägt. Anschlussfragen sind natürlich erlaubt. Außerdem sollten idealerweise einige der folgenden Themenbereiche angesprochen werden.
- Verhältnis zu dem/der unmittelbaren Vorgesetzten
- Betriebsklima unter den Kollegen
- (Un-)zufriedenheit mit dem Gehalt
- Förderung vonseiten des Krankenhauses und künftige Karrierepläne
- bisheriges Aufgabenspektrum und Arbeitsbedingungen
Fazit
Immer mehr Arbeitgeber erkennen die Potenziale strukturierter Offboarding-Maßnahmen für ihre Unternehmen. Auch im Klinik- und Krankenhaussektor ist das Exit-Interview ein geeignetes Instrument, um Kündigungsgründe in Erfahrung zu bringen, daraus Impulse für ein besseres Klima in der Belegschaft zu generieren und schließlich weiteren Kündigungen vorzubeugen.